Viel nachts unterwegs

Ein elektrisierendes Hobby: Tobias Hartl ist Gewitterjäger


Wenn dunkle Regenwolken aufziehen, die ersten Blitze zucken und der Donner erschallt, verschanzen sich die meisten Menschen in ihren Häusern. Doch für Tobias Hartl beginnt in diesem Moment am Himmel gerade ein faszinierendes Naturschauspiel, das er mit seiner Kamera einfängt. Der 22-Jährige ist Gewitterjäger.

Auslöser für das außergewöhnliche Hobby war ein schweres Unwetter, das im Jahr 2011 von Baden-Württemberg in den Landkreis Regen zog. "Damals habe ich noch mit dem Handy fotografiert", erinnert er sich. Seit seiner ersten "Jagd" ist Tobias "leicht infiziert". Inzwischen schießt er die Fotos mit einer Spiegelreflexkamera Canon 650D. Gewitter haben ihn schon immer interessiert. Das Naturschauspiel hat es ihm einfach angetan. "Das ist eine Gewalt, die Menschen nicht beeinflussen können", sagt er. Und überhaupt ist er gerne draußen in der Natur.

Bevor sich Tobias Hartl aber auf die Jagd macht, studiert er seine Wetterkarten im Internet. Vier bis fünf Tage vorher beginnt die Planung mit einer ersten Einschätzung der Wetterlage. Wichtigstes Utensil seiner Ausrüstung ist neben der Kamera mit verschiedenen Objektiven und dem Stativ das Radar. "Aussagen über den konkreten Ort und das Ausmaß des Gewitters lassen sich aber erst wenige Stunden vorher treffen", erklärt Tobias. Deshalb könne es schon mal passieren, dass man bis nach Augsburg fährt und kein einziges Foto schießt.

In der Regel knipst der angehende Baustoffprüfer aus Kirchberg im Wald jedoch zwischen 100 und 700 Fotos pro Nacht. "Das kommt ganz darauf an, wie fotogen das Gewitter ist", sagt er und grinst. Wichtig für gute Aufnahmen sei vor allem eine passende Stelle, am besten eine kleine Erhebung. Spannend findet der 22-Jährige neben den Blitzen die Struktur des Gewitters mit den unterschiedlichen Wolkentypen. Mittlerweile hat er fast 18 000 Bilder aufgenommen. "Gelöscht wird keines", versichert er. Dafür legt der Gewitterjäger im Jahr zwischen 15.000 und 20.000 Kilometer mit seinem alten VW Passat zurück.

Aus dem Hobby ist eine Leidenschaft geworden

Zunächst jagte er in den Landkreisen Regen, Freyung-Grafenau, Deggendorf und Straubing. 2014 war Tobias bayernweit unterwegs, später konzentrierte er sich auf den süddeutschen Raum. Nun fährt er sogar bis nach Thüringen oder Hessen sowie in die Nachbarländer Österreich und Tschechien. Sein Wagen hat inzwischen schon 250.000 Kilometer auf dem Buckel.

Familie und Freunde waren am Anfang sehr skeptisch, was die langen Fahrten in der Nacht und die hohen Spritkosten betrifft. Doch nach und nach haben sie sich damit abgefunden - vor allem wenn sie die einzigartigen Aufnahmen sehen. "Ich bekomme viel Lob, meine Fotos sind begehrt", erzählt Tobias.

Aus dem Hobby ist mittlerweile eine Leidenschaft entstanden - mit neuen Zielen: "Ich will einen Tornado in den USA erleben. Das ist mein Traum", schwärmt er. Außerdem hofft er auf eine Windhose in Deutschland. "Das ist gar nicht so unwahrscheinlich, wie alle denken", sagt Tobias. Ist das nicht viel zu gefährlich? Darauf meint er: "Respekt vor dem Wetter habe ich schon, aber keine Angst." Sicherheit sei ihm wichtig, mitten in ein Gewitter würde er sich nicht stellen.

Im Internet schließen sich "Storm Chaser" in Communitys zusammen. Wie in anderen Foren tauschen sich die Gewitterjäger dort aus und verabreden sich manchmal zu Shootings. "Ich bin jedoch zu 95 Prozent allein unterwegs. Das ist einfacher", sagt Tobias. Auf Tour geht es meist am späten Nachmittag. Dauern kann die Jagd auch mal bis zum Morgengrauen. "Und dann gehe ich selbstverständlich wieder in die Arbeit", betont er.

Momentan sei es etwas ruhiger. Die Hochsaison ist vorbei. Die meisten Gewitter ereignen sich nämlich im Frühsommer. "Mai, Juni, Juli sind die besten Monate", zählt er auf. Aber auch der Herbst bot mit seinen Sonnenaufgängen herrliche Motive. Und vielleicht bekommt der 22-Jährige ja bald den ein oder anderen Schneesturm vor die Linse.