Ostbayern

Lehrer an Gymnasien werden knapp - das muss passieren


Von Redaktion idowa

Kommt es zu einem gravierenden Mangel an Gymnasiallehrern in Bayern? Nach den personellen Engpässen an Grund- und Mittelschulen fürchtet der bayerische Philologenverband (bpv) nun auch eine kräftige Lücke an Gymnasien. Die Bezirksvorsitzende des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands (BLLV) in Niederbayern prophezeit ebenfalls ein Defizit. Dass Lehrer an den Gymnasien knapp werden, sagt auch die Direktorin eines Straubinger Gymnasiums.

"Der Schweinezyklus ist wieder da", sagt bpv-Vorsitzender Michael Schwägerl. Aufgrund schlechter Einstellungschancen in den vergangenen Jahren gebe es nun zu wenige Studenten und Referendare. "In fünf Jahren brauchen wir aber allein für das neue G9 rund 1.500 Lehrkräfte zusätzlich."

Demnach bekamen zum neuen Halbjahr zwar mit 200 jungen Frauen und Männern etwas mehr Absolventen eine Planstelle als in den Vorjahren. Jedoch hätten heuer nur rund 530 Nachwuchskräfte ihr Referendariat abgeschlossen - nach knapp 630 im Jahr 2019 und gut 710 im Jahr 2018.

Auch die Zahl der Studenten sei rückläufig. Gab es 2012, zum Beginn der Phase schlechter Jobchancen am Gymnasium, bayernweit noch mehr als 18.500 Studierende für das Lehramt an Gymnasien, so waren es 2017 nur noch knapp 13.000.

Nur 15 Prozent der Bewerber wurden eingestellt

"Ein Lehrermangel an Gymnasien ist also absehbar", sagt Judith Wenzl, Bezirksvorsitzende des BLLV in Niederbayern. Spätestens 2025, wenn das neue G9 da ist, steuere das Gymnasium auf einen erheblichen Mangel zu. Die Einstellungssituation sei in den letzten Jahren in vielen Fächerkombinationen sehr schlecht gewesen. Im Februar 2017 wurden beispielsweise nur 15 Prozent der Bewerber an Gymnasien eingestellt, sagt Wenzl.

Die Konsequenz: Viele Lehramtsstudierende treten das Referendariat gar nicht erst an, sondern suchen sich alternative Beschäftigungsmöglichkeiten außerhalb der Schule oder absolvieren das Referendariat gleich in anderen Bundesländern, meint die Bezirksvorsitzende des BLLV. Auch viele Absolventen des Referendariats, die in Bayern keine Festanstellung bekommen, würden den Freistaat verlassen.

Antizyklisch einstellen die Lösung?

Laut Wenzl brauche es daher ein flexibles Lehrerbildungsmodell, damit sich Lehreranwärter auf den Arbeitsmarkt einstellen können. Auch an der Einstellungspolitik müsse einiges geändert werden. Die Vorsitzende schlägt vor, antizyklisch einzustellen, also am Gymnasium über den Bedarf einzustellen, damit dieser 2025 vergleichsweise gering ausfällt.

Eva Huller ist Schulleiterin des Anton-Bruckner-Gymnasiums in Straubing. Sie sagt, der Mangel an Grund- und Mittelschullehrern werde durch Nachqualifizierung von Gymnasiallehrkräften, sogenannten "Aushilfsnehmern", die keine Beamtenstelle im Gymnasialbereich bekommen haben, aufgefangen. Seitdem sei die Situation an Gymnasien schwieriger geworden, das sei aber von Fach zu Fach unterschiedlich.

"Aktuell ist es so, dass das Staatsministerium unsere Personalanforderungen erfüllen konnte und auch kann", sagt Huller. Die Herausforderung liege in der Verfügbarkeit der "Aushilfsnehmer". Grundsätzlich sei es aber schön, dass der Nachwuchs unterkommen könne.

"Stellenmehrbedarf" wegen G9

Die Situation mit dem G9 wird laut Huller zu einem "Stellenmehrbedarf" führen. Ob es ausreicht, dass Gymnasiallehrer von den Grund- und Mittelschulen zurückwechseln, wird sich zeigen. Huller spricht davon, dass so "bereits indirekt zusätzlich eingestellt" wird. Über denn aktuellen Bedarf an den Gymnasien einzustellen sei aber eine Frage, die auf rechtlicher Ebene gelöst werden muss.

Der bpv fordert unterdessen, die integrierten und mobilen Lehrerreserven an den Gymnasien auszubauen und ebenfalls vorausschauend einzustellen. "Wenn wir jetzt jedes Jahr 250 zusätzliche Lehrkräfte einstellen, binden wir die jungen Kolleginnen und Kollegen an den Freistaat und haben 2025 kein Problem mit dem Lehrermangel", sagt bpv-Vorsitzender Michael Schwägerl.

Für großen Aufruhr unter den bayerischen Lehrern hatten zudem die jüngst angekündigten Maßnahmen für Grund- und Mittelschullehrer gesorgt. Um den Lehrermangel dort aufzufangen, sollen Grundschullehrer ab September vorübergehend eine Stunde mehr unterrichten, die später ausgeglichen werden soll.

Die Maßnahme überzeugt zumindest Judith Wenzl nicht. Eine Stunde länger zu unterrichten, betreffe vor allem Teilzeitkräfte und ältere Lehrer. Ein weiterer Grund sei der Numerus Clausus (NC) für das Lehramtsstudium an Grundschulen. "Es gibt so viel Bedarf, trotzdem schiebt man den Lehreramtsanwärtern mit dem NC einen Riegel vor." Dieser müsse letztlich verschwinden. Gleichzeitig müssen laut Wenzl die Unis mehr Plätze anmelden, die waren ihrer Einschätzung nach im Vergleich zu dem massiven Bedarf viel zu wenige.