München/Marburg

Nach Amoklauf im OEZ: Mutmaßlicher Waffenlieferant festgenommen


Nach dem Amoklauf von München hat die Polizei einen Mann festgenommen, der dem 18-jährigen Täter die Waffe verkauft haben soll.

Nach dem Amoklauf von München hat die Polizei einen Mann festgenommen, der dem 18-jährigen Täter die Waffe verkauft haben soll.

Von Redaktion idowa

Die 65-köpfige Sonderkommission OEZ hat mittlerweile zusammen mit der Staatsanwaltschaft München I den Amoklauf weitgehend rekonstruiert und so wichtige Fragen geklärt.

So konnte der Weg des 18-jährigen Deutsch-Iraners vom Ort der ersten Schüsse bis zu dem Platz, an dem er sich selbst erschossen hat, in weiten Teilen nachvollzogen werden. Von besonderer Bedeutung waren hier neben dem mehrfachen Einsatz eines polizeilichen Personensuchhundes viele Zeugenaussagen, die sich bei den Befragungen von mehr als 1.000 Haushalten ergeben haben.

Mehrere Bewohner haben den 18-Jährigen in einer logischen zeitlichen Abfolge zwischen dem OEZ und dem Gebäudekomplex in der Henckystraße gesehen. Somit steht für die Ermittler fest, dass der junge Mann vom OEZ in das Zwischengeschoß des dortigen Parkhauses wechselte, anschließend 17 Schüsse in ein geparktes Fahrzeug abgab und danach das oberste Parkdeck aufsuchte. Dort wurde er nach einem Streitgespräch mit einem Anwohner durch zwei Polizeibeamte gesehen. Einer der Beamten gab bei dieser Gelegenheit einen Schuss auf den 18-jährigen ab, der diesen jedoch verfehlte. Anschließend begab sich der Täter über die nördliche Außentreppe des Parkhauses nach unten und überquerte die Riesstraße, wo er eine gegenüber liegende Grünanlage betrat.

Ali S. versteckte sich in einer Tiefgarage

Auf zwischen den dortigen Häusern angelegten Gehwegen lief er - vermutlich ohne weitere Zwischenstopps - zur Henckystraße, wo er durch die unversperrte Haustüre in das Treppenhaus eines der dortigen Wohnanwesen gelangte. Im Treppenhaus hatte der Täter nacheinander Kontakt mit mehreren Anwohnern, die von ihm glücklicherweise weder bedroht noch angegriffen wurden. Im Anschluss versteckte sich der Deutsch-Iraner nach momentaner Annahme der Ermittler für längere Zeit in der Tiefgarage des Wohnhauses, bevor er diese über eine Außentreppe wieder verließ und unmittelbar danach mit mehreren im Rahmen der Fahndung eingesetzten Polizeibeamten zusammentraf, vor deren Augen er schließlich Selbstmord beging.

Ein weiterer Ermittlungskomplex bezog sich auf die Herkunft der von ihm verwendeten Tatwaffe. Wie von den Ermittlungsbehörden von Anfang an dargestellt, gab es Hinweise auf einen Kauf der Pistole im sog. "Darknet". Im Rahmen der Ermittlungen ergaben sich Zusammenhänge mit einem Strafverfahren, dass die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt/Main zusammen mit dem Zollfahndungsamt Frankfurt führt. Auch in diesem Verfahren wurden Waffen über ein Anbahnungsgeschäft im "Darknet" verkauft.

Festnahme in Hessen



Am Dienstag, 16. August, konnte in Marburg/Hessen ein 31-jähriger Mann festgenommen werden, als er gerade eine Schusswaffe an einen Käufer übergab. Für diese Festnahme wurden Spezialeinsatzkräfte des Zoll eingesetzt, Beamte der Sonderkommission OEZ befanden sich ebenfalls in Hessen. Es besteht der dringende Verdacht, dass der 31-jährige die für den Münchner Amoklauf verwendete Glock 17 an den 18-jährigen Deutsch-Iraner in engem zeitlichem Zusammenhang mit dieser Tat verkaufte. Aufgrund der ausgewerteten Chatverläufe und bei der Wohnungsdurchsuchung aufgefundener Fahrtnachweise ist davon auszugehen, dass Verkäufer und Käufer im Mai 2016 im Darknet über den Waffenkauf einig wurden. Dann fuhr der 18-Jährige am 20.05.2016 mit einem Reisebus nach Marburg, wo ihm die Schusswaffe persönlich übergeben wurde.

Bei einer zweiten Fahrt am 18. Juli 2016, bei der der 18-Jährige den 31-jährigen ebenfalls in Marburg traf, kam es dann zur Übergabe von 350 Schuss Munition für die bereits verkaufte Waffe.

Die umfangreiche Auswertung der Chatprotokolle und die Identifizierung bzw. Vernehmung der Chatpartner ist noch nicht abgeschlossen. Aus diesem Grunde ist es zum jetzigen Zeitpunkt nicht möglich, abschließende Aussagen über die Motive des 18-Jährigen zu erteilen. Insgesamt wurden von der Sonderkommission bislang mehr als 3.100 Hinweise und Spuren erfasst, von denen eine große Zahl immer noch in der Bearbeitung ist. Mittlerweile wurden ca. 250 Zeugenvernehmungen durchgeführt. Nach wie vor konzentrieren sich die umfangreichen Ermittlungen darauf, die Vorbereitung und den Hergang der Tat so detailliert wie möglich zu rekonstruieren, das Motiv festzustellen und mögliche Mittäter bzw. Mitwisser zu identifizieren.

Zum jetzigen Zeitpunkt gibt es aber keine neuen Anhaltspunkte, die für eine Involvierung Dritter in die Tatplanung oder -ausführung sprechen würden. Zu den vielfältigen Spekulationen werden sich die Ermittlungsbehörden auch weiterhin nicht äußern, genauso wenig wie über persönliche Details zu Opfern und ihren Verletzungen.