Fälle von "Greenwashing"

Gar nicht Öko: Firmen geben sich umweltbewusster, als sie sind


Die AZ-Montage zeigt Bäume, die aus einem Braunkohlekraftwerk wachsen. So dreist werben beispielsweise Energiekonzerne nicht für sich - doch viele geben sich große Mühe, als besonders umweltfreundlich zu gelten - manchmal auch durch Greenwashing.

Die AZ-Montage zeigt Bäume, die aus einem Braunkohlekraftwerk wachsen. So dreist werben beispielsweise Energiekonzerne nicht für sich - doch viele geben sich große Mühe, als besonders umweltfreundlich zu gelten - manchmal auch durch Greenwashing.

Von Agnes Kohtz

"Greenwashing" nennt man es, wenn Firmen sich mit wenigen Prestige-Maßnahmen ein umweltbewusstes Image geben wollen. AZ erklärt was dahinter steckt und welche Gütesiegel auf gesetzlichen Vorgaben basieren.

Mehr als ein Drittel der deutschen Konsumenten achtet bei Kaufentscheidungen auf Nachhaltigkeit und gute Produktionsbedingungen: Das zeigt eine am Freitag veröffentlichte repräsentative Online-Umfrage des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv). Der zufolge gaben 40 Prozent der Befragten an, häufig beim Kauf von Produkten oder Dienstleistungen auf Nachhaltigkeit zu achten. Neun Prozent tun dies demnach sogar fast immer.

Falsche Nachhaltigkeit fürs Image

Viele Unternehmen reagieren und preisen ihre Ware als besonders ökologisch an. Doch es ist nicht immer alles so grün wie beworben. Manche Firmen wollen sich mit "Greenwashing" ein besseres Image geben. Was steckt dahinter? Die AZ gibt einen Überblick:

Was bedeutet Greenwashing? Der Begriff setzt sich zusammen aus "green" (grün) und "washing" (waschen). Kathrin Krause (33), Referentin für nachhaltigen Konsum beim vzbv, erklärt der AZ: "Es geht darum, dass Unternehmen in der Außendarstellung Verbrauchern ihre Produkte als besonders umweltfreundlich, ökologisch produziert oder als besonders sozialverträglich darstellen, obwohl sie es nicht sind." Diese Firmen wüssten, dass Verbraucher für solche Produkte mehr zahlen.

In welchen Branchen kommt Greenwashing häufig vor? Laut Krause sind vor allem Branchen betroffen, deren Kerngeschäft per se nicht umweltfreundlich ist, die aber Wert auf ein "sauberes" Image legen: etwa die Öl- oder Petroleumindustrie, Energiekonzerne und Autobauer. Aber auch im Textil- und Lebensmittelbereich findet sich Greenwashing (siehe unten).

Kathrin Krause

Kathrin Krause

Wie wird Greenwashing betrieben? Die Beratungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers nennt als gängige Strategien etwa das Hervorheben einer umweltfreundlichen Eigenschaft eines Produkts, während andere umweltschädliche ausgeblendet werden; das Verwenden unklarer Begriffe, die leicht missverstanden werden können oder das Betonen irrelevanter Aussagen wie etwa "FCKW-frei" - obwohl die Benutzung dieses Treibhausgases ohnehin längst verboten ist.

Ist das Kundentäuschung? Es handle sich um eine Grauzone, erklärt Verbraucherschützerin Krause. Es ist eindeutig Kundentäuschung, wenn mit Aussagen geworben wird, die nicht der Wahrheit entsprechen. Dies muss aber immer einer juristischen Einzelfallprüfung standhalten. Wenn aber eine klare Irreführung vorliegt, mahnt der Verbraucherzentrale Bundesverband Unternehmen auch ab oder zieht vor Gericht. Grundlage ist in diesen Fällen meist der Paragraf 5 im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG).

Wie erkenne ich als Verbraucher Greenwashing? "Das Dilemma ist, dass die Nachhaltigkeit und Umweltfreundlichkeit von Produkten ihnen nicht anzusehen ist", sagt Krause. Deshalb seien etwa im Bereich Lebensmittel und Textilien die derzeit beste Quelle staatliche Siegel (siehe Kasten oben). Krause stellt aber klar, dass Siegel nur eine Krücke sein können: Langfristig müsse es gesetzliche Mindeststandards für sozial- und ökologisch verantwortungsvolle Produktion geben.

Der vzbv fordert ein Lieferkettengesetz, das für alle Branchen gilt. Krause sagt: "Wenn Unternehmen ihrer Verantwortung im Kerngeschäft nachkommen, ist Greenwashing überflüssig."

Umweltbewusstsein oder PR? Diese Firmen vermarkten sich grün

VW: Der wohl bekannteste Fall von Greenwashing ist der Diesel-Skandal: Der Autobauer VW - und wie sich herausstellte auch andere - manipulierte Abgaswerte, um Kunden zu suggerieren, sie würden umweltfreundlich fahren. Im Gegensatz zu vielen Grauzonen-Fällen gab es hier rechtliche Konsequenzen. Es wurden bereits hohe Haft- und Geldstrafen verhängt.

BP: Anfang Dezember hat die britische Nichtregierungsorganisation (NGO) Client Earth Beschwerde bei der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) gegen den Mineralölkonzern BP eingereicht. Der Grund: Eine aktuelle Kampagne, die suggeriert, der Konzern konzentriere sich auf Erneuerbare Energien. In Wahrheit, so die Anwälte der NGO, tätige das Unternehmen mehr als 96 Prozent seiner Investitionen in fossile Brennstoffe.

H&M: Der schwedische Textilhandels-Riese wirbt bei seinen "Conscious"-Kollektion mit Bio-Baumwolle. Norwegens Konsumentenschutz warf dem Konzern deshalb im April 2019 Greenwashing vor: Er liefere "unzureichende" Informationen. Denn Bio-Baumwolle sagt zum Beispiel nichts über Produktionsbedingungen aus. Die Verbraucherbehörde urteilte: die Angaben seien "irreführend", aber nicht falsch.

Lammsbräu: Das Unternehmen Lammsbräu aus Neumarkt (Oberpfalz) hat ein "BioKristall-Wasser" im Angebot. Tatsächlich erfüllt das Wasser strengere Kriterien und unterschreitet gesetzliche Grenzwerte - dennoch kann man sich fragen, ob ein so gut kontrolliertes Lebensmittel wie Wasser bio sein muss. Die Stiftung Warentest jedenfalls gab dem Wasser in einem Test vom Sommer die Note 5 - und erklärte, man halte die Bio-Deklaration für nicht gerechtfertigt.

Siegel mit gutem gewissen

Im "Siegeldschungel" in Supermarkt oder beim Kauf von Kleidung ist es als Verbraucher fast unmöglich, sich zurechtzufinden. Doch es gibt einige Labels, die auf gesetzlichen Vorgaben basieren:

Von links: EU-Bio-Siegel, Grüner Knopf, Blauer Engel

Von links: EU-Bio-Siegel, Grüner Knopf, Blauer Engel

Das EU-Bio-Siegel für Lebensmittel basiert auf der EU-Ökoverordnung und die Einhaltung der Bio-Bestimmungen wird durch die jeweils zuständige Öko-Kontrollstelle überwacht.

Der Grüne Knopf ist ein neues Textil-Label das vom Bundesentwicklungsministerium und der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit kommt. Es garantiert gewisse ökologische und soziale Standards.

Den Blauen Engel gibt es schon seit 40 Jahren. Das Zeichen der Bundesregierung kennzeichnet umweltschonende Produkte und Dienstleistungen.

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