Kultur
Verliebt in die Streitkultur
11. Januar 2023, 16:52 Uhr aktualisiert am 12. Januar 2023, 10:19 Uhr
Sie sind seit 1995 miteinander verheiratet und schrieben unabhängug voneinander nicht nur an der deutschsprachigen Theatergeschichte mit, sondern Leslie Malton und Felix von Manteuffel stehen auch seit Jahrzehnten vor der Kamera. Er hat zudem eine lange Vergangenheit als Münchner Schauspieler. Dennoch gibt er heute ein München-Debüt: Erstmals spielt der 77-Jährige in der Komödie im Bayerischen Hof. Dort spielen Malton und Manteuffel Emily und Henry in "Ein Oscar für Emily", ein Schauspielerehepaar in Hollywood, das in inniger Hassliebe verbunden ist.
AZ: Frau Malton, Emily und Henry sind ein seltsames Paar. Können Sie von deren Streitkultur etwas lernen für Ihren privaten Hausunfrieden?
Leslie Malton: Wir haben keinen Unfrieden. Aber die Streitkultur, die Sie ansprechen, stammt bei Emily und Henry aus der Konkurrenz, die sie miteinander haben, und aus ihrer Lebenslüge. Man weiß nie, was da stimmt und was nicht stimmt. Emily macht Henry dafür verantwortlich, dass die große Karriere ausgeblieben ist, weil er Sachen angestellt hat, die die Karrieren der beiden behinderten. Ob sie wirklich eine große Karriere gehabt hätten, bleibt die Frage.
Herr von Manteuffel, der Text wirkt oft wie eine eloquente US-Sitcom und Henry glänzt mit klugen Sprüchen wie "Ich streite lieber mit Emily als eine andere zu lieben".
Felix von Manteuffel: Ein ganz toller Satz. Letztendlich lieben sie sich sehr und finden sich wieder in ihren nicht immer gelungen dargestellten Theaterstücken, in denen sie einmal mitspielten.
Zitiert werden tragische Paare wie Romeo und Julia, Hamlet und Ophelia oder George und Martha aus "Wer hat Angst vor Virginia Woolf?". Welche persönlichen Erfahrungen haben Sie selbst mit diesen Klassikern?
F. v. M.: Mit "Wer hat Angst vor Virgina Woolf?" waren wir zusammen auf Tournee und es ist eine sehr gute Aufführung geworden, behaupte ich jetzt mal. Tatsächlich hatten wir zunächst Angst davor, dass unsere Beziehung darunter leiden könnte. Aber wir stellten schon bei den Proben fest, dass die beiden sich eigentlich lieben.
L. M.: Die Krux von Emily und Henry ist natürlich eher der Verlust des Sohns als der Verlust der Karriere, in die sie so viel investierten und für die sie ihren Sohn verloren haben. Am Burgtheater habe ich auch die Ophelia gespielt, und es war sehr schön, einige Jahre später wieder einmal in die zarte Ophelia einzusteigen. Julia habe ich nie gespielt, aber ich habe mit zehn den Film von Franco Zeffirelli gesehen und bin heulend aus dem Kino, weil mich das so ergriffen hat.
In diesen Tagen und 55 Jahre danach klagen Olivia Hussey und Leonard Whiting, die damaligen Shakespeare-Liebenden, gegen die Paramount Studios, weil Zeffirelli sie gezwungen habe, sich auszuziehen.
F. v. M.: Manche hängen sich an die #Metoo-Bewegung und übertreiben es etwas, auch wenn das grundsätzlich eine gute Sache ist.
L. M.: Leider passiert so etwas immer wieder. Ich bin im Vorstand der Schauspielgewerkschaft BFFS und wir gehen sehr stark dagegen vor. Es gibt einen neuen Berufszweig, der "Intimacy Coordinator" heißt. Das ist schon vor Jahren von amerikanischen Stuntfrauen entwickelt worden, um Sexszenen oder Szenen mit sexueller Gewalt vorher mit der Regie wirklich genau zu besprechen und zu choreografieren. Damit können Missverständnisse aus dem Weg geräumt werden. Ich selbst habe erlebt, dass es der Regie unangenehm war, darüber zu reden und sagte: Das macht ihr schon.
Ihr Sohn Florian, Herr von Manteuffel, ist zur Zeit Ensemblemitglied des Residenztheaters. Von erfolgreichen Schauspielern hört man immer wieder, dass sie nicht erfreut sind, wenn die Kinder in den gleichen Beruf wollen. Wie war das bei Ihnen?
F. v. M.: Wie kann man einem Menschen das verwehren, was man selbst mit so viel Herzblut macht? Er soll lieber Ingenieur werden oder eine Banklehre machen? Was für ein Quatsch! Seine Mutter macht es, sein Vater macht es und meine Frau macht es, und die beiden haben ein sehr gutes Verhältnis. Er selbst hatte lange das Gefühl, das vielleicht nur zu machen, weil alle es machen, und sich fragte, ob das wirklich meins ist. Aber es ist seins. Ich bin sehr froh, dass er jetzt in München ist, so viel Freude hat und anderen Menschen so viel Freude macht.
Als Sie Ihre Laufbahnen begannen, war das Schauspiel in einer Umbruchphase. Unter den vielen Regiestars, mit denen Sie arbeiteten, finden sich in beiden Lebensläufen auch radikale Künstler wie George Tabori. Was ist aus diesen Jahren geblieben?
F. v. M.: Tabori ist für meine Frau wie für mich eine ganz wichtige Person in unserer Theatersozialisation. Wir vermissen ihn beide heute noch, denn eine Figur mit einer so unglaublich leichten Hand, mit der er arbeitete, gibt es kaum mehr. Mein Leib- und Magenregisseur war aber Ernst Wendt, der ganz anders war. Bei ihm ging es um eine Intellektualität, die ich sehr geschätzt habe und von der ich viel lernen konnte. Viele junge Regisseure wissen gar nicht mehr, warum sie ein Stück machen wollen, wollen um jeden Preis originell sein und haben furchtbar große Angst vor Gefühlen. Aber genau das ist die Währung, in der wir arbeiten. Man kann die Gefühle und die Psychologie natürlich weglassen, doch dann soll man auch mich weglassen. Das sind Irrwege, die aber natürlich auch zum Theater gehören.
L. M.: George Tabori zitierte immer Beckett: Scheitern, wieder scheitern, besser scheitern.
Komödie im Bayerischen Hof, Premiere heute, bis 26. Februar, 19.30 Uhr, sonntags 18 Uhr, Telefon 29161633