Kultur

Die Zeit, die nie vergeht

Peter Kraus gastiert auf seiner Abschiedstournee in der Isarphilharmonie


Sagt zum Abschied laut Servus: Peter Kraus auf seiner sechsten und letzten Abschiedstournee in der Isarphilharmonie.

Sagt zum Abschied laut Servus: Peter Kraus auf seiner sechsten und letzten Abschiedstournee in der Isarphilharmonie.

Von Moses Wolff

Die Abendzeitung schwärmte 1957 über Peter Kraus: "Er kam, sang und siegte". Nun ist er auf Abschiedstournee, wie die Rolling Stones und die Scorpions es schon mehrfach taten. Im Fall von Peter Kraus wäre das unsinnig, da es diese Entertainmentqualität kaum noch gibt und es arg schade wäre, würde er aufhören. Klar macht er sich liebenswürdig lustig über sein Alter, indem er sagt: "Früher hab ich mir nach der Show einen Whisky reingedonnert. Das mach ich nicht mehr. Heutzutage gibts Branntwein. Franzbranntwein. Zum Einreiben." Und als er mal kurz nicht weiß, welches Lied als nächstes dran ist: "Ich hab einen Spickzettel, aber der nützt nix. Weil ich häng. In meinem Alter darf man hängen."

Es tut gut, zu wissen, dass es die Stars, die das Showbusiness und die Liveunterhaltung beherrschen wie eine Eiskunstläuferin die Pirouette, noch immer gibt. Trotz seiner bald 84 Jahre ist er beweglich und agil wie ein Neunzehnjähriger, singt, flaniert und tanzt über die Bühne, zeigt seine berühmten strahlend weißen, großen Zähne und sein unverändert charmantes Lächeln. Peter Kraus hat rein gar nichts verlernt, er liebt sein Publikum und das Publikum ihn, die Zeitreise durch sein Leben und sein Werk ist von A bis Z durchinszeniert und wirkt dennoch wie gerade mal so eben aus dem Ärmel geschüttelt. Das ist großes Entertainment, wie es einst Fred Astaire, Frank Sinatra, Liza Minelli und Harald Juhnke verkörperten.

Er wurde ein halbes Jahr vor Beginn des Zweiten Weltkriegs in München geboren, sein Vater Fred war Kabarettist und Regisseur, leitete ein kleines Theater in Salzburg und brachte seinen Sohn bald zur Musik. Damit wurde der Vater früh zu Peters ersten Idol. Sein Markenzeichen war neben seinem rollenden "r" der stetige Hang zum Unbeschwerten, gepaart mit lässigem Selbstbewusstsein, großem musikalischem Geschick und anregendem Ideenreichtum.

Angefangen hat alles in den 1950er Jahren. Erstmal glänzte Klein-Peter mit vierzehn in Erich Kästners fliegendem Klassenzimmer als Schauspieler. Seinerzeit hatte der blutjunge Bursche noch rosa Bäckchen und den Ehrgeiz, den von ihm geliebten Rock'n'Roll mit deutschen Texten zu performen. Das gelang erstaunlich gut, rasch war er eine Berühmtheit, sein Konterfei schmückte häufig den Titel der Jugendzeitschrift "Bravo", alles sprach vom "deutschen Elvis", es gab sogar einen "Starschnitt". Doch seine frühen musikalischen Wurzeln lagen, wie er in der Isarphilharmonie im Plauderton verrät, bei Vorbildern wie Marlene Dietrich, Nina Simon und Nat King Cole. Einmal flog er mit seinem Agenten zu einem sündteuren Gala-Dinner von Sammy Davis Junior und war enttäuscht, weil die versnobten Besucher sich rein gar nicht für die Show des großen Ratpack-Urgesteins zu interessieren schienen. So ging der enttäuschte Peter in eine dunkle Bar um die Ecke, da tauchten plötzlich einige gutgekleidete Herren auf und setzten sich an den gleichen Tisch. Einer war Sammy Davis Junior, der allerdings zu stoned für eine Unterhaltung war. Daher verbrachte Peter Kraus sein einziges "Date" neben seinem schlafenden Helden Sammy Davis.

Am heutigen Abend zeigt er alles. Seine vielseitige Band besteht aus fünf hochkarätigen Musikern und einer stimmgewaltigen Sängerin, die die Show zu einem wohltuenden, erquicklichen Erlebnis machen und die Lebensfreude, die Peter Kraus vermittelt, mit großer Perfektion anreichern. Klar darf ein gewaltiger Merchandise-Stand im Eingangsbereich nicht fehlen, da gibt es Sondereditionen von Langspielplatten, Werbeflyer für Mittelmeerkreuzfahrten, auf denen parallel zum Oktoberfest Peter Kraus neben den Firebirds auftreten wird. Außerdem freilich Poster, ein umfangreiches Programmheft und seine aktuelle CD "Idole", für die er Gaststars wie Helge Schneider, Götz Alsmann, Till Brönner und Annett Louisan gewinnen konnte.

Einige Songs aus diesem neuen Album dürfen freilich auch live nicht fehlen. Launig textet er im restlos ausverkauften Saal seine Hits um, so wird aus der Bongo-Bar seiner ersten Single "Tutti Frutti" ein Handyladen, sein Hit "Sugar Baby" wird um eine selbstironische Zeile erweitert: "Sugar sugar daddy, gell das kaufst du mir…dann bleib ich bei dir." Ein kleiner augenzwinkernder Hinweis auf seine Frau Ingrid, die größte Liebe seines Lebens, der er auch einen eigenen Song widmet: "Ich liebe dich allein".

Vor der Hochzeit mit Ingrid 1969 ließ es Peter allerdings ziemlich krachen, "das Wort prüde wurde erst später erfunden". Peter Kraus war, wie er schmunzelnd bemerkt, "dick drin bei den Mädels", was immer noch stimmt, seine lausbubenhafte Eleganz sorgt nach wie vor dafür, dass sich die Damenwelt zu ihm und seinen, wie er es scherzhaft nennt "Einlull-Liedern", hingezogen fühlt. Anfangs tanzen nur einige Rocknroll-Tanzschülerinnen durch die Gänge des Saals, aber irgendwann steht und tobt die gesamte Isarphilharmonie.

Zum Abschluss des Abends gibt es noch einen sehr emotionalen, wunderschönen Überraschungsmoment: Seine frühe Film- und Bühnenpartnerin Conny Froboess sitzt als begeisterte Zuschauerin im Saal und kommt zur romantisch-formvollendeten finalen Zugabe "Schwarze Rose, Rosemarie" auf die Bühne, um ihren Peter herzzerreißend zu umarmen und abzubusseln.

So geht ein unschlagbar großartiger Abend zu Ende mit dem Zusammentreffen zweier einstiger Teenager-Idole, die vor mehr als sechzig Jahren im Kinofilm "Conny und Peter machen Musik" sangen: "Findest du nicht auch, dass zwei, die sich wie wir verstehn, sich immer immer wieder wieder sehn!" Das Publikum geht zufrieden lächelnd nach Hause. Und wieder steht in der Abendzeitung "Er kam, sang und siegte."