Folgen des Epstein-Skandals
Der König greift durch: Prinz Andrew verliert seine Titel

Aaron Chown/PA Wire/dpa
Der in Verruf geratene Prinz muss künftig ohne seinen Titel auskommen. (Archivbild)
Mit der öffentlichen Degradierung von Prinz Andrew versucht die britische Monarchie einen Schlussstrich unter einen der größten Skandale ihrer modernen Geschichte zu ziehen. König Charles III. habe ein formelles Verfahren eingeleitet, um seinem Bruder alle verbliebenen Titel und Ehren zu entziehen, teilte der Buckingham-Palast am Mittwochabend mit.
Der 65-Jährige soll fortan nur noch als Andrew Mountbatten Windsor firmieren und das luxuriöse Anwesen Royal Lodge räumen. Es ist ein tiefer Fall für den Royal, der einst als Lieblingssohn der Queen galt und wegen seiner Verwicklung in den Missbrauchsskandal um Sexualstraftäter Jeffrey Epstein in Verruf geriet.
Ein Blick in britische Medien zeigt, dass die Causa Andrew historische Dimensionen angenommen hat. „Dies ist die schärfste mir bekannte Maßnahme gegen ein Mitglied der königlichen Familie“, sagte etwa die frühere BBC-Korrespondentin Jennie Bond dem Sender Sky. In der Boulevardpresse ist von einer „öffentlichen Demütigung“ die Rede, von einer „Sensation“ für die Geschichtsbücher - und bei Sky von einer „ultimativen Sanktion“ des Palasts.
Auch wenn der Entzug des Prinzen-Titels überraschend kommt: Medien wie die BBC und die Nachrichtenagentur PA berichteten, dass Andrew keine Einwände gegen die Entscheidung des Königs gehabt haben soll. Zu offenkundig schien wohl die Gefahr, dass der Epstein-Skandal die Königsfamilie gar nicht mehr loslässt - zu groß war der öffentliche Druck, nachdem die kürzlich veröffentlichten Memoiren von Epstein-Opfer Virginia Giuffre weitere schockierende Details zum Missbrauch Dutzender Frauen und Mädchen ans Tageslicht gebracht hatten.
Dreimal sei sie zum Sex mit Andrew genötigt worden, schrieb die US-Amerikanerin - als 17-Jährige in London, ein weiteres Mal in Epsteins Anwesen in New York und dann nochmals auf dessen privater Karibikinsel bei einer Gruppensex-Orgie mit dem schwerreichen Finanzier und acht weiteren Mädchen, die kaum oder kein Englisch sprachen. Obwohl Andrew die Vorwürfe bis heute strikt zurückweist, ließ er sich 2022 bei einer Zivilklage Giuffres auf einen wohl millionenschweren Vergleich ein. Im April dieses Jahres nahm die 41-Jährige sich schließlich das Leben.
Dass Andrew kurz vor dem Verkaufsstart des Skandalbuchs seinen Titel als Herzog von York niederlegte und auf weitere Titel und Ehrungen verzichtete, half ihm am Ende nicht. Zu tief war er in den Sog der Schlagzeilen um den Missbrauchsring des Multimillionärs Epstein geraten, zu dem er vor dessen Festnahme und Suizid im Gefängnis eine enge Freundschaft pflegte.
Dass Andrew bald seine Umzugskartons packen und aus dem piekfeinen Staatsdomizil Royal Lodge nahe Schloss Windsor ausziehen muss, zeichnete sich in den letzten Tagen bereits ab. Nicht wenige Briten fragten sich, wie er sein Leben in der Edelimmobilie mit 30 Zimmern finanziert, die er mit Ex-Frau Sarah „Fergie“ Ferguson bewohnt. Die „Times“ meint die Antwort zu kennen - und berichtete kürzlich unter Berufung auf den Pachtvertrag, dass Andrew dort praktisch keine Miete zahlt, sondern nur den symbolischen Betrag eines „Pfefferkorns“. Die öffentliche Entrüstung darüber gab es gratis dazu.
Auch dieser Pachtvertrag ist nun Geschichte, Andrew werde in eine andere Privatunterkunft ziehen, heißt es in der Stellungnahme des Palasts. Medienberichten zufolge wird er künftig in einem Haus auf dem privaten Landsitz Sandringham in der englischen Grafschaft Norfolk wohnen. Die Kosten dafür trägt demnach der König. Umziehen soll Andrew wohl so bald wie möglich.
Zwar wird in der Erklärung des Palasts der Form halber erwähnt, dass Andrew „die gegen ihn erhobenen Vorwürfe weiterhin bestreitet“. Allerdings lassen sich die Schlussworte auch so lesen, dass es dem Adelsspross aus Sicht der königlichen Familie vielleicht an Schuldbewusstsein mangelte. Zumindest ist bekannt, dass das Ende einer Botschaft meist am stärksten nachhallt. So bleibt der Satz: „Ihre Majestäten möchten klarstellen, dass ihre Gedanken und ihr tiefstes Mitgefühl den Opfern und Überlebenden jeglicher Form von Missbrauch gelten und auch weiterhin gelten werden.“
Ob die Öffentlichkeit sich damit zufriedengeben wird? Zumindest darf bezweifelt werden, dass die Kritik an Andrew und seinen verbliebenen Privilegien abrupt verstummt. So stammt das private Vermögen des Königs, mit dem Andrews künftige Wohnsituation geregelt wird, letztlich aus Quellen, die ihm der Staat zur Verfügung stellt. Berichten zufolge wird Charles (76) zudem weiter eine angemessene private Versorgung für seinen jüngeren Bruder sicherstellen.
Der Autor und Royal-Schreck Andrew Lownie rechnet fest mit weiteren Turbulenzen. Der Palast ergreife zwar endlich „entschiedene Maßnahmen“, werde aber „die Unruhe in der Öffentlichkeit nicht vollständig besänftigen“ können, sagte Lownie der BBC. Für Andrew sei das Ganze ohne Frage eine „große Demütigung“, sagte der Autor, der erst kürzlich ein Buch mit dem Titel „Entitled - The Rise and Fall of the House of York“ (etwa: Privilegiert - Der Aufstieg und Fall des Hauses York) veröffentlicht hatte.
Die letzten Reste des königlichen Lebens sind für Andrew dahin - aber was wird aus seiner Familie? Als er seinen Titel als Herzog von York aufgab, verlor auch Ex-Frau „Fergie“ ihren Titel als Herzogin. Sie trägt seither nur noch ihren Mädchennamen - und muss nun ebenfalls ausziehen.
Hinsichtlich ihrer Wohnsituation wird die 66-Jährige nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur ihre eigenen Vorkehrungen treffen, während die beiden Töchter Beatrice (37) und Eugenie (35) weiterhin als Prinzessinnen firmieren. Britische Medien sind sich sicher: Der Status der beiden Queen-Enkelinnen dürfte bei den Verhandlungen um seine Zukunft ein wichtiger Punkt für Andrew gewesen sein, denn so behält er zumindest noch die Zehenspitze im Königshaus.
Die Thronfolge bleibt von der Entscheidung des Königs indes unberührt: Andrew bleibt weiter die Nummer acht.
Virginia Giuffres Familie wertete den für Andrew schmerzhaften Verlust all seiner Titel und Rechte als nachträglichen Sieg der Verstorbenen. Giuffre habe „mit ihrer Wahrheit und ihrem außergewöhnlichen Mut einen britischen Prinzen zu Fall gebracht“, teilten die Hinterbliebenen der BBC zufolge in einer Erklärung mit. Dennoch werde die Familie ihren Kampf fortsetzen - und nicht ruhen, bis alle zur Rechenschaft gezogen worden seien, „die mit Jeffrey Epstein und (seiner Komplizin) Ghislaine Maxwell in Verbindung stehen“.
 
  









