Kultur

War da was mit Emanzipation?

Gabriel Baryllis "Eine Mutter…Zwei Töchter…" in der Komödie im Bayerischen Hof


Felicitas Hadzik (links), Christine Neubauer und Anne-Catrin Wahls spielen drei Frauen, die immerzu an Männer denken.

Felicitas Hadzik (links), Christine Neubauer und Anne-Catrin Wahls spielen drei Frauen, die immerzu an Männer denken.

Von Michael Stadler

Gerade noch wurde man durch idyllisches Vogelzwitschern auf der Soundspur eingelullt und genoss die Aussicht auf eine umwölkte Parklandschaft, da kommt plötzlich sie auf die Bühne gestürmt, das Kleid unschuldig weiß, die Sonnenbrille lässig auf der Nase, ein paar schicke Tüten in der Hand und mit so viel Energie im Blut, dass sie fast nicht zu stoppen ist. Aber dann hält Christine Neubauer eben doch kurz inne, weil das Publikum in der Komödie im Bayerischen Hof sie mit tosendem Applaus begrüßt.

Sein neues Stück "Eine Mutter… Zwei Töchter…" hat Gabriel Barylli selbst im Oktober 2022 am Theater an der Kö in Düsseldorf zur Uraufführung gebracht. Nun gastiert seine Inszenierung mehrere Wochen in der Komödie im Bayerischen Hof. Als Mutter Luisa darf Christine Neubauer eine handfeste, zünftige Frau spielen. Sie raucht und säuft, zunächst mal Wodka aus der Flasche. Ihre ebenfalls in Weiß gekleideten Töchter Anna und Maria erweisen sich als ebenbürtige Saufkumpaninnen. Maria, die jüngste Tochter, wird 35 Jahre alt, was das Trio traditionellerweise bei einem Picknick im Park feiert.

Dabei ist die Familie nicht komplett: Der Vater von Anna und Maria hat sich von Luisa getrennt und lebt jetzt ausgerechnet mit der Nachbarin zusammen: eine "Wasserstoffblondine", die ihn beim Grillen heiter antörnt. Die lauschende Luisa kann ihre Sätze perfekt rezitieren: "Damit es tief reingeht, muss man vorher ordentlich blasen… die Glut muss angeblasen werden, damit die Wurst schön prall wird!"

Solche Zoten leistet sich Autor Barylli immer wieder. Aber wieso sollten sich nicht auch Frauen untereinander herzlich derb über Sex unterhalten? Ein bisschen angst und bange kann es einem als männlicher Zuhörer dennoch werden, konzentrieren sich die Frauengespräche doch bevorzugt auf äußerliche Vorzüge, etwa den optimalen Penis und die Vor- und Nachteile von Kastrationen.

Ob die Schwestern den gleichen Vater haben, ist eine heikle Frage, die sie erörtern. Die Mutter hatte einst was mit einem italienischen Gebrauchtwagenhändler, ihr Gatte revanchierte sich mit zahlreichen Affären. Dass sie nun mit allen Tricks versucht, ihn zurückzugewinnen, hat eine gewisse verzweifelte Komik, lässt sie aber auch als Weibchen erscheinen, das sich von seinem untreuen Alten nicht lösen kann.

Von Emanzipation kann in Baryllis Stück keine Rede sein. Insgesamt definieren sich alle drei Frauen über ihre Beziehungen zu Männern, die Mutter etwas traditioneller, die Töchter weitschweifiger, nach dem Motto "Vielfalt ist besser als Einfalt." Unentwegt kreisen ihre Gedanken um die Männer; dass sie womöglich ein eigenes Berufsleben haben, war Barylli offenbar keine einzige Dialogzeile wert.

Nun ist die Komödie im Bayerischen Hof nicht der Ort für progressives feministisches Theater, und die Boulevardkomödie an sich dreht sich nun mal bevorzugt um Beziehungen. Einem Stück, das sich "Eine Mutter… Zwei Töchter…" nennt, hätte man aber durchaus zugetraut, dass drei Frauen sich über etwas anderes als über Männer unterhalten. In der zweiten Hälfte kommt zwar heraus, dass die Töchter einst im Wettkampf standen, welche von beiden die schönere Sandburg baut. Doch nein, nicht die Mutter, sondern der Vater war die beurteilende Instanz und hat beiden jeweils die schönste Burg attestiert.

"Wir haben eben alle noch nicht unseren Mr. Right gefunden!", seufzt Anna und hält sich zumindest drei Lover gleichzeitig. Einzig Anne-Catrin Wahls schafft es, ihrer Anna etwas Unabhängigkeit zu verleihen. Eine innere Haltung der Schauspielerin, eine Distanz - gegenüber den Männern und vielleicht ja auch gegenüber diesem Stück -, lässt sich zumindest erahnen.

Felicitas Hadzik hat es da schwerer, muss doch ihre Maria erzählen, dass sie ihren Verlobten betrog, woraufhin der ihr "eine gescheuert" habe. Was sie "irgendwie geil" fand. Daraufhin ließ sie sich von ihm überreden, dass sie sich weiterhin treffen: im Hotel Orient, mit Maria als Escort "Chantal", die sich von ihm bezahlen lässt. Sind das wirklich Frauenfantasien? In der Parklandschaft, die Johannes Fischer liebevoll eingerichtet hat - die Wolken erinnern auf den zweiten Blick an Köpfe und Gesichter -, spielt sich eine wortreiche Dramödie mit klarer Rollenhierarchisierung ab.

Christine Neubauer inszeniert Barylli bevorzugt in der Bühnenmitte, während ihre Mitspielerinnen sich zwischendurch dekorativ wie antike Grazien an den Seiten positionieren dürfen. Immerhin hat Anna die Einsicht, dass es sich nicht lohnt, sich wegen eines männlichen "Statisten" in die Haare zu kriegen.

Mutter Luisa aber, die Christine Neubauer mit voller Verve spielt, ohne dass die Regie oder sie selbst dieser Figur eine einzige stille Nuance gönnen, bleibt bis zum Ende passiv im Liebeskrampf stecken. Es ist ihr untreuer Gatte, der zuletzt mit seiner neuen Geliebten buchstäblich das Weite sucht. Da heult die Mama und die Töchter trösten sie. Immerhin: Weibliche Solidarität über Generationen hinweg scheint hier auf, aber dann müssen sie noch was von einer Fortsetzung von "Titanic" fabulieren, beim Namen "Leonardo DiCaprio" leuchten die Augen.

Aber Obacht, die Damen: Der datet bevorzugt Topmodels in ihren Zwanzigern. Als Idol für drei selbstbewusst wirkende Frauen taugt der doch, mit Verlaub, nicht.

Komödie im Bayerischen Hof, bis 30. April, 19.30 Uhr, sonntags 18 Uhr, Telefon 29161633