Corona-Krise in Bayern

Ministerin Huml wusste deutlich früher von Corona-Testpanne


Melanie Huml (CSU) nimmt an einer Pressekonferenz teil. Foto: Peter Kneffel/dpa/Archivbild

Melanie Huml (CSU) nimmt an einer Pressekonferenz teil. Foto: Peter Kneffel/dpa/Archivbild

Von mit Material der dpa

Der Corona-Testärger im Freistaat kommt nicht zur Ruhe. Eine E-Mail belegt, dass die Größenordnung des Problems schon zwei Tage vor dem Bekanntwerden absehbar war. Für die Verantwortliche kein Skandal.

Die Corona-Testpanne an Bayerns Autobahnen war Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) deutlich früher bekannt als bisher dargestellt. Bereits am Montag der vergangenen Woche wurde das Ministerium per E-Mail darüber informiert, dass Zehntausende Reiserückkehrer auf ihre Testergebnisse warten, darunter mehrere Hundert Infizierte. Huml bestätigte am Dienstag auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur den Eingang der entsprechenden E-Mail, über die zunächst die "Süddeutschen Zeitung" berichtet hatte. Zugleich betonte sie aber, dass erst zwei Tage später klar wurde, dass das Problem nicht wie gehofft schnell lösbar war.

Öffentlich gemacht hatte Huml die Testpanne selbst bei einer Pressekonferenz am vergangenen Mittwoch. Dabei sagte sie auch, dass sie selbst erst am gleichen Morgen vom Ausmaß der Panne erfahren habe. Darauf angesprochen erklärte Huml am Dienstag, dass es ihr hier nicht um eine "Verschleierung" gegangen sei, vielmehr sei ihr in der E-Mail am Montag auch ein Lösungsansatz bis zum folgenden Dienstag präsentiert worden, wie das Problem behoben werden könne. Nachdem sich diese "Hoffnung" aber bis zum Mittwoch nicht bestätigte, "haben wir sofort gehandelt und die Öffentlichkeit informiert".

Huml sieht nichts "Skandalmäßiges"

Gründe für ihren Rücktritt sieht Huml wegen des Berichts nicht. Sie sehe daran nichts "skandalmäßiges", sagte sie der dpa. Es sei richtig gewesen, zunächst abzuwarten, ob die am Montag noch in Aussicht gestellte Lösung greife.

Dem Bericht zufolge erhielten unter anderem Humls Ministerbüro und ihr Amtschef am Montag um 12.30 Uhr die besagte E-Mail aus dem Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL). Darin berichtet das Laborunternehmen Eurofins, das die Corona-Tests für Reiserückkehrer an drei bayerischen Autobahnen auswertet, von massiven Problemen. Konkret ist die Rede von mehr als 40.000 Proben und 338 positiven Fällen, die noch nicht übermittelt werden konnten, zitiert die Zeitung aus den ihr vorliegenden E-Mails. Als Huml am Mittwoch dann öffentlich über die Panne informierte, waren die Zahlen auf 44.000 Proben und mehr als 900 Positivbefunde gestiegen.

Auf dpa-Nachfrage erklärte Huml zudem, dass sie auch Ministerpräsident Markus Söder erst am Mittwoch über die massiven Verzögerungen bei der Ergebnis-Übermittlung informiert habe. In der Sitzung des Kabinetts am Montagvormittag habe sie zwar bereits erklärt, dass es zu Problemen gekommen sei, jedoch sei ihr zu diesem Zeitpunkt die Dimension nicht bekannt gewesen. Sie habe in der Sitzung zudem erwähnt, dass es nicht ungewöhnlich sei, dass es bei solch neuen Abläufen anfangs zu Verzögerungen kommen könne.

Kritik von Grünen und SPD

"Der Umgang der Söder-Regierung mit dem Corona-Test-Debakel ist grob fahrlässig und brandgefährlich", sagte Grünen-Fraktionschefin Katharina Schulze. Statt sofort zu handeln und den Schaden zu begrenzen, setzten Söder und Huml eine Verschleierungsmaschinerie in Gang. "Was jetzt nach und nach ans Tageslicht kommt, zerstört das Vertrauen in das Krisenmanagement dieser Regierung noch weiter."

Die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Ruth Waldmann, sprach gar von einer "Katastrophe", weil positiv Getestete zwei Tage früher hätten gewarnt werden können. Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, sagte der dpa: "So verspielt Bayern die Vorreiterrolle im Kampf gegen Corona." Es gehe um Vertrauen, das sei das Wichtigste. Und dafür nötig sei Transparenz.

Am Mittwoch wird sich auch der Gesundheitsausschuss des bayerischen Landtags in einer Sondersitzung mit den massiven Problemen bei den Testergebnis-Übermittlungen befassen. Dann dürfte auch zur Sprache kommen, warum bis heute 46 der positiv Getesteten noch immer nicht ermittelt werden konnten. Ursache sind offenbar fehlende oder falsche Personendaten wie Telefonnummern. Die Chancen, dass dies noch klappen könnte, gelten als sehr gering. Wer sich auf das Virus testen lässt, muss seine Identität nicht nachweisen. Bislang unklar ist auch, aus welchen Bundesländern die positiv getesteten stammen.

In der Folge der Panne hatte es massive Kritik am Krisenmanagement der Staatsregierung gegeben - zwischenzeitlich hatte Huml Söder auch zweimal ihren Rücktritt angeboten. Dagegen wurde Andreas Zapf als Leiter des Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) abgelöst und ins Gesundheitsministerium versetzt. Die Kritiker sehen in der Eile, in der die Testzentren an Bahnhöfen, Flughäfen und Autobahnen aus dem Boden gestampft wurden, eine Pannenursache.

Teststationen auch an Bus-Bahnhöfen?

Aus Sicht der SPD im Landtag muss es auch an den Bahnhöfen für Fernbusse Teststationen geben. Weder in München noch in Nürnberg sei dies derzeit der Fall, sagte Waldmann der dpa. "Das halte ich für gefährlich, denn längst sind Fernbusse ein verbreitetes Reisemittel neben Flug, Bahn und Auto. In Bussen sitzt man eher eng beieinander, die Gefahr ist hier sicher nicht geringer." Zudem würden viele Busse aus Ländern kommen, die als Risikogebiete eingestuft sind.

Wie das LGL auf seiner Homepage mitteilte, sind in Bayern bisher 53.418 Menschen positiv auf das Coronavirus Sars-CoV-2 getestet worden (Stand Dienstag, 8.00 Uhr). Gestorben sind den Daten zufolge im Freistaat bislang 2629 Menschen, die sich mit dem Erreger infiziert hatten. Als genesen galten 48.640 Menschen - diese Zahl ist eine Schätzung. Der Wert an Neuinfektionen je 100.000 Einwohnern innerhalb von einer Woche ist aber nur im Landkreis Dingolfing-Landau über der kritischen Marke von 35 - hier hatte es in Mamming in einem Gemüsehof und in einer Konservenfabrik Corona-Hotspots gegeben.

Welches Risiko neue Infektionen bergen können, zeigte am Dienstag ein Fall in Bodenwöhr im Landkreis Schwandorf. Nachdem ein infizierter Mann nach seiner Italienreise an einer Party teilgenommen hatte, ohne sein Testergebnis abzuwarten, mussten 120 Kontaktpersonen in Quarantäne.