Welt-Down-Syndrom-Tag

Kinder mit Down-Syndrom: Einst versteckt, nun im Netz präsent


Die Blogautorin Kathinka Seifert sitzt in ihrer Wohnung mit ihrem Sohn Paul vor einem Notebook. Seifert betrieb den Blog "pauliskleinesleben".

Die Blogautorin Kathinka Seifert sitzt in ihrer Wohnung mit ihrem Sohn Paul vor einem Notebook. Seifert betrieb den Blog "pauliskleinesleben".

Von Guido Verstegen / Online

Am heutigen Samstag ist Welt-Down-Syndrom-Tag. Viele Eltern von betroffenen Kindern veröffentlichen gerne Bilder ihres Nachwuchses. Sie wollen so Vorurteile abbauen. Bringt das tatsächlich etwas?

Stuttgart/Berlin - Sie kuscheln mit Teddys, feiern lustige Geburtstagspartys oder spielen im Garten: Fotos von Kindern sind vor allem im Internet weit verbreitet. Das gilt auch für Kinder mit dem Down-Syndrom. Allein bei Instagram finden sich Millionen oft sehr niedlicher Bilder von Mädchen und Jungen mit Trisomie 21 in allen Lebenslagen.

Manche ihrer Eltern bloggen auch und berichten aus dem Familienalltag. Das Alles ist nicht außergewöhnlich. Die meisten Eltern sind stolz auf ihren Nachwuchs und wollen die Welt an ihrer Freude teilhaben lassen. Bei Familien von Kindern mit Down-Syndrom kommt oft noch der Wunsch hinzu, zu zeigen, dass der Gendefekt gar nicht so dramatisch ist.

Das zusätzliche Chromosom, das dem Down-Syndrom zugrunde liegt, wird von ihnen gern in den Posts "a little extra" (ein kleines Extra) genannt. Doch helfen die Bilder tatsächlich, Ängste und Vorurteile abzubauen, wie von manchen Eltern erhofft?

Wolf-Dietrich Trenner, Vorsitzender des Arbeitskreises Down-Syndrom Deutschland glaubt das nicht: "Das Down-Syndrom ist noch immer eine der vielgefürchteten Krankheiten. Es macht Angst und die Abtreibungsraten sind nach wie vor hoch". Daran habe auch die Medienpräsenz nicht viel geändert. Die Ängste seien allerdings unbegründet. Schließlich sei das Down-Syndrom sehr gut erforscht, sagt Trenner kurz vor dem Welt-Down-Syndrom-Tag am 21. März.

An diesem Tag findet jedes Jahr auch die Aktion #SockenAufforderung statt - und wird mit dem Welt-Down-Syndrom-Tag verbunden. An diesem Tag werden zwei unterschiedliche Socken getragen, die menschliche Einzigartigkeit wird bejubelt.

Kathinka Seifert aus Waiblingen empfand zunächst auch Unsicherheit. Bei der Geburt ihres Sohnes Paul vor vier Jahren wurde sie von der Diagnose Trisomie 21 überrascht. "In den ersten Tagen und Wochen nach seiner Geburt verschlangen wir alles, was wir zum Thema finden konnten. Zunächst im Internet und später in Fachbüchern.

Von Entwicklungsverzögerungen war da die Rede, aber auch von allerlei Krankheiten, die Kinder mit Down-Syndrom statistisch gesehen häufiger treffen als andere", erinnert sie sich. "Ich wollte die Wucht dieser Aussichten besser für mich selbst verarbeiten und mich mit anderen Eltern austauschen", sagt die heute 38-Jährige dreifache Mutter und Redakteurin in einem Verlag.

Sie startete damals den Blog "Paulis kleines Universum" und berichtete fortan aus dem oft lustigen, aber auch anstrengenden Familienleben. Seifert wollte zeigen, wie normal das Leben ist und auch gegen Unwissenheit anschreiben. "Es gibt noch viele Vorurteile. Eine Mutter aus der Kita fragte mich beispielsweise, ob Paul jemals trocken werden wird", so Seifert.

Aus Sicht der Sozialpädagogin und Theologin Sabine Schäper aus Münster können konkrete Lebensgeschichten und Einblicke in das Alltagsleben von Menschen mit Down-Syndrom durchaus hilfreich sein, das Bild von ihnen positiv zu beeinflussen. "Es gibt viele eher negativ konnotierte Bilder über das Down-Syndrom, daher tut Aufklärung mit positiver Konnotation Not", sagt die Professorin, aus deren Sicht Eltern von Kindern mit Behinderung generell viel zu wenig Gehör und Solidarität in der Gesellschaft finden.

Mit Blick auf Fotos mahnt sie allerdings zur Vorsicht: "Ich denke auch an Fragen des Datenschutzes und des Rechtes jedes Menschen an seinem Bild". Auch andere warnen: "Wir halten das für problematisch, weil wir nicht in jedem Fall davon ausgehen können, dass die Betroffenen wirksam eingewilligt haben", sagt Wolf-Dietrich Trenner vom Arbeitskreis Down-Syndrom.

Der Deutsche Kinderschutzbund empfiehlt bei der Veröffentlichung von Kinderfotos eine "gewisse Zurückhaltung". "Die Bilder bleiben im Netz und die Kinder haben keinen Einfluss darauf. So können bestimmte Bilder auch Jahre später unter Umständen den Betroffenen zum Nachteil gereichen", betont die stellvertretende Geschäftsführerin Martina Huxoll-von Ahn. Dies gelte uneingeschränkt für Kinder mit und ohne Behinderungen.

Fotografin Conny Wenk: Ihre Erfahrungen mit Down-Syndrom-Motiven

Bilder von Kindern mit Down-Syndrom - für Fotografin, Bloggerin und Autorin Conny Wenk gehören sie zum Beruf. Nach der Geburt ihrer Tochter Juliana mit Trisomie 21 vor 18 Jahren fing sie an, sie und auch andere Kinder und ihre Familien zu fotografieren. "Ich wollte damals zeigen, dass wir kein Mitleid brauchen, unsere Kinder gar nicht so anders sind und man keine Angst haben muss", erinnert sich Wenk, die mittlerweile neun Bücher über Kinder mit Down-Syndrom und ihre Familien veröffentlicht hat. Über Fotos im Netz sagt sie: "Man kann steuern, was man zeigt". Ihre Tochter sei stolz auf die Bilder.

Die Stuttgarterin, die sich auch in einem Verein für Familien von Kindern mit Down-Syndrom engagiert, hat die Erfahrung gemacht, dass man mit Fotos durchaus Berührungsängste abbauen und werdenden Eltern Halt geben kann. "Ich habe schon Briefe bekommen, in denen Eltern schreiben, dass sie durch meine Bilder ihre Ängste verloren oder sich für ihr Kind entschieden haben", erzählt sie.

Kathinka Seiferts Blog ist noch online. Doch neue Einträge von ihr gibt es seit Mai nicht mehr. "Wenn man bloggen will, muss man immer in den sozialen Medien präsent sein. Das hat mich schon gestresst", so die Mutter. Sie sei eher der "analoge Typ". "Es gibt mir mehr, echte Eltern und echte Kinder zu treffen", sagt sie.

Und immer häufiger habe sie sich beim Schreiben und vor allem auch beim Veröffentlichen von Fotos gefragt: "Darf ich das überhaupt? Ist es wirklich im Interesse meiner Kinder, das hier zu veröffentlichen? Oder ist es am Ende nicht doch vor allem mein Interesse, mich auszutauschen und ja, auch mich darzustellen?", sagt Seifert. Irgendwann habe sie sich einfach nicht mehr wohl gefühlt.