Sprache ist kein Hindernis

Taizé: Eine Metropole in der Pampa


Während der Gebete herrscht eine besondere Stimmung in der Kirche.

Während der Gebete herrscht eine besondere Stimmung in der Kirche.

Von Redaktion idowa

"Treffen sich ein Portugiese, ein Chilener und eine Deutsche beim Mittagessen..." Was klingt wie der Beginn eines Witzes, ist in Taizé ganz normal. In dem kleinen französischen Dorf kommen jeden Sommer Jugendliche aus vielen Ländern der Erde zusammen. Grund dafür: ein Kloster, das junge Menschen willkommen heißt, unabhängig von Herkunft, Konfession, Sprache und Kultur. Doch so unterschiedlich die Menschen auch sind, der Tagesablauf ist für alle gleich.

Früh am Morgen kommt langsam Leben in die Baracken und Zelte. Die Bewohner strecken sich in ihren Schlafsäcken. Immer mehr rührt sich in der "Zeltstadt" auf den Wiesen rund um Taizé. Scharen von jungen Leuten machen sich auf zum Morgengebet. Langsam füllt sich die Kirche, die auf den ersten Blick wenig an eine solche erinnert. Der gemütliche Raum ist mit weichem Teppichboden ausgelegt. Er fällt nach vorne zum Altar hin ab, damit jeder einen guten Blick hat. Alle sitzen auf dem Boden. In der Mitte der Kirche haben sich bereits die Brüder der Communauté versammelt.

Communauté wird die Gemeinschaft der Brüder von Taizé genannt. Sie wurde von Frère Roger in den 40er-Jahren ins Leben gerufen. Heute zählt die Gemeinschaft etwa 100 Mitglieder aus über 25 Ländern. Sie soll ein Zeichen für die Versöhnung unter den Menschen sein.

Ein Pater stimmt das erste Lied an: "Cantai todos os povos, louvai nosso Senhor." (auf Deutsch: Lobt ihr Völker alle, lobsingt und preist den Herrn). Wer kein Portugiesisch kann, singt den Text einfach in einer anderen Sprache mit oder wartet auf die nächsten Lieder: deutsche folgen auf lateinische, niederländische, französische und italienische. Nach dem Gebet gibt es erst einmal Frühstück. Gleichgesinnte von allen Kontinenten sitzen unter den großen Zelten versammelt, unterhalten sich und lernen neue Leute kennen. Viele Freundschaften gehen nach der Woche nicht wieder verloren, sondern überdauern Wochen, Monate, manchmal Jahre. "Das ist das Schöne an Taizé: Am Anfang hatte ich Zweifel, was die täglichen Gebete angeht. Doch nach zwei oder drei Tagen habe ich den Sinn verstanden. Hier kann ich die Welt ausblenden, abschalten, die Zeit genießen", sagt Beatriz aus Portugal.

Satt und zufrieden machen sich die Jugendlichen auf zu ihrer "Reflection Group". In Gruppen von circa zehn Leuten unterschiedlicher Herkunft wird diskutiert, interpretiert und philosophiert. Jeden Tag gibt es eine neue Bibelstelle. Manchmal werden aber auch einfach Erfahrungen, Kochrezepte und Witze ausgetauscht. Wenn noch Zeit bis zum Mittagsgebet bleibt, wird diese für eine Partie Volleyball genutzt. Da lässt sich sogar mal eine Gruppe italienischer Franziskaner-Mönche zum Mitspielen begeistern.

Ora et labora - bete und arbeite

Beim Mittagsgebet bleibt wieder viel Zeit zum Nachdenken, Nichtstun und Runterkommen. Nach dem Gebet wartet neben dem Mittagsessen auch ein freundliches "Enjoy your meal". Im Laufe des Tages geht jeder seiner Arbeit nach, die er sich ausgesucht hat: Müll sammeln, im Kiosk verkaufen, Boden wischen und noch viel mehr. So spart sich die Communauté viel Personal und für die Gäste wird der Aufenthalt günstiger. Die Putz-Truppe singt dabei immer einen Motivations-Song: "What shall we do with the dirty showers all around in Taizé? Hey, ho let's go clean them!"

Auch die Brüder der Communauté arbeiten den Tag über. Sie nehmen weder Erbschaften noch Spenden an. Ihren Lebensunterhalt bestreiten sie nur durch ihre eigene Arbeit. Die Brüder betreiben eine eigene Töpferei und verkaufen in einem kleinen Laden Geschirr, Schmuck und Postkarten. Außerdem gibt es CDs, DVDs und Liederbücher. Weltweit kämpft die Communauté gegen die Armut. Sie hilft vor allem benachteiligten Kindern.
Nach dem Essen folgt das dritte Gebet des Tages: "Bei dir ist das Licht, du vergisst mich nicht." Ein schönes, ruhiges Lied. Die ausgelassene Stimmung schlägt ins Nachdenkliche um. Es gibt keinen festen zeitlichen Rahmen, ein Lied folgt auf das andere, das Ende ist offen. Während einige noch lange in der Kirche sitzen bleiben, machen sich die meisten auf in Richtung "Oyak", das zur Communauté gehörende Café. Es wird gefeiert, getanzt und gesungen. Portugiesische Spiele folgen auf italienische und niederländische. Etwas abseits hat sich eine kleine Gruppe um einen Gitarristen versammelt. Sie singen: "Weilst a Herz hosd wie a Bergwerk, weilst da Wahnsinn bist fia mi, steh i af di". "What does it mean in English?", fragt die Portugiesin. "You've got a heart like a pit and you're just the best for me". Sie schaut etwas irritiert, gibt sich aber mit der Antwort zufrieden. Andere Länder, andere Sitten. Und andere Lieder.

Rebecca Fisch aus Bogen war vergangenes Jahr eine Woche in Taizé in Frankreich. Dort hat sie auch ihre Taizé-Kette gekauft.

Rebecca Fisch aus Bogen war vergangenes Jahr eine Woche in Taizé in Frankreich. Dort hat sie auch ihre Taizé-Kette gekauft.