Corona-Pandemie

Bund will nach Impfstoff-Alarm für 2,2 Milliarden Dosen nachkaufen


Eine Ampulle des Impfstoffs "Comirnaty" des Herstellers Biontech/Pfizer für Kinder von fünf bis elf Jahren.

Eine Ampulle des Impfstoffs "Comirnaty" des Herstellers Biontech/Pfizer für Kinder von fünf bis elf Jahren.

Von mit Material der dpa

Lange gab es reichlich Impfstoff für nicht genug Impfwillige. Doch in die Sorge wegen der neuen Omikron-Variante platzt nun die Botschaft, dass zu wenig Dosen nachkommen. Löst sich der Alarm bald wieder auf? Die neue Regierung stellt mehr als zwei Milliarden Euro bereit.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) will nach einem überraschend bekannt gemachten Mangel an Corona-Impfstoffen für 2,2 Milliarden Euro Impfstoffe nachkaufen. Davon sollen 80 Millionen Dosen von Biontech über EU-Verträge sowie 12 Millionen Dosen direkt beschafft werden, wie sein Ministerium nach Einverständnis des Bundestags-Haushaltsausschusses am Mittwoch mitteilte. Zuvor hatte eine Inventur ergeben, dass in den ersten drei Monaten 2022 deutlich weniger Präparate ausgeliefert werden könnten als jetzt jede Woche gespritzt werden.

Ärzte reagierten alarmiert auf die Botschaft. Von SPD und FDP kam Kritik an Ex-Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Die Union nahm Spahn in Schutz und griff ihrerseits Lauterbach an. Der SPD-Politiker sagte, die neue Virusvariante Omikron bedeute große Herausforderungen. "Für schnelle Booster-Impfungen und mögliche Omikron-Impfungen benötigen wir schnell mehr Impfstoff."

Damit werden erste Schritte erkennbar, nachdem der neue Gesundheitsminister mit dem Ergebnis einer Bestandsaufnahme kurz nach Amtsantritt viele aufgeschreckt hatte. "Wir haben einen Impfstoffmangel für das erste Quartal", verkündete Lauterbach am Dienstagabend in den ARD-"Tagesthemen". Er arbeite bereits auf allen Kanälen daran, den Mangel zu beseitigen.

Doch wie viele Extra-Dosen werden wann und wofür gebraucht? Die nun geplanten zusätzlichen 92 Millionen Dosen geben Hinweise. In erster Linie gehe es darum, den Jahresbeginn vernünftig zu gestalten, erläuterte das Ministerium - und dann auch das ganze erste Quartal. In den Planungen zusammengebracht werden sollen mehrere, teils neue Aspekte: weiterhin breit angelegte Auffrischimpfungen mit Blick auf Omikron, aber auch Nachschub für die schon beschlossene Impfpflicht für Personal in Pflegeheimen und Gesundheitseinrichtungen sowie eine mögliche allgemeine Impfpflicht.

Ziele bis zum Jahresende

Weitgehend klar sind die Ziele bis Jahresende: Kanzler Olaf Scholz (SPD) bekräftigte das Ziel von bis zu 30 Millionen Erst-, Zweit- und Booster-Impfungen. Davon seien 19 Millionen geschafft. Auch Spahn hatte zugesichert, dass dieses Ziel nicht am Impfstoff scheitern werde und dafür noch extra Lieferungen organisiert. Mit Stand von Montag waren laut Ministerium knapp 19 Millionen ausgelieferte Dosen von Biontech und Moderna noch nicht als verwendet gemeldet. In den beiden Wochen vom 20. und vom 27. Dezember sollen insgesamt 22 Millionen Dosen nachkommen.

Zu den Aussichten für 2022 hielt sich das Ministerium noch bedeckt. Vom wichtigsten Lieferanten Biontech sollen - nach bisheriger Planung - in der ersten Jahreshälfte jeden Monat 12 Millionen Dosen kommen, aufgeteilt auf Erwachsenen- und Kinderimpfstoff. Ex-Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) sagte im TV-Sender Phoenix, er gehe davon aus, dass von den Lieferungen im alten Jahr "noch etwas ist, was Anfang nächsten Jahres auch genutzt werden kann". Wenn es hohe Impfbereitschaft gebe, müsse mit den Unternehmen geredet werden.

Tatsächlich läuft die lange stockende Impfkampagne auf Rekordtempo von zuletzt mehr als sechs Millionen Impfungen in einer Woche. Um ein ähnliches Niveau zu halten, könnte mehr Nachschub erforderlich sein. Der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen, nannte die Nachricht von Impfstoffmangel ein "fatales Signal". Die Deutsche Stiftung Patientenschutz forderte Lauterbach auf, die Fakten sofort auf den Tisch zu legen.

Kritik an der alten Regierung

Neuer Streit kochte umgehend hoch. "Statt verantwortungsvoll vorzusorgen, hinterlässt die Vorgängerregierung leere Vorratslager", sagte FDP-Gesundheitsexpertin Christine Aschenberg-Dugnus. Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) nannte den von Lauterbach festgestellten Mangel im ZDF "schwer irritierend". Die Vorgänger hätten da offensichtlich "nicht klar Schiff gemacht".

Für die Union sprang der neue gesundheitspolitische Sprecher Tino Sorge (CDU) in die Bresche. "Karl Lauterbach ruft Feuer, um dann Feuerwehr zu spielen - obwohl er weiß, dass es gar nicht brennt", schrieb er in einem Schreiben an seine Fraktionskollegen. Dies sei "ein durchsichtiges politisches Manöver, um die SPD von der Großen Koalition abzusetzen".

Im ersten Quartal 2022 seien bereits mehr als 16 Millionen Dosen von Biontech und Moderna pro Monat zu erwarten, erläuterte Sorge. Dies sei genug, um bei gut zwölf Millionen ungeimpften Erwachsenen noch Erst- und Zweitimpfungen machen zu können. Dass auch kurzfristig mehr Nachschub zu organisieren ist, hatte Spahn im Dezember noch selbst gezeigt - etwa mit vorgezogenen Lieferungen der Hersteller oder der Übernahme von Dosen, die andere EU-Staaten gerade nicht nutzen können.