Bayern

Wird Bauen schwieriger? Bürgerbegehren "Grünflächen erhalten" sorgt für Krach bei Grün-Rot

60.000 Menschen haben für das Bürgerbegehren "Grünflächen erhalten" unterschrieben.Der Stadtrat will es übernehmen. Die SPD ist dagegen. Sie fürchtet komplizierte Planungen.


In Freiham wird auf und neben der grünen Wiese gebaut. Wird so etwas noch möglich sein, wenn die Stadt ein Bürgerbegehren übernimmt, welches Grünflächen um jeden Preis erhalten will?

In Freiham wird auf und neben der grünen Wiese gebaut. Wird so etwas noch möglich sein, wenn die Stadt ein Bürgerbegehren übernimmt, welches Grünflächen um jeden Preis erhalten will?

Von Christina Hertel

München - Heute wird eine Mehrheit des Stadtrates das Bürgerbegehren "Grünflächen erhalten" übernehmen. Zuvor hatten die Initiatoren (ursprünglich eine Gruppe von Privatleuten, die sich dagegen wehrte, dass eine Wiese in Trudering bebaut werden sollte) mit der Unterstützung der ÖDP 60 000 Unterschriften gesammelt. Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) und seine Fraktion wollten es auf eine Abstimmung ankommen lassen.

Allerdings entschieden Grüne, CSU, Freie Wähler und die Linke die Forderung zu übernehmen, dass die Stadt "alles unternimmt", damit Grünflächen "erhalten bleiben und nicht weiter versiegelt werden".

Das war eine Überraschung. Denn eigentlich hatten auch die Grünen immer wieder betont, dass sie die Intention zwar teilen, aber nicht den Wortlaut des Begehrens - schließlich sei Stadtplanung komplex.

Großer Gewinner ist also die ÖDP. Die Öko-Partei unterstützt die Initiative seit Monaten. Die Freude sei groß, sagt ÖDP-Chef Tobias Ruff. Doch nun sei es wichtig, dass die Forderungen des Bürgerbegehrens auch in der Praxis "mit aller Vehemenz" durchgesetzt werden.

"Wir fordern ein, dass die Stadt tatsächlich auch spürbar grüner wird", sagt er. Ähnlich äußert sich Stefan Hofmeir, einer der Initiatoren. Doch was bedeutet das ganz konkret für die Stadtplanung? Hofmeir betont, dass seine Initiative nicht grundsätzlich gegen Wohnungsbau sei. "Doch das Planen wird ganz sicher anspruchsvoller", da ist sich Ruff sicher.

Zum Beispiel plant die Stadt, große Gebiete im Norden und im Nordosten zu bebauen. Die größten Teile des Gebiets sind im Flächennutzungsplan als Acker gekennzeichnet. Es gibt aber auch Grünflächen - "wunderschöne Pappelalleen", wie Ruff sagt. "Die Stadt muss jetzt kreativ sein." Denn einfach umholzen - und irgendwo anders, wo es vielleicht besser in den Plan passt, eine neue Grünfläche schaffen, geht aus seiner Sicht nun nicht mehr.

Und was passiert, wenn sich die Stadt daran nicht hält? Schließlich schilderte die Verwaltung bereits, dass das Bürgerbegehren rechtlich nicht bindend ist, wenn die Stadt auf Flächen, auf denen Baurecht besteht, Infrastruktur für die Daseinsvorsorge (etwa Schulcontainer) schaffen will.

Ruff geht davon aus, dass sich dann die 60 Organisationen, die das Bürgerbegehren unterstützt haben, melden werden. Bindend ist das Bürgerbegehren nur ein Jahr. "Politisch ist es aber viel, viel länger bindend", glaubt Ruff, der mit Bürgerbegehren einige Erfahrung hat. Gemeinsam mit der ÖDP startete er viele erfolgreiche Bürgerbegehren - etwa "Raus aus der Steinkohle", den "Radentscheid", "Rettet die Bienen" oder das Rauch-Verbot.

Und während die ÖDP der große Gewinner ist, gibt es auch einen Verlierer: die SPD - die einzige große Partei, die sich dem Bürgerbegehren zum Grünflächen-Erhalt nicht anschließt. Ansonsten hat sie noch die FDP auf ihrer Seite.

Auch SPD-Chef Christian Müller geht davon aus, dass Planungen nun schwieriger werden. Zwar weiß auch er, dass die freien Gebiete im Münchner Norden größtenteils Ackerflächen sind. "Aber es geht ja auch um die politische Stimmung. Die ÖDP hat sich mit ihrer Fortschrittsskepsis durchgesetzt." Überall dort, wo auf Planungsgebieten nur ein Fitzelchen Grünfläche zu finden ist, könnte es seiner Einschätzung nach in Zukunft schwieriger werden.

Unmut über die Grünen und die CSU ist bei Müller deutlich herauszuhören. Schließlich fordere die CSU eine Entbürokratisierung und schließlich wollen auch die Grünen Ziele von 4000 neuen Wohnungen pro Jahr erreichen, meint er.

Grünen-Chefin Mona Fuchs betont, dass es keinen Krach in der Rathauskoalition gebe. Etwas "Beinfreiheit" brauche es auch zwischen Koalitionspartnern. Sie fordert, dass Planungen durch das Bürgerbegehren nicht verzögert werden dürften. Sie hätte es allerdings vorgezogen, den Bürgern einen alternativen Text zur Abstimmung vorzulegen. Dieser sollte auch die Ausweitung und ökologische Aufwertung hinsichtlich Artenvielfalt und Klimaresilienz von Grünflächen enthalten, sagt Fuchs. "Aber dafür gibt es im Stadtrat keine Mehrheit."

SPD-Chef Müller betont jedoch, dass dies nicht am politischen Willen der SPD lag - sondern an juristischen Vorgaben. Denn eine Frage für ein Bürgerbegehren zu finden, die rechtens ist, sei komplex.