"Was machen Sie denn da?" Katharina Wörle hat diese Frage schon oft gehört in diesem Sommer. Gemeinsam mit einer Kollegin hat sie viele Tage auf Brücken im Freistaat verbracht, um das Wasser in den Flüssen zu untersuchen. Dieses Mal steht sie auf einer Ammerbrücke im oberbayerischen Weilheim. Ihr Forschungsprojekt: Mikroplastik, kleinste Plastikteile, die für das menschliche Auge unsichtbar sind.
Bayern Chemikerin sucht in Flüssen nach Mikroplastik
Wenn sie erzählt, was genau sie da macht, bleiben die Leute oft lange stehen und regen sich auf über die unsichtbaren Kunststoffe, über Plastik im Allgemeinen. "Manchmal wird auch geschimpft, wenn eine von uns eine Plastikflasche dabei hat", sagt Wörle. "Dabei versuche ich, Plastik im Alltag zu vermeiden, so gut es geht."
Wie aus dem im März dieses Jahres veröffentlichten Fünf-Länder-Bericht "Mikroplastik in Binnengewässern Süd- und Westdeutschlands" hervorgeht, sind in den bislang getesteten bayerischen Flüssen Donau, Isar, Inn und Altmühl im Schnitt zwischen 31 und 78 Mikroplastikpartikel pro Kubikmeter an der Oberfläche gefunden worden. Messungen am Boden und am Ufer stehen noch aus - ebenso fehlen noch Vergleichswerte, um die bayerischen Messergebnisse überhaupt einschätzen zu können.
Derzeit gehen die Wissenschaftler vom bayerischen Landesamt für Umwelt (LfU), die ebenso wie die Universität Bayreuth an der Studie beteiligt waren, davon aus, dass es in bayerischen Flüssen nicht mehr oder weniger Plastik gibt als in anderen europäischen und nordamerikanischen Gewässern. Es sei von "einer zivilisatorischen Grundbelastung der Gewässer mit Mikroplastik auszugehen", sagt ein Sprecher.
Erst kürzlich stellten die Grünen im Münchner Stadtrat eine Anfrage über den Zusammenhang zwischen dem Abrieb von Autoreifen und Mikroplastik in der Isar. Denn im Großraum München steigt die Konzentration von Mikroplastik in der Isar laut Fünf-Länder-Bericht deutlich - von 8,3 Partikeln pro Kubikmetern in Baierbrunn südlich von München auf 87,9 pro Kubikmeter in Moosburg nordöstlich der bayerischen Landeshauptstadt. "Eine der Ursachen für diesen massiven Anstieg der Konzentration ist beim Straßenverkehr zu suchen", meinen die Grünen.
Für ihr Forschungsprojekt, das an den Länderbericht anschließt, untersuchen die 32 Jahre alte Chemikerin Wörle und ihre Kollegen vom LfU nun die kleineren Flüsse im Donaugebiet auf ihre Belastung mit kleinsten Plastikteilen. "Wir wollen erfassen, wie viele Partikel da jeweils unterwegs sind." Die Ammer, die Loisach, die Würm und die Amper hat Wörle schon untersucht.
Obwohl Wörle den heißen Sommer auf bayerischen Brücken verbracht hat, auf denen es selten Schatten gibt, bekommt sie von Flüssen nicht genug. In ihrer Freizeit fährt sie am liebsten Kanu. "Irgendwie", so sagt sie, "hatte ich schon immer eine große Leidenschaft für Flüsse."
Sie leistet mit ihren Messungen Pionierarbeit. Denn obwohl Mikroplastik derzeit eins der am heftigsten diskutierten Umweltthemen ist, fehlen noch flächendeckende, konkrete Untersuchungsergebnisse. Wörle will das ändern und entnimmt dafür mit einem langen Plastikschlauch Wasser aus dem Fluss, das in einer beeindruckenden Vorrichtung gefiltert und später im Labor eingehend untersucht wird: "Ist das Plastik oder ein Kleinkrebs?"
Der Schlauch des Apparates ist dabei aus einer ganz speziellen Plastikart gefertigt, die im Alltag selten vorkommt und darum im Labor von den Partikeln im Fluss unterschieden werden kann, damit die Messergebnisse nicht verfälscht werden.
"Mikroplastik zu untersuchen ist eigentlich völlig absurd", sagt Wörles Kollege Korbinian Freier, Geoökologe am LfU. "Denn feinste Plastikpartikel sind einfach überall - auch in der Luft. Wir arbeiten darum mit Sicherheitsvorkehrungen, wie sie sonst nur Virologen brauchen, die mit gefährlichen Virenstämmen arbeiten."
Was Wörle und ihre Kollegen machen, ist Teil eines großen Projektes des Bundesforschungsministeriums und soll in einen Bund-Länder-Bericht über die Belastung der deutschen Flusslandschaft mit Mikroplastik münden. "Man weiß noch nicht, wie schädlich Mikroplastik ist, wenn es sich beispielsweise im menschlichen Körper ablagert", sagt Freier. "Aber schlimm ist, dass wir das Zeug überall finden und dass es inzwischen keinen Ort mehr auf der Welt gibt, an dem der Mensch seine Spuren nicht hinterlässt."
Der Hauptgrund für die Belastung des Flusswassers mit Plastik liegt auf der Hand: achtlos weggeworfener Plastikmüll. Tüten und Flaschen zersetzen sich mit Hilfe von UV-Strahlen oder weil sie mit dem Fluss mitgerissen werden und sich abscheuern. Zwar ist es nach Angaben der Wissenschaftler theoretisch möglich, Plastik auch im Nachhinein wieder aus dem Wasser herauszufiltern. Das sei aber ungleich aufwendiger, als den Müll einfach anständig zu entsorgen.
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