Kultur

Fantastisches Flügelspiel

Das deutsch-schweizerische Duo Grandbrothers erwärmt die Muffathalle


Die Grandbrothers Erol Sarp (l.) und Lukas Vogel.

Die Grandbrothers Erol Sarp (l.) und Lukas Vogel.

Von Michael Stadler

Er sei heute Abend seltsam aufgeregt, meint Erol Sarp auf der Bühne der Muffathalle. Ob das daran liege, dass er und sein Schweizer Bandkollege Lukas Vogel gerade ihr erstes Konzert des Jahres geben, überlegt er, kommt aber später auf eine andere Erklärung. Wegen Krankheitsfällen in der Familie konnten beide nicht mehr proben. Was sich aber dann beim Spielen nicht bemerkbar macht. "Erstaunlich", findet Sarp das. "Erstaunlich, wie von sich aus die Muskeln erinnern können."

Der ehemalige Jazz-Pianist Sarp und der emsige Soundtüftler Vogel, die sich 2007 beim Musik-Studium in Düsseldorf kennenlernten, gründeten 2011 das Duo Grandbrothers und haben es mit ihrer Mixtur aus Klaviermusik und Elektronik nicht nur in immer größer werdende Konzertsäle geschafft - in München spielten sie zuletzt im Ampere, nun in der Muffathalle -, sondern auch auf die Kinoleinwand. Unter anderem für die französische Komödie "Alles außer gewöhnlich" von Éric Toledano und Olivier Nakache mit Vincent Cassel als engagiertem Sozialarbeiter haben sie die Filmmusik komponiert.

Der Track "Bloodflow", der den Film schon einprägsam dynamisierte, gehört auch zu den Höhepunkten des Konzerts und hat eine feingewobene Struktur, die exemplarisch für die Songs von Grandbrothers ist: Auf vereinzelte, elektronisch-klirrende Töne folgt eine wandernde Pianolinie, auf die dann weitere elektronische Schichten und ein treibender Beat folgen, bis wirklich alles in einem (Blut-)Fluss ist.

Das Erstaunliche dabei ist nicht nur, wie schlafwandlerisch Sarp und Vogel aufeinander eingespielt sind - auch bei Vogel scheinen alle Muskeln sich perfekt erinnern zu können, obwohl er vor dem Konzert im Hofbräuhaus Käsespätzle gegessen hat -, sondern dass jeder Sound mit dem Konzertflügel erzeugt wird. Wie Vogel das genau mit seiner selbst gebastelten Apparatur macht, mit deren Hilfe er die Saiten vom Laptop aus ansteuern und das Klaviergehäuse selbst für die Erzeugung wummernder Beats nutzen kann, wie er dazu noch vorab eingespielte Samples hinzufügt und das Ganze zusammengewebt wird - das wollen sie an diesem Abend nicht noch einmal detailliert erklären.

Aber es soll ja beim Konzert auch nicht der analytische Verstand, sondern, kitschig ausgedrückt, das Herz angesprochen werden. Das Blut, es pumpt. Die von der Minimal Music, von John Cage (und seinem präparierten Klavier) und vielen anderen Vorgängern inspirierten Instrumentaltracks eignen sich trotz aller Melancholie oftmals zum Tanzen, ja, zwischendurch hat der Abend die Anmutung eines Raves, bei dem man so eingelullt wird, dass man gar nicht auf den Gedanken kommt, dass das Schichtwerk des Duos sich in seinem Aufbau und in seinen Harmonien recht berechenbar wiederholt.

Der Reiz liegt aber vielleicht auch gerade in der Eingängigkeit des selten dunklen, meist verträumten und oft melodisch-verspielten Elektro-Pops, der auch zur Clubmusik taugt. Disharmonische Überraschungen hat man ja im Alltag genug, der Blues soll sich woanders einstellen, selbst wenn Grandbrothers bevorzugt ins Moll abtauchen. Ein neues Album soll im April erscheinen, aufgenommen haben sie es im Kölner Dom. Man kann sich gut vorstellen, wie der eh schon stark verhallte Sound von Grandbrothers den sakralen Raum erfüllt hat. In der Muffathalle spielten sie nur einen Song aus dem neuen Album, ein Gefühl von Transzendenz stellte sich aber auch schon mit den alten Stücken ein.