Hochwasser Hochwasserkatastrophe in Niederbayern: Alle Infos zur aktuellen Lage

Horst Seehofer besuchte am Samstag die Flutopfer und versprach ihnen umfangreiche Hilfen. Foto: Andreas Gebert, dpa

"Land unter" in Niederbayern und Teilen der Oberpfalz! Besonders stark betroffen ist der Landkreis Rottal-Inn. Dort wurde der Katastrophenfall ausgerufen. Auch Tage danach von Normalität noch keine Spur. Hier finden Sie die aktuellen Informationen zur Lage vor Ort im Überblick.

Am stärksten vom Hochwasser betroffen sind die Gemeinden Simbach am Inn, Triftern, Tann, Anzenkirchen und Wittibreut. Dort ist nichts mehr, wie es einmal war. Ganze Wohnsiedlungen sind verwüstet, Autos und Bäume wurden weggespült, knapp 9.000 Haushalte waren ohne Strom. Sieben Todesopfer hat das Hochwasser bisher gefordert: Am Mittwochabend waren in einem überfluteten Haus in Simbach am Inn eine 28-jährige Frau, ihre 56-jährige Mutter und ihre 78 Jahre alte Großmutter aufgefunden worden. Später wurde auch in Julbach eine 80-Jährige tot in einem Bach entdeckt. Sie hing über einem Baumstamm.


 

Mittlerweile sieben Tote

Am Donnerstagmittag wurde dann das fünfte Todesopfer der Flutkatastrophe bestätigt. In einem Anwesen in Simbach am Inn wurde ein 75-jähriger Mann tot aufgefunden. Dabei handelt es sich laut Polizei um einen Mann aus dem Landkreis Rottal-Inn. In den Abendstunden dann die nächste traurige Entdeckung, wieder in Simbach am Inn. Dort wurde ein weiterer Leichnam gefunden, bereits der Sechste. Laut Polizeiangaben kam der tot aufgefundene 65-Jährige aus dem gleichen Landkreis.

Am frühen Freitagnachmittag dann die nächste traurige Nachricht. "Soeben ist ein weiteres Flutopfer im Krankenhaus gestorben", vermeldete Landrat Michael Fahmüller. Damit steigt die Zahl der Todesopfer auf sieben. Bei dem Toten handelt es sich um einen 72-jährigen Mann, der am Donnerstag aus einem übergelaufenen Bach in Triftern gerettet worden war.

Wie viele Menschen insgesamt verletzt wurden, ist noch völlig unklar. "Es ist alles ein großes Chaos", sagte eine Sprecherin des Landratsamts Rottal-Inn. Phasenweise wurden der Polizei bis zu 44 Menschen als vermisst gemeldet. Aktuell sind es noch vier. Die Polizei hat bereits Suchmaßnahmen eingeleitet, bei denen auch Taucher zum Einsatz kommen werden.

Beileidsbekundungen an die Angehörigen der Todesopfer kamen von Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Die Bundesregierung trauere um die Menschen, für die Hilfe zu spät gekommen sei und sie trauere mit den Angehörigen, sagte Merkel am Donnerstag in Berlin.

Lage immer noch angespannt - Jugendliche plündern Kiosk

Die Lage ist trotz leicht zurückgehender Pegelstände immer noch angespannt: Besondere Probleme bereitet den Beamten momentan die Verkehrssituation. Viele Straßen sind wegen des Hochwassers gesperrt, allerdings halten sich nicht alle Autofahrer daran. Teilweise mussten diese dann wenig später von den Beamten gerettet werden, weil sie mit ihrem Auto in den Fluten stecken blieben. Die Polizei bittet, besonders die Bereiche Simbach am Inn, Tann, Triftern, Zeilarn, Anzenkirchen, Kirchdorf am Inn, Lanhofen, Untertürken, Bad Griesbach und Ruhstorf an der Rott weitgehend zu meiden. Die Wassermassen haben zahlreiche Straßen zerstört, darunter auch Teilabschnitte der B20. Außerdem sackte eine Brücke um mehrere Meter ab. Es wird wohl noch Wochen oder Monate dauern, bis alle Schäden beseitigt sind. Am Montagvormittag hat sich besonders die Verkehrssituation rund um Simbach am Inn erneut verschlechtert. Die Polizei bittet darum, dass nur Helfer und Geschädigte Simbach anfahren - Besucher und Schaulustige sind nicht erwünscht. Ausgeschilderte Umleitungen sind unbedingt einzuhalten.

Auch erste Plünderer, die das Chaos zur eigenen Bereicherung nutzten, hat die Polizei bereits in Simbach am Inn festgenommen. Dabei handelt es sich um drei junge Burschen im Alter von 14 und zwei Mal 16 Jahren. Sie wurden von der Wasserwacht dabei beobachtet, wie sie versuchten, sich in einem unversperrten Kiosk mit Zigaretten im Wert von rund 300 Euro einzudecken. Bis zum Eintreffen der Polizei wurden die Jugendlichen von der Wasserwacht festgehalten. Gegen alle drei wird Anzeige erstattet. Der Kiosk wurde derweil von der Feuerwehr verschalt. Feuerwehr, Polizei, Rettungsdienste, THW und zahlreiche freiwillige Helfer sind nach wie vor im Dauereinsatz, um das Ausmaß der Schäden einigermaßen in Grenzen zu halten.

In vielen Gemeinden beginnt derweil das große Aufräumen: "Das Wasser zieht sich zurück. Die Lage hier hat sich beruhigt, wenn man das nach den Ereignissen so sagen darf", so ein Sprecher des PP Niederbayern. "Wir hoffen nun auf Verstärkung, um die Schäden zu beseitigen". Alles andere als Verstärkung vor Ort sind derweil unzählige Schaulustige, die sich absichtlich ins Hochwassergebiet begeben. Ein erschütterndes Phänomen, das auch Bayerns Innenminister Joachim Herrmann entsetzte.

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Söder und Seehofer sichern "schnelle und unbürokratische Hilfe" zu

Die Hochwasser-Schäden dürften mindestens in die dreistelligen Millionenhöhe gehen. Heimat- und Finanzminister Markus Söder (CSU) sicherte den Hochwasser-Opfern bereits Unterstützung zu. "Ähnlich wie beim Hochwasser 2013 werden wir 1.500 Euro zur Verfügung stellen - und zwar schon ab morgen", so Söder am Donnerstag. Auch Innenminister Joachim Herrmann (ebenfalls CSU) versprach finanzielle Hilfen. "Es geht jetzt darum, dass der Freistaat denen, die das dringend brauchen, unmittelbar finanzielle Hilfen bereitstellt."

Am frühen Samstagmorgen begann dann die Auszahlung der Soforthilfe für die Flutopfer in Simbach am Inn. Der Ansturm war enorm. Noch immer können dort viele Menschen ihre Häuser nicht betreten.

Nach einer neuen Schätzung hat die Flutwelle einen Schaden von mehr als einer Milliarde Euro verursacht. Landrat von Rottal-Inn, Michael Fahmüller (CSU), sagte am Samstag: "Es sind mehr als 5.000 Haushalte betroffen, 500 Häuser schwer beschädigt, die wohl nicht mehr sanierbar sind." Zuvor war er gemeinsam mit Horst Seehofer (CSU) durch den zerstörten Ort gegangen. Der Ministerpräsident verspricht umfangreiche Hilfen: "Wir werden uns bei den zusätzlichen Mitteln an das Jahrhunderthochwasser 2013 anlehnen." Am Dienstag wolle er im Kabinett über die Hilfsmaßnahmen sprechen und diese so schnell wie möglich auch beschließen.

Lesen Sie auch: Auszahlung der Soforthilfe in Simbach am Inn hat begonnen

Am Samstagnachmittag vermeldete die Polizei, dass die Hilfsbereitschaft für und in Simbach dermaßen riesig sei, dass sich rund um die Stadt Staus gebildet hätten. "Der Ansturm war enorm. Die eingerichteten Parkplätze sind total überfüllt und weiter ankommende Helfer können nicht mehr zu den betroffenen Hochwassergebieten gebracht werden", berichtet Polizeisprecher Christian Biedermann. In Simbach werden daher vorerst keine zusätzlichen Helfer mehr benötigt.

Das Landratsamt hat mittlerweile Truppen der Bundeswehr angefordert. "Wir erwarten für Sonntag oder Montag etwa 100 Mann", sagte der Sprecher des Landratsamtes Rottal-Inn, Robert Kubitschek, am Sonntag. Sie sollen dort unterstützen, wo es für die Helfer zu gefährlich ist.

Strom- und Handynetz zusammengebrochen

Die Abiprüfungen der FOS/BOS in Pfarrkirchen fanden am Donnerstag trotz Hochwasser statt. Zahlreiche andere Schulen blieben aber geschlossen. Laut Robert Kubitschek, Leiter des Landratsamts Rottal-Inn, hat es von den betroffenen Ortschaften "Simbach am Inn am schlimmsten erwischt". Die Katastrophe sei "nicht abzusehen gewesen". Am Mittwochmorgen hätten die starken Regenfälle begonnen. "Um 14.30 wurde der Katastrophenfall ausgerufen", so Kubitschek weiter. Der Katastrophenalarm dürfte auch noch einige Tage aufrechterhalten bleiben.

Das Strom- und Handynetz im Landkreis ist teils komplett zusammengebrochen, bzw. schwer beschädigt. "Die betroffenen Orte sind nur schwer zu erreichen", berichtet Kubitschek. Am Mittwochabend waren noch rund 10.000 Haushalte betroffen, über Nacht habe sich die Situation aber etwas gebessert. In Simbach, Tann und Triftern konnten am Donnerstagmorgen erste Gebiete bereits wieder mit Strom versorgt werden. Teilweise würden Anwohner auch Stromkabel über mehrere hundert Meter zu ihren Nachbarn verlegen, um auszuhelfen, so ein Polizeisprecher. Probleme mit der Trinkwasserversorgung gebe es glücklicherweise nicht.

Polizeidienststelle evakuiert

Auch die Polizeiinspektion Simbach am Inn ist wegen des Hochwassers abgeschnitten und derzeit nicht erreichbar. Die Polizeidienststelle musste evakuiert werden. "Da steht das Wasser meterhoch", berichtet ein Polizeisprecher. Der tägliche Dienstbetrieb wird jetzt durch die Polizeiinspektion Pfarrkirchen, wo auch die Beamten der Polizeiinspektion Simbach bis auf weiteres ihren Dienst verrichten, gewährleistet. Die Polizeiinspektion Pfarrkirchen ist unter Telefon 08561/9604-0 erreichbar.

Diese Tweets zeigen das Ausmaß der Verwüstung in Simbach am Inn:

"Situation hat sich dramatisch zugespitzt"

In Triftern wurde der Ortskern am Mittwoch überschwemmt. "Es herrscht Land unter. Die Wassermassen kamen sehr schnell", sagte Emil Bumberger von der Polizei in Pfarrkirchen. "Die Situation hat sich in den letzten Stunden dramatisch zugespitzt. Der ganze Ortskern wurde von dem Altbach überspült", sagte der Bürgermeister von Triftern Walter Czech (CSU). Auch Schulen und Kindergärten waren von dem Hochwasser betroffen. In einer Schule in Triftern saßen 14 Schüler in ihren Klassenräumen und der Turnhalle fest. Das Gebäude lag zum Glück auf einem Berg, allerdings waren die Zufahrtswege unpassierbar. Sie mussten deswegen die Nacht über in der Schule ausharren - natürlich in Begleitung von Betreuern.

Am Donnerstagmorgen haben in der Marktgemeinde die Aufräumarbeiten begonnen: Einsatzkräfte des Technischen Hilfswerks pumpen mit Spezialpumpen Häuser und Straßen leer. Der Stab an Hilfskräften wurde dazu nochmals aufgestockt. Auch rund 130 Männer und Frauen aus Fischerdorf waren extra nach Triftern gereist, um zu helfen. Während der Hochwasserkatastrophe vor drei Jahren hatten sie auch Hilfe aus dem Landkreis Rottal-Inn bekommen. "Die Hilfe, die wir damals bekommen haben, wollen wir jetzt zurückgeben. Das ist uns sehr wichtig", sagte Feuerwehrkommandant Dieter Treske. Er und seine Mithelfer unterstützen die Anwohner bei den Aufräumarbeiten. Bei ihm und seinen Kameraden weckt die Katastrophe im Rottal schlimme Erinnerungen. "Da kommen die alten Sachen wieder hoch, das ist genau wie bei uns. Wo man hinkommt, überall ist dieser Ölgeruch".

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