Mein Sporterlebnis

Italienische Spieltagsansetzungen und ein leeres Stadion


Das Estadio Guiseppe Meazza, genannt "San Siro", ist die Spielstätte von Inter und AC Mailand.

Das Estadio Guiseppe Meazza, genannt "San Siro", ist die Spielstätte von Inter und AC Mailand.

Von Moritz Schmidtler

Von einem verpassten Spiel und der schwierigen Anreise zum San Siro in Mailand berichtet unser Leser Moritz Schmidtler in unserer Serie "Mein Sporterlebnis".

"But it was yesterday!” Dieser Satz des äußerst verwunderten Taxifahrers aus Parma brachte uns den Tränen nahe. Auf die Frage was uns in die Stadt führte, hatten wir geantwortet, dass der Grund dafür ein geplanter Besuch des Spiels Parma Calcio vs AS Cittadella sei.

Noch ehe wir uns nähere Gedanken über das unfassbare Ausmaß der eingangs erwähnten Aussage machen konnten, zückte selbiger sein Iphone, um uns darüber in Kenntnis zu setzen, dass das Spiel Parma vs Cittadella bereits am Vorabend 0:0 geendet hatte. Hier sei direkt zu Anfang erwähnt, dass die Spieltagsansetzungen des italienischen Verbandes FIGC schon den ein oder anderen Groundhopper in tiefe Verzweiflung gestürzt haben, dass wir allerdings eines Tages dazu gehören sollten, hätten wir wohl nie für möglich gehalten. Diesem Schlamassel entgehen kann man natürlich einfach, indem man eine Woche vor Antritt der Reise noch einmal die Spielpläne checkt und sich nicht einfach blauäugig auf die bereits vier Wochen zuvor gebuchten Trip begibt.

Trotz großer Enttäuschung war für uns klar, dass wir uns diesen Auflug davon nicht madig machen lassen wollten. Also machten wir uns kurzerhand zu Fuß auf in Richtung Stadio Ennio Tardini, welches zu unserer großen Verwunderung für die Öffentlichkeit zugängig war. So konnten wir uns immerhin ein Bild vom Stadioninneren machen, die frühsommerliche italienische Sonne genießen und die getrübte Stimmung etwas aufheitern. Ein zwar in die Jahre gekommenes italienisches Stadion, welches allerdings durch seine nahezu englisch anmutende Lage inmitten einer Wohnsiedlung und die durchaus imposant und steil angelegte Curva Nord punkten kann.

Zudem konnten wir uns in dem vereinseigenen Museum, welches sich im Innenraum des Stadions befindet, einen Überblick über Historie und zurückliegende Erfolge des Parma Calcio verschaffen. Auch wenn dieser Verein aktuell keine bedeutende Rolle mehr im italienischen Fußball spielt, muss jedem Fan klar sein, dass mit Gianluigi Buffon, Filippo Inzaghi, Fabio Cannavaro und weiteren Größen bereits etliche Weltstars die Fußballschuhe für diesen traditionsreichen Club geschnürt haben.

Diese mittelgroße Stadt im Norden Italiens ist defintiv einen Spaziergang durch die ruhige Altstadt wert, bei dem sich auf jeden Fall einige Möglichkeiten ergeben, das ein oder andere Heiß- oder Kaltgetränk zu sich zu nehmen.

Next Stop Mailand: AC Milan gegen SSC Napoli

Eigentlich eher dem Zufall geschuldet waren wir bereits so früh wach, dass wir schon um neun Uhr morgens am "Statione Principale di Parma" eintrafen. Somit konnten wir bereits einen früheren Zug nach Mailand nehmen. 130 Kilometer, 13-Euro-Ticket und ein pünktlich abfahrender Zug. Die Weiterreise verhieß zumindest anfangs, reibungslos von Statten zu gehen. Lediglich unser zufälliges Zeitmanagement war dafür verantwortlich, dass der plötzlich 15 Kilometer vor dem zentralen Hauptbahnhof Mailand mitten in der Pampa zum Stehen kommende Zug uns vorerst nicht aus der Reserve locken konnte. Als nach wenigen Minuten nun selbst die tiefenentspannten Italiener anfingen, ihrem weltberühmten Temperament freien Lauf zu lassen, begannen auch wir nervös zu werden. Circa 20 Minuten später dann folgte die erste Durchsage des Lockführers. Schnelles, unverständliches Italienisch half uns kaum weiter. Mit Jahre zurückliegenden Schulspanisch- und Französischkenntnissen konnten wir uns zumindest zusammenreimen, dass ein technischer Defekt für den Stillstand unserer Bahn verantwortlich war und wir bitte die Ruhe bewahren sollten.

Für uns war nur eines völlig klar: Auf keinen Fall durften wir das zweite Spiel dieses Trips verpassen. Komme was wolle, wir waren bereit alles zu tun, um zum San Siro zu gelangen. Als wir uns innerlich bereits damit abgefunden hatten, die Bahn nun aus dem Fenster verlassen zu müssen und "per Pedes" mithilfe von Google Maps zum nächsten Bahnhof weiterzuziehen, begann der Zug zu unserem Glück allerdings weiterzurollen. Dieser brachte uns nach knapp einer Stunde immerhin zu einem am äußerem Rande der Stadt gelegenen Bahnhof . Von dort aus war es möglich, mit der S-Bahn in das Zentrum von Mailand zu gelangen. Mit dem Taxi zum Hostel, schneller Check-In, dann mit dem nächsten Taxi zum Stadion. Grundsätzlich sind die öffentlichen Verkehrsmittel immer die bessere Wahl (man sieht bereits erste Fans, kommt locker mit Einheimischen ins Gespräch und nicht zuletzt ist es einfach deutlich preiswerter), allerdings ließ unsere Verspätung dies definitiv nicht mehr zu. Und so bissen wir in den sauren Apfel und ließen uns von einem schlecht Englisch sprechenden FC Internationale-Fan zum Giuseppe Meazza chauffieren.

Der Ticketkauf ist in Mailand prinzipiell problemfrei möglich, da das San Siro mit knapp 80.000 Plätzen außer bei Derbys eher selten ausverkauft ist. Jedoch kann man auch hier einiges falsch machen. Niemals anquatschen lassen, denn als Groundhopper, beziehungsweise deutscher Fußballfan ist man ohnehin schnell identifiziert. Zum einen, um Stress aus dem Weg zu gehen, zum anderen, um nicht horrende Summen in den Wind zu schießen, weil man mit einem gefälschten Schwarzmarkt-Ticket am Drehkreuz aufgrund falscher oder gar fehlender Barcodes nicht passieren kann.

Deshalb auf direktem Wege durch zum Ticketverkaufscontainer, Ausweis parat haben und leider Gottes nicht aufs Geld schauen. Das ist die Devise um uns Stadioninnere zu gelangen. Billigstes Ticket dieses Spieltages: 40 Euro. Oberrang, letzte Reihe unter dem Dach. Allerdings mit sensationellem Blick auf die Stadt sowie Curva Sud und Gästeblock. Wer das Stadion kennt, weiß um die offene Konstruktion mit fantastischem Panorama. Das 0,3-Liter-Heineken gibt es für fünf Euro. Auch hier werden die zentralen Unterschiede zum deutschen Fußball- bzw Stadionbesuch ein weiteres Mal klar. Am Ende stand es 0:0 und wir würden lügen, wenn wir behaupteten, dass es sich um einen sehenswerten Kick handelte. Vereinzelt unkoordinierte Pyrotechnik auf Seiten der Napoli-Fans und zwei gefühlt 90 Minuten dauer-pöbelnde neapolitanische Lehrbuch-Casuals zwei Sitze neben uns, waren da wohl der unterhaltsamere Teil des Stadionerlebnisses.

Nichtsdestotrotz lohnt sich ein Besuch dieses legendären Fußballtempels allemal, zumal aktuell ja unklar ist, wie lange es diesen in der Form noch geben wird. Das martialische Äußere, die Lage sowie der einzigartige parkhausähnliche Aufstieg zur Tribüne sollte jeder Fußballfan mal live erlebt haben. Mailand per se ist eine aus unserer Sicht völlig überlaufene, überteuerte und überbewertete Stadt, die abgesehen von wenigen Sehenswürdigkeiten etlichen anderen italienischen Städten in puncto Schönheit um einiges nachsteht. Allerdings nicht in Sachen Fußball, Traditionsvereine und Fankultur.