Bayern

So wollen die Grünen das Fachkräfte-Problem lösen

Fast 4000 Ausbildungsplätze in München sind offen. Aber viele Jugendliche tun sich schwer damit, Azubis zu werden. Ein Mentoring-Programm zeigt, wie man dieses Problem lösen kann. Und die Grünen wollen das vermehrt fördern.


Mia Seitz und Vanessa Baron (v.l.) suchen eine Ausbildung. Clara Nitsche und Julia Post (r.) wollen Jugendlichen mehr Chancen bieten.

Mia Seitz und Vanessa Baron (v.l.) suchen eine Ausbildung. Clara Nitsche und Julia Post (r.) wollen Jugendlichen mehr Chancen bieten.

Von Christina Hertel

München - Sie schrieb fünf Bewerbungen, aber bekam nur eine Antwort. Und das war eine Absage. So erzählt es Vanessa Baron, 16 Jahre alt. Das war, bevor sie das Programm bei den "Joblingen" angefangen hat.

Joblinge ist ein Unternehmen, das Menschen zwischen 15 und 27 Jahren, die unter schwierigen Bedingungen aufwuchsen, hilft, eine Ausbildung zu finden. Es gibt Nachhilfe, Unternehmen stellen sich vor, Vorstellungsgespräche werden geübt und Bewerbungsmappen gemeinsam erstellt. Außerdem bekommen die Jugendlichen einen erwachsenen Mentor an die Seite, der sie unterstützen soll.

Eigentlich gibt es genug Ausbildungsstellen für alle

Im Januar hat Vanessa Baron das Programm bei den Joblingen begonnen. Inzwischen habe sie 18 Bewerbungen geschrieben und mehrere Praktika ausgemacht. Sie ist nun ziemlich sicher, dass sie einen Job ergreifen möchte, von dem sie bis vor Kurzem nicht einmal wusste, dass es ihn gibt: Hörgeräte-Akustikerin. Sie hat schon ein paar Tage bei einem Hörgeräte-Hersteller gearbeitet und hofft, dass es bald mit der Ausbildung klappt.

Die beiden Grünen-Stadträtinnen Julia Post und Clara Nitsche sind davon überzeugt, dass die Stadt solche Programme mehr unterstützen sollte. Denn das Problem ist nicht, dass es für junge Menschen zu wenig Ausbildungsstellen gibt. Eigentlich ist es anders herum.

Bis 2035 werden in Bayern 1,3 Millionen Menschen am Arbeitsmarkt fehlen

Zu Beginn des Ausbildungsjahrs im September gab es in München noch fast 4000 unbesetzte Ausbildungsplätze. Rund 2400 Unternehmen suchten einen oder mehrere Azubis. Und die Situation wird sich wohl verschärfen: "Bis 2035 werden in Bayern 1,3 Millionen Menschen am Arbeitsmarkt fehlen", weiß Julia Post. Gleichzeitig würden etwa 100 000 Jugendliche in Deutschland die Schule ohne Abschluss verlassen.

Mit drei Anträgen wollen die Grünen nun die Perspektiven von jungen Menschen verbessern. Die SPD unterstützt die Ideen. Zum Beispiel setzen die Grünen darauf, Mentoring-Programme auszubauen. Dabei treffen sich ein Kind und eine ältere Person regelmäßig, erklärt Julia Post. Die Jugendlichen sollen so andere Lebenswelten kennenlernen, Selbstvertrauen fassen und bessere schulische Leistungen erzielen. "Und auch die Mentoren erweitern ihren Horizont", sagt Post.

Das Ifo-Institut sagt: Mentoring-Programme verbessern die Chancen der Jugendlichen enorm

Das Ifo-Institut untersuchte ein Mentoring-Programm genauer und kam zu dem Schluss: Schon nach einem Jahr verbessern sich die Schulnoten und die sozialen Kompetenzen der Jugendlichen. Das Institut schätzt, dass sich bei besonders stark benachteiligten Jugendlichen jeder eingesetzte Euro am Ende mit 31 Euro auszahlt - etwa weil die Sozialsysteme nicht so sehr belastet werden, wenn die Jugendlichen einen Job finden.

Bei den Joblingen finden 72 Prozent einen Ausbildungsplatz, die meisten nach etwas mehr als drei Monaten. Und etwa 80 Prozent beenden ihre Ausbildung am Ende auch, sagt Katrin Schwinghammer, die Chefin der Joblinge in München. Vanessa Baron erzählt, dass schon drei von 15 Jugendlichen, die mit ihr im Januar das Programm begonnen haben, eine Stelle fanden.

Die Grünen wollen mit einer Werbekampagne die Ausbildung attraktiver machen

Die Grünen wollen deshalb die bestehenden Programme in München bekannter machen. Sie fordern, dass der Stadtrat die Joblinge mit 200 000 Euro bezuschusst. Denn in dieser Höhe sind vor Kurzem EU-Gelder für das Unternehmen weggefallen.

Außerdem wollen die Grünen, dass die Stadt eine Werbe-Kampagne startet, um das gesellschaftliche Ansehen von Ausbildungen zu stärken. "Viele meinen, nur mit einem Studium bekommt man einmal ein gutes Gehalt. Aber das stimmt nicht", sagt Stadträtin Clara Nitsche. Als Meister in einem gut laufenden Elektro-Betrieb könne man sicher einmal mehr verdienen als ein studierter Kunstwissenschaftler. Nitsche fordert deshalb, dass die Stadt auch in Gymnasien verstärkt für Ausbildungen wirbt und dass mehr kleinere Ausbildungsmessen stattfinden, auf denen sich auch mittelständische Unternehmen präsentieren können.