"Ad Astra": Brad Pitt im Weltall

Auf melancholischer Männermission


In einer Art Dauerkontrolle seiner Zuverlässigkeit und Belastbarkeit muss sich Roy McBride (Brad Pitt) immer wieder Psychotests stellen.

In einer Art Dauerkontrolle seiner Zuverlässigkeit und Belastbarkeit muss sich Roy McBride (Brad Pitt) immer wieder Psychotests stellen.

Von Adrian Prechtel / TV/Medien

"Ad Astra" ist ein Sci-Fi mit Brad Pitt, der Klassiker zitiert und Abenteuer zeigt. Aber mit melancholischer Einsamkeit und großen Fragen reicht er weit über Genreklischees hinaus

In den ersten Minuten - der Vorspann läuft noch - hört man ins Sphärische getauchte Maschinengeräusche. Vor der unendlichen, dunklen Tiefe erscheinen psychodelische Farbspiele, und dann taucht sie auf die "Blaue Murmel": unsere Erde, so wie wir sie als verletzlich einsamen Edelstein in der Schwärze des Alls kennen. Und schon sind wir im Anspielungsgeflecht des nachdenklichen Films von James Gray, noch ehe Brad Pitt als Astronaut Roy McBride auftaucht. "Ad Astra" spielt auf unsere Erinnerungen an die späten 60er an: mit Stanley Kubricks "2001 - Odyssee im Weltraum" und der ersten Mondlandung. Und später, wenn in einem der wenigen Actionmomente- McBride ein havariertes Forschungsraumschiff betritt, trifft er auf eine Horrorschocksituation: auf Menschenaffen, die sich Tierversuchen durch einen blutigen Aufstand gegen die Menschenbesatzung entzogen haben - wie im TV- und Film-Kosmos von "Planet der Affen".

Ökologie, Weltraumprogramme, der Umgang mit Tieren und Genreklassiker

Mit all diesen elegant aufblitzenden Themen schafft James Gray Nähe. Und letztlich sind ja genau die Sci-Fi-Geschichten besonders interessant, die sich uns nahe anfühlen, so dass die dort behandelten Fragen uns direkt berühren.

In der Figur von Roy McBride stellt "Ad Astra" die Frage, was wichtiger ist: die heroische Pflicht, eine Mission zu erfüllen oder ein empathisches Leben mit Menschen, denen man sich öffnet? Im Gegensatz zur Western-Moral mit dem siegreichen, aber "lonesome Cowboy" am Ende entscheidet sich "Ad Astra" fürs Menschsein und befreit den Mann vom unfreien Selbst- und Fremdbild, seine Gefühle hintanstellen zu sollen.

Der Mond ist schon Freizeitplanet, der Mars ein Exit-Ort für die Menschheit

Denn bis kurz vor Schluss bleibt Brad Pitt, der jungenhafte, 55-jährige Unverwüstliche, genau dieser emotional kontrollierte Astronautenheld, der beste, den die Nasa hat.

Sie schicken McBride über den Mond - einen Freizeitplaneten, auf dessen dunkler Seite ein Rohstoffkrieg mit Warlords tobt - auf den Mars. Hier wird gerade getestet, ob dieser Planet nicht eine Exit-Strategie für den Menschen wäre, falls die Erde ökologisch kollabiert.

Sind wir allein im All, und wenn ja: Was heißt das für uns?

Aber McBrides Mission ist eine ganz andere: Er soll weiter zum noch fast unerschlossenen Jupiter, von wo aus sein vor 16 Jahren verschollener Vater (Tommy Lee Jones) nach außerirdischem Leben gesucht hat. Eine Idee, in der sich drei Fragen zwischen Hoffnung und Angst verbinden: Sind wir wirklich allein? Wenn es irgendwo da draußen anderes Leben gibt, ist das Bereicherung oder Gefahr? Und: Was heißt das für unser Selbst- und Menschenbild? Auch McBrides Vater war der kühle, kühne Pionier, der innerlich getrieben seine Familienbeziehungen der gefühlten Forschungspflicht geopfert hat. Im Moment der pathetischen, aber harten, desillusionierenden Wiederbegegnung sieht McBride in seinem starrköpfigen, fanatischen Vater sein eigenes psychisches Spiegelbild. Es wird in diesem reinen Männer-Film der Moment des Abschieds vom Alte-Weiße-Männer-Weltbild.

Vater-Sohn- und Menscheheitsfragen

Mit der persönlichen Desillusionierung nach der gescheiterten Vater-Sohn-Auseinandersetzung positioniert sich der Film noch zu einer anderen generellen Frage klar. Und das ist in neuen weltraumfantasie-politischen Zeiten ein bisschen provokant: "Was machen wir eigentlich da draußen?", fragt Regisseur Gray - mit der ernüchternden Bilanz: Wir sind im riesigen Kosmos ganz allein! Aber wenn das so ist, sollten wir uns anstatt vor der Einsamkeit zu erschrecken schleunigst wieder vor allem um eines kümmern: unsere Erde.

Und so kommen wir nach einem fast melancholischen, intellektuell vielschichtigen, bildstarken, ungewöhnlichen Sci-Fi-Film mit einem kleinen Schritt für uns Zuschauer wieder in den großen Fragen für die Menschheit an.