Rekordverlust

Autobauer rufen 630.000 Fahrzeuge zurück: Diese Marken haben Probleme


Wird die Abgaskrise bei Volkswagen zu einer Branchenkrise für die ganze Autoindustrie?

Wird die Abgaskrise bei Volkswagen zu einer Branchenkrise für die ganze Autoindustrie?

Wird die Abgaskrise bei Volkswagen zu einer Branchenkrise für die ganze Autoindustrie? Gezielte Manipulationen sind zwar weiter nur im Fall VW ein Thema. Doch ein staatlich angeordneter Test endete nun auch für viele andere Hersteller zumindest unangenehm.

Die deutsche Autoindustrie rutscht wegen alarmierend hoher Abgaswerte immer tiefer in eine Vertrauenskrise. Nur beim VW-Konzern, der am Freitag einen Rekordverlust infolge des Diesel-Debakels meldete, steht zwar der Einsatz einer Betrugs-Software zur Manipulation von Emissionstests bisher fest. Doch nach einer groß angelegten Nachmessung bei mehr als 50 Modellen verschiedener Hersteller müssen auch andere Autobauer Hunderttausende Fahrzeuge zurückrufen, um die Technik nachzubessern.

Die von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt angeordneten Prüfungen durch das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) zwingen alle deutschen Anbieter bis auf BMW dazu. Nach Angaben des CSU-Politikers sollen insgesamt rund 630.000 Wagen vorübergehend zurück. Die Firmen hätten eine "Optimierung" ihrer Maßnahmen zur Schadstoff-Reduktion zugesagt.

Bei den betroffenen Modellen von Audi, Mercedes, Opel, Porsche und den leichten VW-Nutzfahrzeugen müsse die Technik zur Abgasreinigung bei bestimmten Temperaturen geändert werden. Das werde noch in diesem Jahr erfolgen. Das KBA werde die Wirksamkeit der Änderungen prüfen.

Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) sagte: "Nach einer ersten, vorläufigen Analyse der Ergebnisse können wir sehen, dass die Automobilbranche die Abgasreinigungen auch dann ausgesetzt hat, wenn es sich nach allgemeinem Verständnis um normale Betriebssituationen handelt." Dies habe weit verbreitet stattgefunden - entgegen den EU-Abgasvorschriften. Sie betonte: "Hier hat die Automobilbranche klar zu ihrem Vorteil gehandelt, klar zum Nachteil der Autobesitzer und zum Nachteil der Umwelt und damit der Allgemeinheit."

Keine Hinweise auf unzulässige Software

Die Hersteller sprachen am Freitag von einem "freiwilligen" Update. Sie betonten, es gebe keine Hinweise auf unzulässige Software. Der Branchenverband VDA begrüßte den Bericht: Dieser schaffe "Klarheit und Transparenz", sagte VDA-Präsident Matthias Wissmann. "Die Ergebnisse zeigen, dass alle anderen deutschen Hersteller die für die Typgenehmigung vorgegebenen Grenzwerte auf dem Prüfstand einhalten", meinte er mit Blick auf die Abgas-Affäre bei VW, die den Wolfsburger Konzern in die schwerste Krise seiner Geschichte gestürzt hatte.

Greenpeace-Verkehrsexperte Tobias Austrup sagte hingegen: "Dobrindts Ankündigung ist nicht das Ende des Abgas-Skandals, sie ist selbst ein Skandal." Der Rückruf werde den Betrug nicht beenden. Der Bundestagsabgeordnete Oliver Krischer (Grüne) erklärte, "dass die Bundesregierung nach wie vor keine wirklichen Konsequenzen aus dem Abgas-Skandal zieht, kommt einem Staatsversagen gleich".

EU-Richtlinie sei "zu undefiniert"

Auch beim VW-Rivalen Daimler gab es am Freitag keine guten Nachrichten. Nach den KBA-Prüfungen bieten die Stuttgarter für 247 000 Fahrzeuge in Europa freiwillig ein Software-Update an. In den USA wurde der Autobauer nach Sammelklagen zudem von der US-Regierung aufgefordert, eine interne Untersuchung über das Zustandekommen der Abgaswerte durchzuführen. "Selbstverständlich kooperieren wir vollumfänglich mit den Behörden", sagte Finanzchef Bodo Uebber.

Anders als bei Volkswagen, wo man nach dem Bekanntwerden der "Dieselgate" genannten Affäre um manipulierte Abgaswerte rasch ein Geständnis abgab, weist Daimler Anschuldigungen zurück. Bislang fordert das US-Justizministerium auch nur Aufklärung und wirft dem Konzern kein Fehlverhalten vor. Allerdings haben Autobesitzer aus 13 US-Bundesstaaten Daimler wegen angeblichen Abgas-Betrugs verklagt.

Dobrindt betonte, illegale Abschalteinrichtungen hätten die Prüfer des KBA nur bei den vorher schon bekannten VW-Modellen entdeckt. Viele Hersteller seien allerdings in ihrer "Interpretation" der EU-Richtlinie, die in bestimmten Situationen ein Herunterregeln der Schadstoff-Reduzierung erlaubt, sehr weit gegangen. Der von der EU vorgegebene Rahmen sei "zu undefiniert" und müsse geändert werden.

Volkswagen hatte nach dem Bekanntwerden seiner Abgas-Affäre 2015 zugegeben, eine illegale Software eingesetzt zu haben. Das Programm drückt künstlich den Ausstoß von Stickoxiden im Testbetrieb, während die Autos auf der Straße deutlich mehr Schadstoffe freisetzen.

Unabhängig davon stellen viele Hersteller die Abgastechnik ihrer Fahrzeuge so ein, dass die Filter erst ab einer bestimmten Außentemperatur voll arbeiten. Laut dem KBA-Test reichen diese "Thermofenster" bei einigen Marken bis zu Temperaturen von 18 Grad.

53 Modelle geprüft

Die KBA-Prüfer teilten die von ihnen getesteten 53 Fahrzeugmodelle in drei Gruppen ein. Zur ersten Gruppe gehören 27 Autos, bei denen sich der erhöhte Schadstoff-Ausstoß aus Sicht der Prüfer mit Maßnahmen zum "Bauteil-Schutz" erklären lässt. Die Fahrzeuge, für die jetzt ein Rückruf angekündigt wurde, gehören dagegen zu einer zweiten Gruppe von insgesamt 22 getesteten Modellen, bei denen das KBA "Zweifel" hat, dass die Drosselung der Schadstoff-Reduzierung wirklich nur mit dem Motorschutz zu tun hat. Zur dritten Kategorie von Fahrzeugen mit Abschalteinrichtungen gehören laut Dobrindt nur vier VW-Modelle.

Die VW-Nutzfahrzeug-Tochter beordert 124 000 Crafter und 70 000 Amarok zurück in die Werkstätten. Audi ruft 65 700 Q5, A6 und A8 mit manuellem Schaltgetriebe zurück, die nach EU-5 und EU-6-Abgasnorm zugelassen wurden - also auch die neuesten Wagen der Modellreihen. Porsche will 33 000 Diesel-Geländewagen vom Typ Macan umrüsten. Bei Opel sind es 90 000 Exemplare des Insignia, Zafira und Cascada.

Derweil meldete der "Spiegel", dass der Zulieferer Bosch in großem Stil Motorsteuerungen für Antriebe der aktuellen Emissionsnorm Euro 6 produziert habe, die eine Abschalteinrichtung enthalten. Bislang war im Zuge des VW-Skandals nur von Motoren der Euro-5-Norm die Rede. Es gehe um 60 Diesel-Pkw verschiedener Autobauer. Das Unternehmen aus Stuttgart erklärte, der Vorwurf stimme in dieser Form nicht.