BayernCloud, mebis, Teams

So geht es im digitalen Klassenzimmer weiter


Was Firmen seit langer Zeit für ihre Büroarbeit und als Kommunikationstool nutzen, dürfen seit November ausgewählte Schulen in Baden-Württemberg testen: Officeprodukte der aktuellsten Generation von Microsoft. In Bayern hat das Kultusministerium zunächst temporäre Lizenzen zur Nutzung an den Schulen bereitgestellt. Diese laufen nun Ende des Jahres aus. Mit welcher Software wird fortan gearbeitet? Und wie steht es in diesem Zusammenhang um die "BayernCloud" und das gute alte "mebis"?

Die Corona-Krise stellt die Schulen vor Herausforderungen, die in dieser Form bisher einzigartig sind. Ebenso auch die Ministerien, die einzelne Schritte zu verantworten haben. Mit der Bekämpfung der Pandemie wechselten in rascher Folge die konkreten Maßnahmen, mit denen zum einen der Unterricht aufrechterhalten und zum anderen die Gesundheit aller Beteiligten sichergestellt werden sollte. Die Voraussetzungen für schulisches Lernen hätten sich deutlich verändert, wie ein Sprecher des bayerischen Kultusministeriums auf Nachfrage von idowa bestätigte.

Die aus dem schnellen Wechsel und unterschiedlicher Herangehensweisen an den einzelnen Schulen resultierenden Unsicherheiten beziehungsweise die fehlende Planbarkeit auf allen Seiten wurde zuletzt mehrfach kritisiert. So hatten sich Elternverbände zu Wort gemeldet und hatten den Corona-Unterricht als planlos und ungerecht bezeichnet. Von Seiten der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft hieß es, dass der "Schlingerkurs des Kultusministeriums" aufhören müsse.

Homeschooling braucht Werkzeuge

Eine Maßnahme, die das Ministerium als probat erachtet, um allen Zielsetzungen gerecht zu werden: Fernunterricht, neudeutsch Homeschooling. Ein Teil der Schüler wird dabei digital zuhause beschult, um so kleinere Gruppen vor Ort realisieren zu können. Das war so im Frühjahr. Angesichts der aktuellen Corona-Lage scheinen die Tendenzen in der Staatsregierung wieder in Richtung dieses Wechselunterrichts zu gehen - also Teilung der Klassen mit zeitversetzten Unterrichtseinheiten.

So weit scheint das sinnig und nachvollziehbar. Doch in der Praxis waren und sind Pädagogen, Schüler und Eltern mit vielerorts beziehungsweise flächendeckend gegebenen Problemen in Zusammenhang mit der IT-Infrastruktur konfrontiert. Gibt es überall an den Schulen WLAN-Anbindung? Fehlanzeige. Sind die Bandbreiten überall ausreichend? Fraglich. Sind zeitgemäße Endgeräte in genügend großer Zahl an allen Schulen vorhanden? Nicht wirklich. Sind alle Lehrkräfte entsprechend geschult...

Die Staatsregierung reagierte auf Missstände, die die Corona-Krise unter anderem beim Homeschooling aufgezeigt hatte, mit dem Schul-Digitalisierungsgipfel am 23. Juli 2020. Konkret wolle man die IT-Bildungsinfrastruktur verbessern und medienbezogene Lehrkompetenzen "professionalisieren", hieß es. Ein wichtiges Ergebnis: Ein Software-Paket für alle Schulen sollte möglichst rasch bereitgestellt werden. Denn letztlich stehen und fallen die Digitalbemühungen auch mit der Verfügbarkeit einer guten Arbeitsplattform, die die Zusammenarbeit zwischen Schülern und Lehrern auch jenseits des Klassenzimmers reibungslos ermöglicht. Eine solche Software sollte dabei eine Reihe von Anforderungen erfüllen, also etwa Videochat, verschlüsselte Kommunikationskanäle, Online-Speicher und die digitale Verteilung von Aufgaben aufweisen.

"BayernCloud" und "mebis"

Anstatt für kommerzielle Softwarelösungen entschied sich die Staatsregierung für die Anwendung "BayernCloud Schule". Die Arbeitsplattform soll laut Kultusministerium neben einem zentralen Identitätsmanagement, pädagogischen und administrativen Anwendungen auch einen virtuellen Arbeitsplatz umfassen, der die digitale Kommunikation und Kooperation sowohl im Bereich der Pädagogik als auch der Verwaltung erleichtern soll. Konkret spricht das Ministerium unter anderem von einer Dienst-E-Mail für Lehrkräfte, einem "WebOffice", einem Cloud-Speicher und Kommunikationsanwendungen wie Chats und Videokonferenzen. "mebis", das bayernweit seit 2014 verfügbare Portal für digitalen Unterricht, soll in die "BayernCloud Schule" integriert werden. "In einem ersten Schritt beginnt die Einrichtung von dienstlichen E-Mail-Adressen bereits im ersten Schulhalbjahr 2020/21", sagt der Sprecher. Die Inbetriebnahme der "BayernCloud Schule" laufe also bereits.

Wie stehen die Lehrkräfte nun etwa zu der bereits vorhandenen "mebis"-Lösung, die in die neue Plattform integriert werden soll? Kommunikation beim Lernen ist das Stichwort. Genau an dieser haperte es nicht nur während der Schulschließungen im Frühjahr. "Die Kommunikation im digitalen Klassenzimmer funktioniert bei mebis nicht, beziehungsweise niemand nutzt sie", sagt Benedikt Karl, Lehrer und Pressereferent beim Bayerischen Philologenverband. Für die Kommunikation nutzen Schüler und Lehrkräfte deshalb das eigens dafür zur Verfügung gestellte Microsoft Teams. "Trotzdem kann mebis viel", sagt Karl. "Aufgaben generieren und austeilen, Abgabefristen setzen und Feedback geben." Jeder Schüler habe einen Zugang und man befinde sich datenschutztechnisch in einem geschützten Raum." Sein bisheriges Fazit: "Ganz so schlimm war es dann doch nicht im Frühjahr. Und mittlerweile läuft es ja auch, weil sich sowohl Schüler als auch Lehrer mehr mit mebis auseinandergesetzt haben."

Weil "mebis" aber eben nicht alle nötigen Funktionen in der gewünschten Ausprägung bietet, brauche es ein System, dass alles kann. Für Benedikt Karl sollte es ein System sein mit nur einem einzigen Zugang und einfacher Benutzerführung, dass Kommunikation und Kollaboration zwischen Schülern und Lehrkräften in sich vereint.

Das augenfällige Problem: Es gibt diese neue Lösung noch nicht. Man ist momentan bemüht, sie aufzubauen.

Temporäre Lizenzen laufen aus

Läuft bis zur Einführung der neuen Arbeitsoberfläche die Kommunikation im digitalen Klassenzimmer also über eine Lösung wie Microsoft Teams? Der laufende Vertrag sei zu Beginn der Corona-Pandemie kurzfristig als Interimslösung eingerichtet worden, so das Kultusministerium auf idowa-Nachfrage. Die Lizenzen laufen aber Ende des Jahres aus, wie ein Ministeriumssprecher bestätigt. Ab 1. Januar soll wieder ein entsprechendes Tool bereitgestellt werden. Das Ministerium will den bestehenden Vertrag mit Microsoft verlängern, parallel wird an einer dauerhaften Videokonferenzlösung für Schulen gearbeitet. Mit Blick auf das laufende Beschaffungsverfahren könne man aber zu Letzterem keine Auskunft geben. Was zum neuen Jahr in den Schulen Einzug hält? Niemand scheint aktuell eine verbindliche Antwort zu haben.

Daneben könnte prinzipiell auch von anderer Seite Ungemach drohen: Klagen von anderen Anbietern von Kollaborationssoftware angesichts der Beschaffung von Microsoft Teams-Lizenzen ohne Ausschreibung. Aktuell befürchtet das Staatsministerium hier allerdings keine Probleme. Die Benutzung von Microsoft Teams sei aus vergaberechtlichen Gründen von Anfang an als temporäre Möglichkeit vorgesehen gewesen. "Die Rechtmäßigkeit der Vergabe zur Beschaffung der Microsoft Teams-Lizenzen wurde durch die Vergabekammer Südbayern bestätigt", stellt ein Sprecher des Kultusministeriums auf idowa-Nachfrage klar.

Doch wieso dann kein Pilotprojekt mit Office-Programmen, wie das in Baden-Württemberg? Das ist in Bayern derzeit nicht angedacht. Die Begründung des Ministeriumssprechers: "Wir konzentrieren uns auf Angebote, die allen Schulen zur Verfügung stehen und die dem flächendeckenden Grundbedarf entsprechen." Aha.

Ob ein weiterer möglicher Grund für die Entscheidung mit datenschutzrechtlichen Bedenken zu tun hat, blieb vonseiten des Ministeriums unbeantwortet. Erst vor wenigen Wochen haben Datenschützer der Länder und des Bundes festgestellt, dass ein datenschutzgerechter Einsatz vor allem beim Online-Softwarepaket von Office nicht möglich sei. Doch in Baden-Württemberg konnte der Landesbeauftragte für Datenschutz nach einer - wenn auch aufwendigen - Prüfung aller datenschutzrechtlichen Fragen grünes Licht für das Pilotprojekt geben. Wieso eine solche Prüfung, die wenigstens für datenschutzrechtliche Klarheit in Bayern sorgen könnte, nicht angedacht wird, bleibt offen.

Eines scheint aktuell klar: Eine landesweit eingerichtete, voll funktionsfähige und dauerhaft gedachte Kommunikations- und Kollaborationsplattform für Schüler, die allen die gleichen Voraussetzungen ermöglicht, scheint aktuell vor allem eines: Sie scheint in weiterer Ferne zu liegen.