Kultur

Zwischen den Geschlechtern

Theresa Seraphin zeigt mit "Erik*a" in der Schauburg ein interessantes Spiel mit den Identitäten


Lucia Schierenbeck und Janosch Fries spielen mit geschlechtlichen Identitäten.

Lucia Schierenbeck und Janosch Fries spielen mit geschlechtlichen Identitäten.

Von Mathias Hejny

Sie sind die "ZwitscherSistas", die alles am liebsten nicht nur viel, sondern vor allem gemeinsam erleben und von Erika erdichtet werden: "Schau, als wir im Schwimmbad,/ glitzerknister, uns auf den Schultern,/ Zwischensista, durchs Becken trugen/ gegen die Boys. Da war mein Schenkelschritt/ dir im dem Hans ganz heiß". Doch zwischendurch ist sie auch eifersüchtig auf Noemi, denn es scheint, ihr Klaus liebt das andere Mädchen mehr als sie. Dabei bleibt Klaus ihr geliebter Bruder, auch, wenn er sich mal in Noemi verwandelt.

"Noemi ist keine Verkleidung, sondern sie ist ein Teil von mir", versucht Klaus zu erklären. Als "Noemi kann ich kein langweiliges Leben führen", denn sie lebt auf der Bühne und "das bleibt ja alles dort". Das Dasein bleibt schwierig, auch wenn man sich, wie Erika und Klaus, auf ein Leben zwischen den Geschlechtern verständigt hat. Das Geschwisterpaar, von dem die Münchner Dramatikerin Theresa Seraphin in ihrem neuen Stück "Erik*a" erzählt, hat historische Vorbilder.

Erika und Klaus Mann tourten während ihres Exils in den USA sogar als die "Mann-Twins", obwohl die beiden ältesten der sechs Kinder des Literaturnobelpreisträgers Thomas Mann keine Zwillinge waren - sie war Jahrgang 1905, er wurde 1906 geboren. Frühzeitig zeigten sie Widerstand nicht nur gegen den aufkommenden Nationalsozialismus, sondern auch gegen die großbürgerlichen Konventionen, in die sie in einer Bogenhausener Villa hineinerzogen worden sind.

Theresa Seraphin verpflanzt die beiden rund 100 Jahre weiter in die Zwanziger Jahre unseres Jahrhunderts. Homosexualität ist seit fast 30 Jahren nicht mehr kriminell, Gendersternchen und fluide Geschlechtlichkeit sind zumindest auf der Agenda der öffentlichen Debatte, aber Seraphin und die Schauburg sehen noch Erläuterungsbedarf. Deshalb ist "Erik*a" auch ein Pilotprojekt für künftige Verbreitung von Kinder- und Jugendtheater über den Elisabethplatz hinaus. Aus der Schauburg wird jetzt die "Netzburg" gesendet für ein Publikum im Rest der Welt.

Die Premiere fand im intimen Rahmen der Kleinen Burg, dem Kellerbühnchen der Schauburg, statt. Zu den 30 Zuschauern im Theater kamen ebenso viele Streamende "auf der anderen Seite der Screens" dazu, wobei der Plan ist, mit weiteren Produktionen über die Reichweite der während der Corona-Zeit erprobten Zoom-Konferenz hinaus zu wachsen. Regisseur Daniel Pfluger reicherte seine Inszenierung mit reportagehaften Videos über außergewöhnlich queere Persönlichkeiten an.

Da gibt es die 20-jährige Münchnerin, die als von Mangas und Animes inspirierter Drag King Tenu auftritt, die amerikanische Opernsängerin Lucia Lucas mit Bariton-Stimmlage sowie den aus Syrien stammenden und in Berlin lebenden Bauchtänzer The Darvish. Das sind Leute, die Klaus als befreit beschreibt: "Befreit von Genderkäfigen, Heteroshit, Körperkäfigen, Identitätskäfigen, Moralkäfigen". Sie wurden das, was sie sein wollten, findet Klaus im Noemi-Modus.

Diese kleine "Multimedia-Revue" mit viel Musik ist mutig, aber vor allem ein wirklich weit gedachtes Stück Theater zum Thema LGBTQ. Lucia Schierenbeck und Janosch Fries schwärmen, streiten, singen und tanzen sich mit radikaler Körperlichkeit und in den sinnlichen Kostümen von Karen Modrei durch die enge, von den dicht herangerückten Zuschauern umgrenzte Arena mit aufgeräumtem Schachbrettmuster (Bühne: Flurin Borg Madsen). Da kann der langweilige heterosexuelle Zuschauer nicht nur etwas dazulernen, sondern hat auch 80 Minuten intelligenten Spaß.

Schauburg und online, 22., 19 Uhr, 24., 20 Uhr, 27. Februar, 19 Uhr, % 23337155