[Frei]stunde!

Ecce Lena!


Einen "Sturm der Liebe" entfacht hat Magdalena Neuner schon oft beim deutschen Sportpublikum. Ihr schauspielerisches Talent stellte die Biathletin jüngst in der gleichnamigen ARD-Vorabendserie unter Beweis. Foto: dpa

Einen "Sturm der Liebe" entfacht hat Magdalena Neuner schon oft beim deutschen Sportpublikum. Ihr schauspielerisches Talent stellte die Biathletin jüngst in der gleichnamigen ARD-Vorabendserie unter Beweis. Foto: dpa

Lena ist die Beste. Im Biathlon sowieso. Die Erfolge bei Weltmeisterschaften und Weltcups, die Triumphe bei Olympischen Spielen sprechen für sie und für sich. Aber das ist hier gar nicht gemeint. Lena ist die Beste, die Allerbeste in der Außendarstellung, in der Außenwirkung.

Wer dem hübschen blonden Mädel schon mal gegenüber saß, wer während eines guten Gesprächs schon mal tief in ihre strahlend blauen Augen geschaut hat, der weiß, wovon die Rede ist. Magdalena Neuner fällt aus dem Rahmen. Sie hat das gewisse Etwas. Sie hat Charme, Charisma und Chuzpe.

In seinem doch nun schon ein bisschen längeren Journalistendasein hat der Autor dieser Zeilen zwangsläufig viele Sportler und Sportlerinnen interviewt. Große, prominente Athleten, Meister ihres Genres waren darunter. Keiner, keine hat einen so nachhaltigen Eindruck hinterlassen wie die Skijägerin aus Wallgau.

Richtig wohltuend ist sie, wenn sie - wie damals im Oktober 2010 vor Kollegiaten des Anton-Bruckner-Gymnasiums in Straubing - in legeren Jeans und mit ihrem frischen Teint locker und unterhaltsam über ihre Arbeit und ihre Freizeit plaudert. Keine vorgestanzten, banalen, hohlen Sätze kommen da wie bei den Fußballprofis, bei denen nahezu jede Aussage mit dem bedeutungsschwangeren "Ja, gut äh" beginnt.

Magdalena Neuner redet Klartext, sie spricht, wie ihr der Schnabel gewachsen ist. Und sie ist aus Fleisch und Blut. Sie erscheint nicht, sie tritt nicht auf wie die Kicker-Diven, bei denen du immer den Eindruck hast, als liefen sie gerade topgestylt über den Catwalk. Lena braucht das nicht, die Selbstverliebtheit, die Egomanie. Sie ist auch so everbody's darling.

Die Menschen mögen Magdalena Neuner, weil sie authentisch ist. Der extrem schwierige mediale Spagat - ihr gelingt er: Präsent sein, aufgeschlossen sein für alles. Aber sich nicht zu sehr vereinnahmen und sich schon gar nicht verbiegen lassen.

Die große Gefahr, von der fordernden Öffentlichkeit an die Wand gedrückt zu werden, hat die ehemalige Klosterschülerin just in time erkannt. Manchmal waren und sind die Erwartungen der Leute, ist die Zuneigung wildfremder Menschen einfach "too much", wie sie unserer Zeitung sagte. Deshalb hat die "Gold-Lena" im zarten Alter von 24 Jahren beschlossen, nach dem Winter ihre Karriere zu beenden.

Ein intelligenter, ein cleverer Schachzug ist das. Jemand, der alles, aber wirklich alles gewonnen hat in seinem Sport, kann auf Sicht nur noch verlieren. In Oberhof hat Magdalena Neuner am Mittwochabend bei ihrem Fehlschuss-Festival in der Staffel einen kleinen Vorgeschmack bekommen, wie deprimierend solche Niederlagen sein können. Und welches enorme Echo sie auslösen. Um ihr Versagen zu erklären, musste sie extra eine Pressekonferenz einberufen.

Lena möchte endlich leben - und nicht nur funktionieren. Sie will dieser perfektionierten, mitunter reichlich seelenlosen Sportplastikwelt entfliehen. Man darf sicher sein: Es wird dem Naturkind zu Hause in Oberbayern nicht langweilig werden. Lena kann pfundweise Socken stricken, sie kann stundenlang auf ihrer Harfe spielen. Sie kann ihren Sepp heiraten und süße kleine Babys kriegen. Sie muss sich keine elementaren Sorgen machen wie die Fußballer à la "Poldi", ob sie auf ihrer Playstation auch den höchsten Level erreichen.

Ihr Level ist ohnehin der allerhöchste. Sportlich wie menschlich.