Beschränkungen wohl länger

Erstmals über 1.000 Corona-Tote am Tag


Ein Sarg wird aus einem Altenheim abtransportiert. Die Bundesregierung denkt über eine zentrale Gedenkveranstaltung für die Corona-Opfer nach.

Ein Sarg wird aus einem Altenheim abtransportiert. Die Bundesregierung denkt über eine zentrale Gedenkveranstaltung für die Corona-Opfer nach.

Von mit Material der dpa

Ein schnelles Zurück aus dem Lockdown gibt es nicht - darauf bereitet die Bundesregierung die Bürger nun vor. Zeitgleich gibt es Aufregung um die ersehnten Impfungen. "Richtig und wichtig" ist aus Sicht des Gesundheitsministers, Geimpften bestimmte Privilegien zu gewähren.

Erstmals sind in Deutschland innerhalb von 24 Stunden mehr als 1.000 Menschen im Zusammenhang mit dem Coronavirus gestorben. Die deutschen Gesundheitsämter meldeten dem Robert Koch-Institut (RKI) 1.129 neue Todesfälle. Das waren 167 mehr als vor einer Woche. Und das, obwohl das RKI vor den Weihnachtstagen mitgeteilt hatte, dass die aktuellen Zahlen nur bedingt mit den Werten der Vorwoche vergleichbar seien, da es zum Jahreswechsel hin mit weniger Meldungen von den Gesundheitsämtern rechnete. Angesichts dieser Zahlen müssen sich die Bürger auf eine Verlängerung der einschneidenden staatlichen Corona-Beschränkungen auch nach Fristablauf am 10. Januar gefasst machen.

Gesundheitsminister Jens Spahn stimmte darauf bereits ein und sagte am Dienstagabend in den ARD-"Tagesthemen", bei der Eindämmung der Pandemie sei Deutschland "bei weitem noch nicht da, wo wir hin müssen". Deshalb werde es nach dem 10. Januar "ohne Zweifel Maßnahmen geben". In welchem Umfang, müssten Bund und Länder bei ihrer geplanten Konferenz am kommenden Dienstag entscheiden.

Treffen von Merkel und Länderchefs am Dienstag

Der verschärfte Lockdown mit strengen Kontaktbeschränkungen, der Schließung der meisten Geschäfte, Schulen und Kitas sowie der schon länger geltenden Schließung von Restaurants, Theatern, Museen und anderen Freizeiteinrichtungen gilt zunächst bis zum 10. Januar. Am 5. Januar wollen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpräsidenten beraten, wie es anschließend weiter geht.

Das RKI meldete am Mittwochmorgen zudem nicht deutlich weniger Neuinfektionen als vor einer Woche. 22.459 Neuinfektionen wurden registriert, am vergangenen Mittwoch (23.12.) waren es 24.740 Neuinfektionen. Das RKI hatte vor Weihnachten für die Jahreswechseltage mit einer geringeren Zahl auch an Tests gerechnet. Seit Beginn der Pandemie wurden damit 1.687.185 nachgewiesene Infektionen mit Sars-CoV-2 in Deutschland (Stand: 30.12., 00.00 Uhr) registriert. Die Gesamtzahl der Menschen, die an oder unter Beteiligung einer nachgewiesenen Infektion mit Sars-CoV-2 gestorben sind, stieg auf 32.107.

Geduld bei Terminvergaben gefragt

Zu den Problemen bei der Terminvergabe für die Corona-Impfung sagte Spahn, zu Beginn ließen sich Wartezeiten in den Telefonleitungen leider nicht vermeiden. Er könne nur um Verständnis und Geduld bitten. Da jedes Bundesland ein anderes System habe, herrsche "etwas föderales Durcheinander".

Spahn trat erneut dem Eindruck entgegen, der Rest der Welt habe ganz viel Impfstoff und Deutschland habe weniger. "Wir beginnen alle unter den Bedingungen der Knappheit", sagte er. Auch Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble wies Vorwürfe zurück, die Bundesregierung habe für Deutschland nicht genug Corona-Impfstoffdosen gesichert. "Ich kann die Kritik zwar nachvollziehen, aber ich halte sie dennoch für falsch", sagte Schäuble der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Mittwoch). "Wir können unsere Ungeduld nicht zum Maß aller Dinge machen und den Menschen in ärmeren Weltregionen den Impfstoff wegschnappen."

Privilegien für reiche Länder?

Allerdings hatte die Hilfsorganisation Caritas international bereits am Montag darauf hingewiesen, dass die entwickelten Länder den Großteil der weltweiten Impfproduktion bereits reserviert hätten. Dabei lebten in diesen Ländern nur 14 Prozent der Weltbevölkerung. Die Organisation rechne damit, dass im kommenden Jahr in 70 ärmeren Ländern nur zehn Prozent der Bevölkerung geimpft werden könnten.

Die Debatte, ob Corona-Geimpfte bestimmte Privilegien wie etwa Zutritt zu Restaurants erhalten sollen, nannte Spahn "durchaus richtig und wichtig", wie er bei "Bild live" sagte. Der privat-gewerbliche Bereich habe in dieser Frage mehr Spielraum. Nach seinem juristischen Verständnis wäre etwa eine Pizzeria nur für Geimpfte "das, was möglich ist".

Im öffentlichen Bereich und bei der Daseinsvorsorge, also etwa in Krankenhäusern, Rathäusern oder dem öffentlichen Nahverkehr, könne man aus seiner Sicht aber keinen Unterschied zwischen Geimpften und Nicht-Geimpften machen. Er fügte hinzu, dass unklar sei, ob Geimpfte weiterhin andere anstecken könnten. Das mache "einen ganz entscheidenden Unterschied". Er empfehle, die Erkenntnisse dazu abzuwarten.

Bereitschaft für Impfungen soll steigen

Der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, rechnet damit, dass die Bereitschaft für eine Corona-Impfung in den kommenden Monaten steigt. "Für Geimpfte verliert die Pandemie ihren Schrecken, sie werden sich besser fühlen und entspannter sein. Das wird ansteckend sein, aber im positiven Sinne", sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Für eine Herdenimmunität ist mindestens eine Impfquote zwischen 65 und 70 Prozent nötig.

Wenn genügend Impfstoff zur Verfügung steht, dürfen Impfgegner nach Ansicht von Reinhardt aber nicht mehr mit der Rücksichtnahme der Gesellschaft rechnen. "Sie müssen mit dem Risiko leben, unter Umständen auch schwer an Covid-19 zu erkranken. Sie können die Gesellschaft nicht in Geiselhaft nehmen", sagte der Ärztepräsident.

Der Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung appellierte an alle Pflegekräfte hierzulande, sich gegen Corona impfen zu lassen. Je mehr Menschen geimpft werden, desto weniger Wirte finde das Virus und die Ausbreitung werde eingedämmt, sagte Andreas Westerfellhaus der "Rheinischen Post" (Mittwoch). "Und ich bin mir sicher, dass diese Einsicht auch die meisten Pflegekräfte haben und sich impfen lassen", sagte er. In Alten- und Pflegeheimen sterben zurzeit sehr viele Menschen an oder mit Covid-19.

Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach wies darauf hin, dass Pflegepersonal nach dem Infektionsschutzgesetz auch zur Impfung gezwungen werden könnte. "Aber die Bundesregierung hat versprochen, dass es keine Impfpflicht geben wird. Dabei wird es bleiben, und das ist auch richtig", sagte Lauterbach der "Rheinischen Post".