Zagreb

Kroatien zwischen Reformwende und Unregierbarkeit


Die Neu-Partei MOST avanciert auf Anhieb zur dritten politischen Kraft - und damit zum Königsmacher der künftigen Regierung.

Die Neu-Partei MOST avanciert auf Anhieb zur dritten politischen Kraft - und damit zum Königsmacher der künftigen Regierung.

Von Katharina Binder

Die Parlamentswahl in Kroatien bringt ein unklares Ergebnis. Dennoch könnte der Ausgang eine echte Reformchance bergen. Wenn die nicht ergriffen wird, droht die Unregierbarkeit des Adrialandes - und eine neue Wahl.

Die Überraschung des Wahlabends bringt Kroatien gleich ein neues Dilemma. Die Neu-Partei MOST avanciert auf Anhieb zur dritten politischen Kraft - und damit zum Königsmacher der künftigen Regierung. Allerdings lehnt sie jede Koalition zu den regierenden Sozialdemokraten (SDP) von Ministerpräsident Zoran Milovanovic und zur konservativen Oppositionspartei HDZ ab.

Denn die beiden Großparteien waren für MOST (Brücke) im Wahlkampf das Feindbild schlechthin: Versagen bei der Lösung der vielen Probleme im Land wurde ihnen vorgeworfen, Verschwendung von Staatsgeldern, Korruption und Reformunfähigkeit. Mit den "Altparteien" sei keine Regierung möglich, verkündeten die Neuen unermüdlich.

Jetzt freuen sich ihre Spitzenvertreter, dass "ohne uns keine Regierung möglich ist". Sie setzen auf eine Art Reformerpressung: Möglich sei die Tolerierung einer Großpartei, wenn diese sich zu handfesten und ernsthaften Reformen durchringe. So könne MOST "zum Generator für Reformen werden", sagt Politikprofessorin Smiljana Novosel. Prominente Politiker der neuen Partei nährten diese Hoffnung am Wahlabend mit der Aussage: "Uns interessieren nur Reformen."

Diesem Druck entgehen könnten SDP und HDZ nur durch eine große Koalition. Doch das haben beide Seiten ebenfalls strikt abgelehnt.

Umso mehr wird MOST von den beiden ideologisch tief zerstrittenen Lagern umworben. Beflissen wurde zum Wahlerfolg "dieser respektablen neuen politischen Kraft" gratuliert. Der stellvertretende SDP-Vorsitzende und Innenminister Ranko Ostojic machte schon ein listiges Angebot: Eine Zusammenarbeit könne ja auch in Abmachungen bestehen, eine Koalition sei nicht zwingend erforderlich.

Für die Umworbenen antwortete Robert Podolnjak, einer der führenden MOST-Politiker: In jedem Fall müsse es "Absprachen geben, welche Reformen in welchem Zeitraum durchgeführt werden", sagte er. Dies sei die Bedingung.

Die größte Unsicherheit für das Zustandekommen eben dieser Reformen, die am Wahlabend in aller Munde sind, ist aber MOST selbst. Die Partei sei ein zusammengewürfelter, "lockerer Zusammenschluss von Lokalpolitikern", der leicht in drei Teile zerfallen könne, warnten einige Analytiker nach Veröffentlichung der ersten Wahlergebnisse.

In der Tat hat diese neue Partei die Wähler durch ihre Erfolge ausschließlich auf lokaler Ebene angezogen. Im Gegensatz zu den seit Jahrzehnten bekannten Altparteien und -politikern hätten die Neuen Protestwähler angezogen, die nach "dem dritten Weg" suchten, hieß es in ersten Kommentaren.

Doch mit der jetzigen Machtkonstellation ist die Regierungsbildung unsicherer denn je. Sie dürfte zumindest langwierig werden - oder in einer neuen Wahl münden.