In Zeiten von WhatsApp und Co.

Redst du no Boarisch? So wichtig ist Jugendlichen ihr Dialekt


Wie wichtig ist Jugendlichen ihr Dialekt?

Wie wichtig ist Jugendlichen ihr Dialekt?

Sprache im Chat soll kurz und knapp sein. Neben Abkürzungen spart auch der Dialekt Buchstaben. Deshalb taucht er in WhatsApp und Co. immer häufiger auf. Das bestätigt ein Dialekt-Experte. Doch wird die Mundart auch noch gesprochen? Veronika, Christina, Maximilian und Daniel sind sich einig: Auf jeden Fall!

Bairisch in unserer Region

In unserer Region verläuft die so genannte L-Linie. Sie grenzt das Nord- und das Mittelbairische ab. Die Linie heißt so, weil der Buchstabe L verschieden ausgesprochen wird. Im Nordbairischen wird er nicht beziehungsweise nicht vollständig vokalisiert. Das heißt das L wird im Dialekt normal gesprochen. Im Mittelbairischen wird das L dagegen schon vokalisiert. Der Buchstabe verwandelt sich in ein a, e, i, o oder u bei der Aussprache. Es gibt aber Übergangsräume. Dort vermischen sich die Aussprachen.

Ein paar Beispiele:

Holz: nordbairisch "Hulz", mittelbairisch "Hoiz"
Wald: nordbairische "Wold", mittelbairisch "Woid"
viel: nordbairisch "vül", mittelbairisch "vui"

Vier Jugendliche stellen sich und ihren Dialekt vor. Ein Dialektexperte gibt seine Einschätzungen. Die Interviews gibts unten zum Durchklicken!

Veronika aus Pemfling: "Interessant neue Wörter zu hören"

Warum ist dir dein Dialekt wichtig?

Weil er mich auszeichnet. Ich bin damit aufgewachsen und auch stolz darauf, den Oberpfälzer Dialekt zu sprechen. Ich finde es wichtig, Dialekte zu erhalten. Das geht am besten, wenn man sie so oft wie möglich spricht.

Was macht für dich Dialekt aus?

Dialekt ist für mich eigentlich wie "a dahoam". Wenn man meine Sprache versteht, fühle ich mich wohl. Dann weiß ich nämlich, dass ich mich nicht verstellen muss. Ich finde es interessant, dass jede Region ihren eigenen Dialekt hat und oft kann man Personen anhand eines einzelnen Ausdrucks oder Wortes schon ihrem Heimatort zuordnen.

Wie wichtig ist Dialekt in deinem Freundeskreis?

In meinem Freundeskreis sprechen alle Dialekt. Da in meiner Schule Schüler aus dem ganzen Landkreis sind, ist es immer wieder interessant, neue Wörter zu hören. Manchmal lachen wir uns auch über die Ausdrucksweise der anderen kaputt oder machen uns über ein Wort lustig, das wir zum ersten Mal hören.

Wie geht es dir in deiner Schule mit dem Dialekt?

Im Unterricht sprechen wir eigentlich alle Dialekt. Außer bei den Lehrern, die wirklich nur hochdeutsch verstehen. Da versuche ich dann auch, weniger bairisch zu reden. Ehrlich gesagt, fällt mir das aber oft sehr schwer. Bei Referaten sollen oder dürfen wir natürlich auch nicht im Dialekt reden. Manchmal drifte ich aber unbewusst vom Hochdeutschen ab. Das macht zwar gelegentlich einen Punkt bei der Bewertung aus, aber eine schlechtere Note habe ich deswegen noch nicht bekommen.

Christina aus Moos: "Dialekt ist eine Art Schlüssel"

Warum ist dir dein Dialekt wichtig?

Ich zeige damit jedem, dass ich mich auf keinen Fall für meine niederbayerische Heimat schäme, sondern mich mit Leib und Seele mit ihr verbunden fühle. Darum finde ich es ziemlich schade, wenn manche Eltern den eigenen Dialekt nicht mehr an ihre Kinder weitergeben, weil sie befürchten, ihre Sprösslinge könnten damit Nachteile in der Schule bekommen. Doch in Wirklichkeit ist das Gegenteil der Fall: Wer bairisch spricht, beherrscht automatisch eine "Sprache" mehr.

Was macht für dich Dialekt aus?

Ich finde, Dialekt ist nicht nur ein Mittel zur Verständigung, sondern stellt eine Art Schlüssel dar, der einem das Tor zu dem besonderen Lebensgefühl einer Region öffnet. In Niederbayern spiegelt sich das zum Beispiel in der Volks- und Blasmusik, in der Mentalität der Menschen, der deftigen Kost und dem süffigen Bier sowie den typischen Festen, sowohl im kirchlichen als auch im weltlichen Bereich, wider.

Wie wichtig ist Dialekt in deinem Freundeskreis?

In meinem Freundeskreis wird sehr großen Wert auf Dialekt gelegt. Im Gegensatz zu noch vor ein paar Jahren, wo junge dialektsprechende Leute von Altersgenossen oft belächelt wurden, ist bei der heutigen Jugend Heimatverbundenheit glücklicherweise wieder sehr in. Ich beobachte auch zufrieden, dass besonders die unverfälschte Anwendung des Dialektes immer größeren Raum einnimmt. "Ich habe mir gedacht" heißt nun einmal "I hob ma denkt" und nicht "I hob ma dacht"!

Wie geht es dir in deiner Arbeit mit dem Dialekt?

Da ich in der niederbayerischen Niederlassung einer Firma arbeite, die ihren Ursprung in Österreich hat, ist Dialekt bei mir in der Arbeit sozusagen Standard. Das gilt im Regelfall ebenso bei den Vorgesetzten. Mit Kunden, die des Bairischen nicht mächtig sind, bemühe ich mich selbstverständlich um ein einigermaßen schönes Hochdeutsch.

Maximilian aus Altdorf: "Dialekt ist etwas Einmaliges"

Warum ist dir dein Dialekt wichtig?

Ich finde Dialekt sehr wichtig, da durch das Sprechen die Traditionen Bayerns beibehalten werden. Außerdem finde ich es sehr wichtig, dass unser Dialekt weiterhin von möglichst vielen Menschen gesprochen wird, da er sonst eines Tages ausstirbt.

Was macht für dich Dialekt aus?

Durch den Dialekt bekennt man sich zu seiner Heimat. Außerdem kann man sich innerhalb Deutschlands auch einen gewissen Wiedererkennungswert verschaffen. Dialekt zu sprechen, ist etwas Einmaliges.

Wie wichtig ist Dialekt in deinem Freundeskreis?

Dialekt zu sprechen, spielt auch in meinem Freundeskreis eine große Rolle, da die meisten meiner Freunde auch Dialekt sprechen.

Wie geht es dir in deiner Schule mit dem Dialekt?

In der Schule ist es erlaubt, Dialekt zu sprechen, jedoch tue ich das meistens nicht. In Aufsätzen schreibt man ja zum Beispiel auch nicht Dialekt, deswegen gewöhne ich mir das gar nicht an, in der Schule Dialekt zu sprechen. Aber viele von meinen Freunden reden auch dort Bairisch. Einige Lehrer sprechen Dialekt mit uns, die meisten reden aber Hochdeutsch. Meine Referate halte ich auch in Hochdeutsch. Die Lehrer finden es meistens besser, wenn wir Hochdeutsch sprechen.

Daniel aus Salching: "Mein Gegenüber weiß, wo ich herkomme"

Warum ist dir dein Dialekt wichtig?

Der niederbairische Dialekt, besonders der aus dem Gäuboden, ist mir besonders wichtig, da ich mich durch ihn mit meiner Heimat verbunden fühle und dadurch auch mein Gegenüber weiß, wo ich herkomme.

Was macht für dich Dialekt aus?

Dialekt gestaltet sich für mich durch die Individualität der verschiedenen und auch "besonderen" Begriffe. Viele Wörter aus der Schriftsprache klingen im Dialekt ganz anders. Dadurch ist der Dialekt für mich einzigartig.

Wie wichtig ist Dialekt in deinem Freundeskreis?

Da die meisten meiner Freunde auch im Dialekt sprechen, spielt er im Freundeskreis eine große Rolle. Zum besseren Verständnis habe ich aber auch nichts dagegen, mal Hochdeutsch zu sprechen.

Wie geht es dir in deiner Schule und Arbeit mit dem Dialekt?

In der Schule und in der Arbeit sprechen Mitschüler und Arbeitskollegen Dialekt. Bis auf Referate oder wichtige Vorträge, ist der Dialekt dort immer vertreten und verbindet uns gemeinsam.

Interview mit Dialektexperte Sepp Obermeier: "Dialekt ist nichts Besonderes"

Englisch lernt jeder in der Schule. Dabei ist das nicht die erste Fremdsprache, denn den eigenen Dialekt lernt jeder. Dieser hilft später bei neuen Sprachen. Deshalb findet Sepp Obermeier: Dialekt muss mehr gefördert werden. Der 59-Jährige ist Dialekt-Experte und Vorsitzender des Bundes Bairischer Sprache. Mit seinem Verein setzt er sich für die Mundart ein und verleiht jedes Jahr am Straubinger Volksfest die Bairische Sprachwurzel - ein Preis für prominente Dialektsprecher. Im Gespräch erklärt Sepp Obermeier, warum Dialekt wichtig ist.

Herr Obermeier, sprechen Jugendliche denn heute noch Dialekt?

Sepp Obermeier: Es werden immer weniger. Ich schätze, dass nur noch etwa 20 Prozent der Kinder und Jugendlichen in unserer Region Dialekt sprechen. Ein neues Dialektbewusstsein kommt gerade durch WhatsApp und Facebook auf. Da der Dialekt ja meist kürzer ist als Standarddeutsch, schreiben viele Jugendliche auf Bairisch mit ihren Freunden. Aber es wird dort meist nur geschrieben und nicht gesprochen.

Woran liegt es, dass immer weniger Jugendliche Dialekt sprechen?

Das hat viel mit der Schule und dem Kindergarten zu tun. Aber auch mit der Familie. Früher war die Mundart an Schulen verpönt. Es war sogar ein Zeichen mangelnder Intelligenz. Alle Kinder sollten Standarddeutsch sprechen. Mittlerweile hat sich das zum Glück geändert. Der Dialekt wird als eigenständiges Sprachsystem toleriert. Dass in der Schule aber vorwiegend Standarddeutsch gesprochen wird, ist immer noch so. Genauso wie im Kindergarten. Wenn ein Kind hier Dialekt spricht, die anderen Kinder aber nicht, fühlt es sich ausgeschlossen und wird den Dialekt bald nicht mehr beachten. Doch gerade das Bairische ist eine sehr bildhafte Sprache. Damit kann man noch viel mehr ausdrücken als im Standarddeutschen. Das hilft auch in der Schule, zum Beispiel bei einem Deutsch-Aufsatz.

Warum ist denn Dialekt so wichtig?

Dialekt ist eine wichtige Grundlage für Mehrsprachigkeit. Denn durch den Dialekt lernt man bereits im Kindesalter eine zweite Sprache. Das macht es später leichter, zwischen Sprachen zu wechseln. Bis zum zehnten Lebensjahr kann man eine Fremdsprache noch akzentfrei und authentisch erlernen, deshalb ist es entscheidend, dass der Dialekt im Elternhaus gefördert wird. Durch den Dialekt zeigt man auch, dass man selbstbewusst ist. Man gibt dadurch seine sprachliche Visitenkarte ab und zeigt, wo man herkommt. Verstanden wird man auch so gut wie überall. Dialekt wirkt aufrichtig, ehrlich und authentisch. Bei einem bayerisch verwurzeltem Betrieb macht es auch einen guten Eindruck, wenn man im Bewerbungsgespräch Bairisch spricht. Das ist kein Defizit, sondern macht Eindruck und ist eher eine Zusatzkompetenz. Dadurch, dass man selbst Dialekt spricht, zeigt man auch, dass man aufgeschlossen gegenüber anderen Kulturen ist.

Was ist für die Zukunft wichtig, dass der Dialekt wieder mehr wertgeschätzt wird?

Es wird entscheidend sein, was im vorschulischen Bereich passiert. Denn Dialekt kann man später nicht mehr erlernen. Es ist wichtig, dass Dialekt auf einer Augenhöhe mit der Hochsprache gesehen wird. Denn eine Sprache stirbt aus, wenn sie sozial nicht angesehen ist. Dialekt ist nichts Besonderes. Er wird einfach ganz normal geredet und man sollte davor keine Berührungsängste haben.

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So ist der bairische Dialekt in unserer Region verteilt.

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Veronika ist 17 Jahre alt und kommt aus Pempfling im Landkreis Cham.

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Christina ist 20 Jahre alt und kommt aus Moos im Landkreis Deggendorf.

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Maximilian ist 16 Jahre alt und kommt aus Altdorf im Landkreis Landshut.

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Daniel ist 22 Jahre alt und kommt aus Salching im Landkreis Straubing-Bogen.

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Sepp Obermeier.