Tausende Volksfestbesucher feiern jedes Jahr in den Bierzelten am Straubinger Gäubodenfest. Ein „Trumm vom Paradies“ nennen es viele Straubinger gerne. Diskussionen um das Donaulied und zuletzt den Party-Hit „Layla“ zeigen allerdings, dass sich im Bierzelt längst nicht jeder wohlfühlt. Gerade Frauen empfinden die Texte als anstößig – und manchen Kommentar oder Handgriff als Bierzeltsexismus.
Bierzelt-Sexismus Wo Tradition aufhört und Belästigung beginnt
Kritiker des auf vielen Festen verbotenen Donaulieds oder des Party-Hits „Layla“ argumentieren, dass gerade solche anzüglichen Schlagerlieder Belästigung und Übergriffe verharmlosen würden. Das Donaulied beschreibt die Vergewaltigung eines schlafenden Mädchens, „Layla“ besingt eine Prostituierte, die „schöner, jünger, geiler“ sei. Der Malle-Hit wurde darum vor Kurzem auf dem Würzburger Kiliani-Volksfest verboten. Der Veranstalter verwies bei dem Verbot auch auf die vorangegangene Diskussion um das Donaulied, das nach der Petition einer Passauer Studentin und ihrer Hochschulgruppe „Aktion gegen Bierzeltsexismus“ seit 2020 auf vielen Festen in der Region nicht mehr gespielt wird.
Das Donaulied-Verbot wird auch auf dem Straubinger Volksfest umgesetzt. Festwirt Anton Wenisch etwa sagt auf Nachfrage, er halte sich in seinem Festzelt strikt an die Anweisung und fordere alle Bands auf, das Lied nicht zu spielen. Nach seiner persönlichen Meinung zum Lied gefragt, meint er: „Wenn es verboten ist, dieses Lied zu spielen, dann wird das nicht gespielt. Was ich für eine persönliche Meinung habe, ist da nicht wichtig. Ich kenne das Lied seit Jugend auf, ich sehe das ein bisschen anders.“
So sieht das auch Wenisch-Security-Chef Alexander Perfler. Seine persönliche Meinung zur Donaulied-Debatte möchte er nicht äußern, dabei gehe Berufliches und Privates zu weit auseinander.
Sexuelle Belästigung oder Übergriffe gebe es so gut wie gar nicht im Festzelt der Familie, betonen Wenisch und Perfler einvernehmlich. Seit rund fünf Jahren gewährleisteten dort bis zu 36 Mitarbeiter die Sicherheit der Feiernden. Bei den seltenen Vorfällen habe man nicht die Polizei hinzugezogen, sondern selbst eine Einigung erzielt. Opfer seien dabei vornehmlich Frauen gewesen, sagt Perfler.„Anders herum ist das ja tatsächlich selten der Fall“, meint der Security-Chef. „Und wenn, dann haben die
Männer ja auch nichts dagegen, wenn Frauen mal offener reagieren.“
Das sieht Philemon Christl anders. Er vertritt als Rechtsanwalt viele Betroffene von sexueller Belästigung oder gar Gewalt, auch auf dem Gäubodenvolksfest. Nicht nur Frauen, sagt Christl, sondern auch Männer würden immer wieder zu Opfern. Vorwiegend handle es sich bei den Betroffenen aber um junge, erwachsene Frauen. Die Dunkelziffer an sexuellen Belästigungen am Volksfest hält Christl für hoch. Die Straubinger Polizei spricht zwar auf Anfrage von nur zwei Anzeigen im Jahr 2018. Christl mutmaßt allerdings, dass sich viele Opfer aus Scham und Angst nicht äußern würden.
Überdies gebe es keine einheitliche rechtliche Definition von Bierzeltsexismus, den etwa die Passauer Studentin bei ihrer Aktion gegen das Donaulied anprangerte. Sexuelle Belästigung, erklärt Christl, werde im Strafgesetzbuch als Handlung definiert, die „in sexuell bestimmter Weise körperlich berührt und dadurch belästigt“. Obszöne Äußerungen oder Gesten fallen laut Christl nicht darunter.
Den Text des Donaulieds in Orginalform hält er für „ohne Zweifel vollkommen geschmacklos“. Er beschreibe eine strafbare Handlung und sei „in jedem Fall, auch unter Berücksichtigung des historischen Kontextes, aus der Zeit gefallen“.
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