Verdächtige festgenommen

Anschlagsziel Weihnachtsmarkt? Terrorermittlungen in Niederbayern

In Niederbayern wurden fünf Männer festgenommen, weil sie einen Anschlag auf einen Weihnachtsmarkt im Raum Dingolfing geplant haben sollen. Die Tat sollte offenbar mit einem Fahrzeug verübt werden.

Die Ermittler gehen von einem islamistischen Tatmotiv aus.

Die Ermittler gehen von einem islamistischen Tatmotiv aus.

Von dpa, und Redaktion Landau

Nach der Festnahme von fünf Terrorverdächtigen wegen eines mutmaßlich geplanten Anschlags auf einen Weihnachtsmarkt im Raum Dingolfing sind weiterhin zahlreiche Fragen zu klären. Welchen Weihnachtsmarkt sie im Visier gehabt haben sollen, wie konkret die Anschlagspläne waren und wo die Männer festgenommen wurden, gab die ermittelnde Generalstaatsanwaltschaft München zunächst nicht bekannt. Mitgeteilt wurde nur, dass ein islamistisches Motiv angenommen werde, die Verdächtigen es anscheinend auf einen Weihnachtsmarkt im Raum Dingolfing abgesehen hatten und die Tat wohl mit einem Fahrzeug verüben werden sollte.

Die fünf Männer waren bereits am Freitag von Spezialeinsatzkräften festgenommen worden. Die Sicherheitsbehörden waren nach eigenen Angaben zwei Tage vorher auf sie aufmerksam geworden. Wie sie ihnen auf die Schliche kamen, ist nicht bekannt.

Mutmaßliches Anschlagsziel war ein Weihnachtsmarkt im Raum Dingolfing. (Archivbild)

Mutmaßliches Anschlagsziel war ein Weihnachtsmarkt im Raum Dingolfing. (Archivbild)

Am Samstag ergingen Haftbefehle gegen vier der Männer. Einer wurde in Präventivgewahrsam genommen, wie die Generalstaatsanwaltschaft München bestätigte.

„Möglichst viele Menschen töten oder verletzen“

Bei den Männern handelt es sich den Ermittlern zufolge um einen 56-jährigen Ägypter, einen 37-jährigen Syrer und drei Marokkaner im Alter von 22, 28 und 30 Jahren. Der Ägypter, ein islamischer Prediger, soll nach derzeitigem Erkenntnisstand in einer Moschee im Raum Dingolfing-Landau zu einem Anschlag aufgerufen haben, „um möglichst viele Menschen zu töten oder zu verletzen“, wie die Generalstaatsanwaltschaft erklärte.

Die drei Marokkaner sollen demnach bereit gewesen sein, den Anschlag auszuführen. Ihnen wird vorgeworfen, sich zum Mord bereiterklärt zu haben. Der Syrer soll die Männer in ihrem Entschluss bestärkt haben. Ein Bezug zur Terrormiliz Islamischer Staat (IS) wird dem Vernehmen nach nicht angenommen.

Die Zentralstelle der Generalstaatsanwaltschaft zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus leitete den Einsatz, an dem auch das Landesamt für Verfassungsschutz beteiligt war. Ein ausländischer Nachrichtendienst sei nicht involviert gewesen, hieß es. 

Landrat Bumeder reagiert geschockt

Werner Bumeder (CSU), Landrat von Dingolfing-Landau, sagte auf Anfrage unserer Mediengruppe: „Ich bin schockiert und erschüttert. Gleichzeitig bin ich froh und dankbar, dass Spezialkräfte und Ermittler Schlimmeres verhindern konnten und die mutmaßlichen Täter rechtzeitig festgenommen wurden. Die Hintergründe müssen jetzt aufgeklärt und Konsequenzen daraus gezogen werden.“ Bumeder weiter: „Ich gehe selbst gerne auf Christkindlmärkte. Angst oder Sorgen hatte ich nie. Hoffentlich können wir die schönen Weihnachtsmärkte weiter gemeinsam genießen. Jedenfalls finden die laufenden und geplanten Christkindlmärkte statt, von behördlicher Seite gibt es diesbezüglich keine Änderungen oder zusätzliche Auflagen. Sicherheitskonzepte lagen für alle Märkte bereits vor, diese haben weiterhin Bestand.“

Generalstaatsanwaltschaft: Anschlagspläne waren in frühem Stadium

Auf Anfrage erklärte die Generalstaatsanwaltschaft am Sonntagmittag, dass nach den derzeit vorliegenden Erkenntnissen für die Bevölkerung keine unmittelbar bevorstehende Gefahr bestanden hat. Der dringende Tatverdacht begründe sich insbesondere darauf, dass die Beschuldigten zwar einen Anschlag im Bereich von Dingolfing durchführen wollten, es aber noch kein konkretes Anschlagsziel und Zeitpunkt gab. Der Zugriff der Generalstaatsanwaltschaft München sei nach den bisher vorliegenden Erkenntnissen damit zu einem Zeitpunkt erfolgt, in dem sich die Anschlagspläne noch in einem frühen Anfangsstadium befunden hätten. Mit Blick auf die laufenden Ermittlungen werde die Generalstaatsanwaltschaft am Sonntag keine weiteren Auskünfte erteilen können.

Sicherheit auf Weihnachtsmärkten wird nicht verschärft

Die Polizei sieht nach den Festnahmen im Zusammenhang mit Anschlagsplänen in Niederbayern keine Notwendigkeit, die Sicherheitsmaßnahmen an Weihnachtsmärkten zu verschärfen. Entsprechend äußerten sich die Polizeipräsidien Niederbayern, München und Mittelfranken auf dpa-Anfrage.

Die Sicherheit sei schon jetzt hoch, hieß es, an der Lage habe sich durch die aktuellen Ereignisse nichts geändert. Zumal der mutmaßliche Plan der Männer - ein Angriff mit einem Fahrzeug - in den Sicherheitskonzepten bereits bedacht sei. Aus München hieß es dazu, man habe mit Pollern und anderen Maßnahmen darauf reagiert. Auch aus Nürnberg, wo der bekannte Christkindlesmarkt stattfindet, hieß es, die Absicherung gegen Fahrzeuge sei nach dem Anschlag von Magdeburg in den Fokus genommen worden. Die Sicherung im laufenden Betrieb sei auf dem neuesten Stand.  Als weiteres Argument führt unter anderem das Polizeipräsidium Niederbayern an, dass die Verdächtigen ja festgenommen worden seien und von ihnen daher keine Bedrohung ausgehe. Ein Sprecher aus Nürnberg betonte: Dies zeige, dass die Sicherheitsbehörden sehr fokussiert seien. 

Das Polizeipräsidium Niederbayern erklärte Sonntagmittag in einer Pressemitteilung ergänzend, dass man unabhängig davon weiterhin sichtbar vor Ort sein werde, auch um das subjektive Sicherheitsgefühl der Besucher zu stärken. Absagen von Veranstaltungen seien derzeit nicht bekannt.

Was bislang unklar ist

Unklar ist, welcher Weihnachtsmarkt genau das Ziel gewesen sein soll. In Dingolfing gab es einen Nikolausmarkt, der laut Internetseite der Stadt bereits am 7. Dezember zu Ende gegangen war. Auch im nahen Landau schloss ein Weihnachtsmarkt am 7. Dezember. Wann der Anschlag hätte stattfinden sollen und wie weit die angeblichen Pläne gediehen waren, war zunächst ebenfalls offen. Wo die Verdächtigen gefasst wurden, ist bislang nicht bekannt. Einem Medienbericht zufolge sei der Zugriff „im Bereich des Grenzübergangs Suben“ erfolgt, also im Grenzgebiet zu Österreich. Woher der Hinweis auf die Männer kam, wurde nicht öffentlich gemacht. Zu den genauen Hintergründen wird ermittelt. Es gelte die Unschuldsvermutung, betonte die Generalstaatsanwaltschaft.

„Pläne für einen Anschlag an einem bestimmten Tag oder an einem bestimmten Weihnachtsmarkt gibt es nach derzeitigem Ermittlungsstand nicht“, sagt auch der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU). „Durch die Festnahmeaktion in Niederbayern konnte eine konkrete Gefahr nach derzeitigem Stand bereits in einem sehr frühen Stadium unterbunden werden.“

Der aktuelle Vorfall zeige, „dass die anhaltend hohe abstrakte Gefährdungseinschätzung unserer Sicherheitsbehörden vollkommen richtig ist“, sagt der Minister. Zu Recht stünden Weihnachts- und Christkindlmärkte, auch wegen der Vorfälle der vergangenen Jahre, „stärker im Fokus unserer Sicherheitsbehörden“.

Allerdings gebe es „Stand heute“ keine Hinweise auf eine konkrete Gefährdung von Weihnachtsmärkten in Bayern. „Die Polizei und die Sicherheitsbehörden beobachten und beurteilen die Lage weiterhin aufmerksam.“ Es gebe daher „keinen Anlass, auf die Durchführung oder den Besuch von Weihnachtsmärkten zu verzichten.“

Herrmann lobt Reaktionsfähigkeit der Sicherheitsbehörden

„Dank der hervorragenden Zusammenarbeit unserer Sicherheitsbehörden konnten in kürzester Zeit mehrere Tatverdächtige festgenommen und damit ein potenzieller islamistisch motivierter Anschlag in Bayern verhindert werden“, sagte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU). Dies belege „eindrucksvoll die gute Reaktions- und Leistungsfähigkeit unserer Sicherheitsbehörden und zeigt: Wir sind in der Lage, unsere Bürgerinnen und Bürger zu schützen!“ Nun müssten die Hintergründe gemeinsam mit der Generalstaatsanwaltschaft München aufgeklärt werden.

Weihnachtsmärkten gilt seit längerem besondere Aufmerksamkeit der Sicherheitsbehörden - auch wegen früherer Anschläge. So steuerte ein radikalisierter Islamist am 19. Dezember 2016 einen Lastwagen in die Menschenmenge auf dem Berliner Breitscheidplatz und tötete damit 13 Menschen, wobei einer erst Jahre später den Folgen starb.

Im vergangenen Jahr raste ein Autofahrer absichtlich über den Magdeburger Weihnachtsmarkt, tötete damit sechs Menschen und verletzte mehr als 300 weitere. Derzeit läuft am Landgericht Magdeburg der Prozess gegen den geständigen Täter aus Saudi-Arabien, der seit 2006 in Deutschland lebte.

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