Kommentar

Acht verlorene Jahre


Werner Fayman ist vom Amt des österreichischen Bundeskanzlers zurückgetreten. Ein Land in einem progressiven Zustand hinterlässt er nicht gerade.

Werner Fayman ist vom Amt des österreichischen Bundeskanzlers zurückgetreten. Ein Land in einem progressiven Zustand hinterlässt er nicht gerade.

Von Monika Müller

Seit Montag ist Werner Faymann als österreichischer Bundeskanzler Geschichte - und das ist gut so. Denn seine fast achtjährige Amtszeit hat dem Land keine Fortschritte und seine Partei, die sozialdemokratische SPÖ, an den Rand des Untergangs gebracht. Nun ist es an der SPÖ, zu entscheiden, was sie politisch eigentlich will - und mit wem. Viel Zeit dafür bleibt ihr nicht.

Ob Werner Faymann selbst jemals so etwas wie politische Ziele oder Überzeugungen hatte, ist nicht bekannt. Aus den Ergebnissen seiner beiden Amtszeiten als Bundeskanzler lässt sich so etwas jedenfalls nicht herauslesen. Faymann war nicht Sozialist, nicht liberal, nicht konservativ. Er war anfangs EU-kritisch, später gab er den begeisterten Europäer. In der Flüchtlingskrise war er zuerst Angela Merkels engster Verbündeter und dann ihr erbittertster Gegner. Faymann versuchte von Anfang an, mit populistischem Gerede auf Stimmenfang zu gehen. Nur leider war er selber Regierungschef und nicht Oppositionsführer. Die Wähler konnten ihn an seinen Ergebnissen messen.

Das taten sie auch: Von 20 Wahlen auf Landes-, Bundes- und Europaebene hat die SPÖ in Faymanns Amtszeit in 18 Stimmenanteile verloren. Dabei ist die Katastrophe vom 24. April noch gar nicht mitgerechnet, als der Kandidat der einst so stolzen SPÖ mit elf Prozent im ersten Durchgang der Bundespräsidentenwahl abgewatscht wurde.

Nach jeder dieser verlorenen Wahlen hatte Faymann versprochen, seine Sache besser zu machen. Zum Beispiel im März 2009: Damals hatte die SPÖ bei den Landtagswahlen in Kärnten zehn und in Salzburg sechs Prozentpunkte verloren. Der Kanzler kündigte einen verstärkten Einsatz seiner Partei für junge Arbeitnehmer und Lehrlinge an. Folgen hatte das bis heute nicht. Oder im Oktober 2010, als die SPÖ fünf Prozentpunkte bei der Landtagswahl in Wien verlor: Faymann kündigte neue Initiativen in der Integrationspolitik an. Gehört hat man davon nie mehr etwas. Auch gegen die steigende Arbeitslosigkeit und den Rückfall Österreichs bei der internationalen Wettbewerbsfähigkeit hatte Faymann - und mit ihm die gesamte große Koalition mit der konservativen ÖVP - nie einen Plan. Faymanns Regierungszeit waren acht verlorene Jahre für Österreich.

Die österreichische Sozialdemokratie steht jetzt mit dem Rücken zur Wand. Sie muss sich endlich festlegen, wofür sie politisch steht: Will sie dezidiert linke Politik für Geringverdiener und sozial Schwache machen - dafür spräche einiges - oder ihren Kurs der Anbiederung an die rechtspopulistische FPÖ fortsetzen? Will sie sich weiter in einer Koalition an die ÖVP binden oder in die Opposition gehen? Will sie Neuwahlen - auch wenn das hieße, dass FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache der nächste Bundeskanzler wird?

Die SPÖ ist intern seit Langem zerstritten. Jetzt, wo es um die Nachfolgefrage geht, treten diese Differenzen offen zutage. Keiner der beiden Kandidaten, die als neuer Regierungschef gehandelt werden - der von Interims-Parteichef Michael Häupl favorisierte Fernseh-Manager Gerhard Zeiler und der Chef der Österreichischen Bundesbahnen, Christian Kern, als Favorit der meisten Landesparteivorsitzenden -, bringt irgendwelche Erfahrung in gewählten politischen Ämtern oder Mandaten mit. Schon allein das ist bezeichnend für den Zustand der SPÖ.

Konsequent ist zumindest, dass jetzt Wiens Bürgermeister Michael Häupl fürs Erste den Parteivorsitz der SPÖ übernimmt. Er ist seit vielen Jahren der wahre Machthaber in der Partei und zieht im Hintergrund die Fäden. Er war es auch, der Werner Faymann zum Bundeskanzler gemacht hatte. Jetzt muss er den Scherbenhaufen aufräumen, den er selbst mit verursacht hat.

Der Bundeskanzler von Österreich, Werner Faymann, spricht am 19.11.2015 in Berlin zur Eröffnung des "Wirtschaftsgipfels 2015" der Süddeutschen Zeitung zum Thema "Europa und seine neuen Herausforderungen".

Der Bundeskanzler von Österreich, Werner Faymann, spricht am 19.11.2015 in Berlin zur Eröffnung des "Wirtschaftsgipfels 2015" der Süddeutschen Zeitung zum Thema "Europa und seine neuen Herausforderungen".