Berufsportrait: Pilot

Bereit zum Abflug?


Sebastian Herpich bei der Überprüfung der Reifen und Bremsen (Foto: privat)

Sebastian Herpich bei der Überprüfung der Reifen und Bremsen (Foto: privat)

Von Julia Gabauer

Gedämpftes Dröhnen in den Ohren, von der Beschleunigung in den Sitz gedrückt, der Sog der Schwerkraft presst den Magen Richtung Füße - physikalische Gesetze werden geräuschvoll überwunden. Und dann: Leichtigkeit, blaue Freiheit, Wolken wie Zuckerwatte - nur Fliegen kann so schön sein. Dieses Gefühl ist für Sebastian Herpich Alltag. Der 43-Jährige ist Flugkapitän bei der Deutschen Lufthansa. Freistunde hat ihn über seinen Beruf ausgefragt.

In einer schmucken Uniform mit Goldstreifen den Autopiloten einschalten und das Flugzeug düst quasi von selbst in die nächste Metropole - so einfach ist es natürlich nicht. Ein Pilot ist Manager eines Millionenunternehmens. "Mit so einem Airbus hat man schon rein materiell viel Verantwortung unter dem Sitz - ganz abgesehen von den paar 100 Passagieren", sagt Sebastian Herpich schmunzelnd. In seinen Händen laufen die Fäden von drei Blöcken zusammen: die Routineaufgabe "Fliegen", die Flugsysteme bedienen und die Besatzung führen. Der Pilot funktioniert dabei als Entscheider zwischen Mensch und Maschine.

Klingt anspruchsvoll und ist es auch. Einzelgänger, die mit Verantwortung nicht klarkommen, sind im Cockpit fehl am Platz. Das Team, mit dem der Pilot zusammenarbeitet, wechselt regelmäßig. "Eine soziale Kompetenz und Unvoreingenommenheit sind also nötig", betont Sebastian Herpich. Auch auf Vorausdenken kommt es an. "Beim Fliegen habe ich immer einen Plan B im Kopf", erklärt der 43-Jährige. Zum Beispiel: "Was tue ich, wenn ein Gewitter kommt?" oder "Wenn ich plötzlich eine Ausweichlandung machen muss, wo steuere ich hin?" Und wer schon mal ein Cockpit mit den vielen Knöpfen gesehen hat, der versteht schnell, dass ein grundsätzliches technisches Verständnis auch wichtig ist. Das alles erfordert ein gewisses Multitasking. Und da niemand mit einem überforderten Piloten fliegen will, muss der sehr belastbar sein. Rein schulisch wird für die Ausbildung, die zwischen 15 und 24 Monaten dauert, die Hochschulreife vorausgesetzt. Bei den Schulfächern liegt der Augenmerk auf Mathe, Physik und Englisch.

Der Weg ins Cockpit

Wen diese lange Liste an Anforderungen nicht abschreckt, der kann es auf unterschiedlichen Wegen ins Cockpit schaffen. Zwei Möglichkeiten sind die Ausbildung an einer privaten Flugschule oder bei der Bundeswehr. Eine dritte die direkte Ausbildung bei einer Airline, wie zum Beispiel der Lufthansa. Diesen Weg hat auch Sebastian Herpich durchlaufen. Speziell dort besucht der Pilot in spe Flugschulen in Bremen und Phoenix (Arizona). Dabei lernt er die Theorie rund ums Flugzeug und natürlich das Fliegen selbst. Aber keine Angst: Jeder fängt mit einem kleinen Flugzeug an!

Schwächen zugeben

Interessierten empfiehlt Sebastian Herpich, sich einfach mal für den Aufnahmetest bei der Lufthansa zu bewerben. Infos dazu gibt es unter www.lufthansa-pilot. de. Der Test gibt eine gute Rückmeldung, ob die Begabung fürs Fliegen grundsätzlich da ist oder nicht. "Ich selbst bin völlig naiv an die Sache herangegangen", erinnert er sich. Natürlich sollte man sich bis zu einem gewissen Maß auf den Test vorbereiten, aber noch wichtiger ist: "Verstellt euch nicht, zeigt eure Persönlichkeit und Stärken, aber auch eure Schwächen." Testziel sei nicht, den Superman zu finden, der alles kann. Vielmehr kommt es darauf an, auch einschätzen zu können, welche Antwort richtig ist. Sogar Fehler machen ist im Test erlaubt. Im Idealfall sollte man sie aber bemerken und korrigieren.

Kein normaler Berufsalltag

Wer die Schritte Bewerbung und Ausbildung erfolgreich abgeschlossen hat, auf den wartet alles andere als ein normaler Berufsalltag. "Jeder Tag und jeder Flug ist auf seine Weise anders", erklärt Sebastian Herpich. Geregelte Arbeitszeiten gibt es nicht. Stattdessen geben Frühschicht oder Spätschicht, Langstrecken oder Kurzstrecken den Ton an. Den Essens- und Schlafrhythmus lernt man anzupassen. Jeden Montagabend beim Fußballtraining zu sein und am Wochenende immer frei zu haben, das geht dann natürlich nicht mehr. "Ich weiß oft schon gar nicht mehr, wann die regulären Feiertage sind", sagt der Lufthansa-Pilot lachend. Das erfordert ein verständnisvolles soziales Umfeld. Doch der Lohn ist mindestens ebenso hoch wie der Preis, den man für den Beruf zahlt. "Pilot zu sein ist definitiv ein Traumberuf", bekräftigt Sebastian Herpich. Über 10.000 Stunden hat er schon in der Luft verbracht, die Länder, in denen er war, kann er gar nicht mehr zählen. In kaum einem anderen Beruf sieht man so viel von der Welt. Denn besonders auf Langstreckenflügen hat man Zeit, sich mehr als nur den örtlichen Flughafen anzusehen.

Und dann ist da natürlich das Fliegen. Er habe schon als Kind Flugmodelle gebastelt, ist Drachenflieger geflogen und hat Vögel beobachtet. "Die Faszination für das Fliegen war bei mir schon immer da. Und das ist sie auch heute noch, wenn ich so einen 400-Tonnen- Vogel in die Luft bewege."

Das verdient ein Pilot

Ein auszubildender Pilot erhält keine Vergütung. Stattdessen fallen für die Ausbildung an den Flugschulen Kosten an. Und die sind nicht unbedingt gering: Circa 200.000 Euro muss man für den Traum vom Fliegen hinblättern. Die Lufthansa streckt dieses Geld allerdings vor. Erst wenn man einen festen Arbeitsvertrag als Pilot bei der Lufthansa hat, muss man einen Eigenanteil von circa 60.000 Euro zurückzahlen. An privaten Flugschulen muss man das Geld für die Ausbildung aus der eigenen Tasche zahlen. Dafür kann man zum Beispiel versuchen, einen Bankkredit zu bekommen. Hat man die Ausbildung erfolgreich hinter sich gebracht und eine Festanstellung als Pilot ergattert, liegt das Einstiegsgehalt bei circa 60.000 Euro im Jahr.

Kann sich der Pilot zwischen Start und Landung zurücklehnen, weil sowieso der Autopilot die ganze Arbeit macht?

Von wegen. "Das ist nicht so, dass ich da auf einen Knopf drücke und der Autopilot fliegt mich nach New York", erklärt Sebastian Herpich. Der Autopilot nimmt dem Piloten nur einen Teil der manuellen Arbeit ab. Vergleichbar ist das Ganze mit einem Tempomaten im Auto. Bei der gewünschten Geschwindigkeit drückt man einen Knopf und das Auto hält diese Geschwindigkeit. Kommt dann aber ein LKW, muss man entweder ausscheren oder bremsen, also reagieren. Und das ist auch beim Autopiloten so. Der Pilot programmiert bestimmte Daten, wie zum Beispiel Flughöhe und -geschwindigkeit ein. Der Pilot muss dann aber immer kontrollieren, ob der Autopilot macht, was er will, beobachtet das Wetter, konzentriert sich auf den Funkverkehr und muss dann natürlich reagieren, wenn sich die Flugsituation ändert. Die bekannte Szene aus Hollywoodfilmen, in der ein beliebiger Passagier im Notfall mithilfe des Autopiloten ein Flugzeug sicher landet, ist also ein Mythos.

Und wie ist das beim Schlafen?

Auf Langstreckenflügen dürfen Piloten auch schlafen. Schließlich will niemand mit einem übermüdeten Piloten fliegen. Allerdings spricht sich die Besatzung dabei ab und vereinbart Kontrollzeichen. Wenn der eine Pilot schläft, muss der andere in regelmäßigen Abständen beim Kabinenpersonal anklingeln. Kommt die Meldung nur ein paar Minuten zu spät, wird nachgecheckt. Schlafen an Bord ist aber nicht ganz einfach. Nur die wenigsten Menschen können auf Abruf schlafen. Außerdem sollte man nicht in die Tiefschlafphase fallen. Denn wenn währenddessen ein Notfall eintritt, muss der Pilot sofort hellwach sein und reagieren können. "Das kann man aber trainieren", beruhigt Sebastian Herpich. Bei sehr langen Flügen sind auch mehr als zwei Piloten anwesend.

Darf der Pilot auf Langstreckenflügen auch essen?

Das darf er genauso wie ein Passagier. Ob er dazu aber Zeit hat, ist fraglich. Pausen sind dafür nämlich nicht vorgesehen. Er muss also zum Beispiel essen, während der Autopilot oder der Kollege fliegt. "Allerdings muss man sich sein Arbeitsfeld dabei so einrichten, dass man im Notfall sofort frei reagieren kann", betont Sebastian Herpich.

Was ist der Unterschied zwischen Pilot und Co-Pilot - und was bedeuten die Goldstreifen auf ihren Uniformen?

Grundsätzlich ist jeder, der im Cockpit vorne sitzt und fliegt, ein Pilot. Links sitzt normalerweise der sogenannte Flugkapitän mit vier Streifen auf der Uniform. Rechts sitzt der Co-Pilot oder 1. Offizier mit drei Streifen. Der Flugkapitän trägt die Gesamtverantwortung für den Flug. Der Co-Pilot unterstützt ihn dabei. Fliegerisch sind aber beide gleichwertig. "Das ist immer halbe halbe", erklärt Lufthansa-Pilot Sebastian Herpich. "Wenn ich vier Flüge am Tag habe, dann fliege zwei ich und zwei der Co-Pilot."

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Sebastian Herpich in seiner Uniform. Hier deutlich zu sehen: Die vier Goldstreifen, die ihn als Flugkapitän ausweisen. (Foto: Gabauer)

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Sebastian Herpich bei der Fahrwerkkontrolle (Foto: privat)

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Der Lufthansa-Flugkapitän Sebastian Herpich im Cockpit eines A320. (Foto: privat)

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Sebastian Herpich beim Time-Fuel-Check (Foto: privat)

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Der Lufthansa-Flugkapitän Sebastian Herpich (links) mit Co-Pilotin im Cockpit eines A320. (Foto: privat)