Bayerische Staatsoper

Jonas Kaufmann singt Schumann im leeren Nationaltheater


Jonas Kaufmann und der Pianist Helmut Deutsch bei der Aufführung von Schumanns "Dichterliebe" im leeren Nationaltheater.

Jonas Kaufmann und der Pianist Helmut Deutsch bei der Aufführung von Schumanns "Dichterliebe" im leeren Nationaltheater.

Von Robert Braunmüller / TV/Medien

Die Staatsoper nimmt ihre Montagskonzerte im Internet wieder auf und Jonas Kaufmann singt im leeren Nationaltheater.

Am Schluss geht dem Sänger das Herz über. Die letzten Töne der "Dichterliebe" von Robert Schumann sind verklungen, die Kamera ist eigentlich schon ausgeschaltet und wird geistesgegenwärtig wieder angeknipst, als sich Jonas Kaufmann an "alle da draußen" wendet. Er wünscht alles Gute und seufzt aus tiefer Seele: "Ohne Publikum ist es einfach nicht dasselbe."

Diese spontane Reaktion des Münchners am Ende des Montagskonzerts aus der menschenleeren Bayerischen Staatsoper ist sympathisch und anrührend. Und aufschlussreich. Sie legt nahe, dass auch in Corona-Zeiten das Streamen ohne Publikum im Internet nur eine Notlösung ist, selbst, wenn die Übertragung live stattfindet und somit eine höhere Gegenwärtigkeit hat als eine Aufzeichnung.

Man kann Kaufmann daher auch schwer dafür kritisieren, dass er nicht sofort in den Liederzyklus hineinfindet: weil er kein Gegenüber hat, das auf ihn mit gespannter Aufmerksamkeit reagiert. Auch ist das Mikrophon offenbar zu nah an der Stimme dran, man hört, wie das Organ anfangs etwas schwergängig anspricht, latent steif und trocken im Ansatz. Die Höhe wird nicht ohne Anstrengung erreicht, in der Tiefe vermisst man jene wohlig baritonale Samtigkeit, die man sonst von Kaufmann gewohnt ist.

Ein denkender Sänger

Was sich dafür aber direkt mitteilt, ist, wie der Tenor beim Singen mitdenkt. Der Text ist nicht nur restlos verständlich, sondern auch sein Sinn wird bis in die kleinsten Nuancen hinein transportiert. Am besten ist Kaufmann immer, wenn er nicht nur mit halber Stimme, sondern mit Kraft singt, sein Material schmettern lässt, auch einmal eine Szene gestisch gestaltet wie die Miniatur-Ballade "Ein Jüngling liebt ein Mädchen". Dann reißt er auch den ansonsten leicht passiv begleitenden Helmut Deutsch mit und motiviert ihn dazu, ein wenig von dem unterdrückten Pathos zu verwirklichen, das einige dieser Lieder, etwa "Ich grolle nicht", brauchen.

Schön, dass das Kunstministerium nach vierwöchiger Unterbrechung die Konzerte aus der verlassenen Staatsoper wieder erlaubt hat. Das Programm dieser vierten Übertragung ist weniger heterogen als das der vorangehenden. Es entfallen die Ballettszenen, dafür ist der Abend dem Gedenken an den letzte Woche verstorbenen ehemaligen Intendanten Sir Peter Jonas gewidmet.

Da in den Zeiten des Kontaktverbots eine gebührende Trauerfeier erst einmal nicht möglich ist, erinnert stattdessen die Arie "Piangerò la sorte mia" aus "Giulio Cesare" an die von Sir Peter eingeläutete Renaissance der Opern und Oratorien von Georg Friedrich Händel in München. Die Sopranistin Elsa Benoit singt das Stück mit schwebendem Vibrato; geschickt, wie sie die Wiederholung des ersten Teils nicht durch klischeehafte Verzierungen belebt, sondern durch gesteigerte Intensität.

Eine gute Alternative

Auch das Bayerische Staatsorchester meldet sich zurück, wenngleich in kammermusikalischer Besetzung. Drei Streicher und der Pianist Donald Sulzen spielen das Klavierquartett Es-Dur KV 493 von Wolfgang Amadeus Mozart entspannt und klangsatt, vielleicht bloß ein wenig zu sehr auf den Primgeiger konzentriert: Mitunter könnten auch von den tieferen Instrumenten mehr Akzente gesetzt werden und vom Klavier, das dem Streichtrio ja oft mit eigenen Meinungen entgegentritt, mehr Initiativen ausgehen.

Die weite Bühne der gähnend leeren Staatsoper ist wohl auch akustisch nicht leicht zu bewältigen. Im Ganzen jedoch macht es Eindruck, wie solistisch die Musiker agieren, die ansonsten im Tutti wirken. So lange das ganze Orchester nicht wieder im engen Graben zusammensitzen kann, sind solche kleineren Formationen eine gute Alternative. Das gemeinsame Musikhören können solche Internet-Konzerte nicht ersetzen - sie erinnern uns aber daran, was wir Hörer derzeit so schmerzlich vermissen müssen.

Den Mitschnitt des letzten Abends und den Livestream des nächsten Konzerts am 4. Mai um 20.15 Uhr auf www.staatsoper-tv.de ansehen. Außerdem ruft die Bayerische Staatsoper zu Spenden auf, um freie Künstler in der Krise zu unterstützen. Die Bankverbindung findet man auf www.staatsoper.de/news/spendenaufruf-corona.html