Dok.fest München

"Maiden": Keine Babes an Bord


Tracy Edwards (links) schaffte es mit ihrer Frauencrew gegen alle Widerstände zum härtesten Rennen der Welt.

Tracy Edwards (links) schaffte es mit ihrer Frauencrew gegen alle Widerstände zum härtesten Rennen der Welt.

Von Paul Nöllke

"Maiden" ist ein bewegender Film über die erste Frauen-Crew beim härtesten Segelrennen der Welt

Der schwere Himmel ist dunkelgrau, Sturmböen peitschen riesige Wellen über die raue See, tosender Wind übertönt fast die Worte aus dem Off: "Du bist allein, ohne Hoffnung, falls etwa passiert." Besser könnte man auf einen Katastrophenfilm nicht einstimmen.
Aber nicht in die Katastrophe führt der Film, sondern einmal um die Welt, in einer Segeljacht. Der Dokumentarfilm "Maiden" begleitet die Crew auf dem gleichnamigen Boot beim härtesten Rennen der Welt, dem Whitbread Round the World Race. Ein Männerwettkampf. Bis Tracy Edwards 1989/90 mit einer reinen Frauenmannschaft dabei sein wollte. Um jeden Preis.

Das wurde ihr extrem schwergemacht. Die Crew fand keinen Sponsor, wurde bestenfalls belächelt. Doch sie lässt sich nicht entmutigen, drei Jahre lang. Vor allem, wenn man in Rückblenden von Tracys Biografie erfährt, klingt das wie ein Märchen. Und das ist es ja auch. Tracy nimmt nicht nur teil, sie zieht das gesamte Rennen durch, gewinnt zwei Etappen und das auf einem Boot, das viel kleiner ist als die meisten anderen.

Der Film ist spannend und dynamisch

Alex Holmes zeigt das alles unaufgeregt - das Rennen ist schon aufregend genug - und schafft es dennoch, Spannung aufzubauen. Der Film erzählt chronologisch mit alten Aufnahmen den langen Weg bis zum Start und den abenteuerlichen Verlauf des Wettsegelns. Dazwischengeschnitten sind Interviews aus der Gegenwart mit den damaligen Protagonisten. Das gibt dem Film eine schöne Dynamik; gleichzeitig sind die Szenen von heute mit ruhig erzählenden Menschen ein guter Gegenpol zu den unruhigen Archivaufnahmen.

Denn da geht es oft zur Sache. Das ist kein sonniges Segeln auf dem Chiemsee. Das ist raue See, Eiswind im Südpolarmeer, ein Leck an Bord, die Konkurrenzcrew, bei der zwei Männer über Bord gehen und einer stirbt. Naturgewalten - und der Zuschauer mittendrin. Bei manchen Szenen könnte man schon vom Anschauen seekrank werden.

Und dazwischen: Der erste Sieg, die "Maiden" gewinnt die gefährlichste Strecke durch das Südpolarmeer. Und während nach der Ankunft die Männercrews von den Reportern nach Taktik, Technik und Sport gefragt werden, geht es bei den "Babes" eher um feste Freunde und Zickenkrieg, der bestimmt an Bord herrscht.#

Die Crew erzählt offen von den Problemen

Schön ist, dass auch die männlichen Journalisten und Segler von damals zu Wort kommen und zugeben: Wir dachten, dass die Mädchen die erste Etappe eh nicht schaffen. Dann: Wir dachten, der Sieg ist ein glücklicher Zufall. Erst als sie eine zweiten Etappe gewinnen, wird die weibliche Crew für voll genommen. Mehr noch: Sie wird gefeiert.

Die damalige Crew der Maiden, heute gestandene Frauen, erzählt sehr offen, von Problemen, von schönen Momenten, von Erschöpfung, von unbändigem Ehrgeiz. Manches Mal sieht man Tränen in ihren Augen. Und zum Rennen kam immer noch der Kampf darum, ernstgenommen zu werden. Bitter kommt da beim Zuschauen die Erkenntnis: Viele Reporter würden einer Frauenmannschaft heute noch dieselben Fragen stellen. Und in vielen Sportarten - und nicht nur da - haben es Frauen noch immer genauso schwer.

Da ist der Moment umso schöner, als Tracy Edwards die Auszeichnung Yachtsman of the Year bekommt, als erste Frau. Und der Zuschauer ist vermutlich genauso so ergriffen wie die Mannschaft, als die "Maiden" ein paar Meilen vor dem Ziel in Southampton, das Konkurrenzschiff uneinholbar vor ihnen, von zig Booten mit winkenden Fans in den Hafen eskortiert wird. Es ist egal, dass sie nicht gewinnen. Sie sind die Crew der Herzen. Im Film heißt es: "Wenn alle immer geglaubt hätten, wenn man ihnen sagte, das schaffst Du nicht - wo wäre die Menschheit heute?" Eben!

Bis zum 24. Mai zeigt das Dok.fest 121 Filme, die man nur online sehen kann. Das kostet pro Film 4,50 Euro - oder 5,50 Euro, wenn man den Solidaritätsaufschlag für die Partnerkinos City/Atelier, Rio und Maxim zahlt. Der Festivalpass für alle Filme kostet 50 Euro. Die meisten Filme sind die ganze Zeit verfügbar, einige unterliegen Beschränkungen.
Alle Infos unter dokfest-muenchen.de