Kultur

Alle so schön blond hier

Vor über 20 Jahren begann der ZeichnerP. Craig Russell damit, Richard Wagners "Ring des Nibelungen" in einen Comic zu übertragen. Jetzt ist die Tetralogieauf Deutsch erschienen


Im Comic kein Problem: Brünnhilde reitet mit ihren Walküren-Schwestern durch die Lüfte.

Im Comic kein Problem: Brünnhilde reitet mit ihren Walküren-Schwestern durch die Lüfte.

Von Christa Sigg

Um einen gleißend goldenen Ring räkeln sich die Rheintöchter - und wie es sich für Richard Wagners "Nickergezücht" gehört mit Fischschwanz und endloser Mähne. Die Rankenschmiede des Jugendstils hätten das kaum eleganter hinbekommen. Gekräuselt wird mit dem japanischen Wogen-Meister Hokusai, und aus der Ferne wedelt freilich auch Disneys süße Arielle mit ihrer Flosse. Wir sind schließlich im Comic, und ein paar züchtige Brustschuppen müssen in Amerika schon sein. Der erfahrene P. Craig Russell weiß das, seit den 1970er Jahren zeichnet er für die Heftl-Giganten. Und nun schlägt er mit dem "Ring des Nibelungen" endlich auch in Deutschland auf. Fast 25 Jahre, nachdem die Tetralogie in den USA erschienen ist.

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Siegfried, der blonde Held in Bärenshorts, haut alles kurz und klein. Mime, der weise Zwerg, hätte es wissen können.

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So hat sich Richard Wagner seinen Wotan vorgestellt - mit Flügelchen am Helm, die historisch nicht korrekt sind, aber seither germanische Kopfbedeckungen zieren.

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Am Ende bekommen die Rheintöchter den Ring zurück. Der Heldeneinsatz war völlig umsonst. Wie so oft.

Der "Ring" bietet
Helden wie aus dem Marvel-Kosmos

Der Plot eignet sich ganz fabelhaft für eine Bildergeschichte, von der ersten Szene an ist viel Action geboten bei diesem Gerangel um Liebe und Macht. Außerdem kann man von Siegmund und Siegfried bis zu den Göttern jede Menge Muskelmänner in die Manegen schicken. Russell kostet das reichlich aus, und bleibt dabei im Duktus der Superhelden aus dem Marvel-Kosmos. Damit hat er sich als Illustrator einen Namen gemacht und mehr noch durch die Comic-Versionen von "The Sandman" und "American Gods" des SciFi- und Fantasy-Autors Neil Gaiman.

Parallel dazu ist Russell gerne in die Klassiker der Belletristik eingetaucht, und bereits als Kind entwickelte er ein Faible für die Oper. Insofern war es naheliegend, Musikdramen herauszupicken, deren Libretto sich gut in kraftvolle Bilder übertragen und zu knappen Dialogen verkürzen lassen. Mozarts "Zauberflöte" zum Beispiel, Claude Debussys "Pelléas und Mélisande" nach dem Schauspiel von Maurice Maeterlinck oder - Russell ist Richard-Strauss-Fan - die "Salomé" nach Oscar Wilde. Und natürlich ließe er sich genauso von der Musik inspirieren.

Wagner lag bei seinen Klang-Vorlieben sowieso in der Luft, zumal ihn das wortgewaltige bis silbenschräge Textbuch lange schon gereizt hatte. Und im Gegensatz zu den ewigen Notlösungen der Theaterregisseure und Bühnenbildner sind Zwerge, Riesen und der grundsätzlich peinliche Drache für einen Comic-Zeichner kein Problem. Die Walküren reiten auf Rössern durch die Luft, und Göttin Fricka rauscht mit einem Kampfwagen daher, wie bei Wagner und in der Mythologie von zwei Widdern gezogen.

Schlingern zwischen Wagner-Deutsch

und Comic-Rasanz

Gut 16 "Ring"-Stunden sind auf rund 450 Seiten konzentriert, und Russell hält sich eng an die Vorlage. Dafür ist dieses Mammutwerk fast schon knackig verdichtet. Nur die Sprache weiß nicht so recht, wohin sie will, und schlingert zwischen Wagner-Deutsch und Comic-Rasanz. Kenner haben daran zu kauen, Einsteigern wird der Zugang erleichtert. Zumal es kaum noch vorkommt, dass diese Stücke auf der Bühne klassisch durcherzählt werden. Dadurch gerät manche Szene allerdings auch holzschnittartig. Die Finessen, die die Musik liefert, genauso das Unsag- und Unabbildbare muss man sowieso ausklammern.

Russell, der seit 50 Jahren über Wagners "Ring"-Personal sinniert, arbeitet mit Stereotypen, die irgendwie aus der Zeit gefallen sind und ein bisschen wie Karikaturen ihrer selbst daherkommen. Siegmund ist blond, Siegfried noch blonder, und Brünnhilde dürfte vor ihrem Auftritt in Wasserstoffperoxid gebadet haben. Alberich watschelt als fieser Wicht umher, und Hagen gibt den düsteren Oberschuft. In den Marvel-Disney-DC-Universen finden sich selbstredend die Vorbilder, die Guten sind jedenfalls leicht von den Bösen zu unterscheiden.

Und doch gelingen Russell auch betörende Bilder. Vor allem dann, wenn er den Rhythmus und das unablässige Fließen der Musik in Farben und Formen übersetzt und ohne Sprechblasen zu einer einzigen großen Optik fasst. Allein dafür lohnt sich diese Opernadaption.

P. Craig Russell: "Der Ring des Nibelungen", (Cross Cult Verlag, 448 Seiten, 49,99 Euro)