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Münchner Medizinstudent will über Atlantik rudern: "Killerwale könnten angreifen"

Marcel Ploch hat sich mit drei anderen Großes vorgenommen. Die vier Männer nehmen Ende 2024 am vielleicht härtesten Ruderrennen der Welt teil, fast 5000 Kilometer über den Atlantik. Schon jetzt hat das Training begonnen


Möglichst täglich geht Marcel Ploch ins Body + Soul Center München Nord - und setzt sich natürlich ans Rudergerät.

Möglichst täglich geht Marcel Ploch ins Body + Soul Center München Nord - und setzt sich natürlich ans Rudergerät.

Von Hüseyin Ince

AZ-Interview mit Marcel Ploch (24): Der Medizinstudent wagt sich auf einem Ruderboot über den Atlantik.Wild treibende Container sind eine große GefahrEine Platzwunde würde ich nähen und weiterrudern

Medizinstudent Marcel Ploch (24) bereitet sich gerade auf sein Staatsexamen vor und schreibt seine Doktorarbeit in der Neuroradiologie im Klinikum rechts der Isar. Nach sechs Jahren Studium will er es wissen: Zwischen seinem Examen und dem Berufseinstieg möchte er etwas tun, wozu er später nie wieder die Gelegenheit haben wird. Mit drei Gleichgesinnten wird er wochenlang über den Atlantik rudern, bei der Talisker Whisky Atlantic Challenge. Ein Gespräch über das Meer, Teamwork und angriffslustige Wale.

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Blick vom Schlafplatz Richtung Rudereinheit und zur zweiten Kabine: Platzangst sollte man hier nicht haben. Im Zwei-Stunden-Rhythmus wird gerudert und geschlafen.

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Malte Nobereit (v.l.), Gabriel Hildner (Bahn-Techniker), Marcel Ploch und Witold Kolodziejczak (Ingenieur) sind das Team Row4tomorrow. Sie suchen noch Sponsoren.

AZ: Herr Ploch, um über den Atlantik zu rudern, muss man bestimmt schon sein Leben lang Ruderer gewesen sein, oder?

MARCEL PLOCH: Bei mir ist das nicht so. Ich mag das Wasser, bin leidenschaftlicher Kite-Surfer. Das ist dabei schon wichtig. Und ich bin grundsätzlich ein Fan von Kraft- und Ausdauersport.

Sie sind also mit Wind und Wetter auf dem Wasser gut vertraut. Das schadet ja nicht für die große Aufgabe.

Ganz sicher nicht. Aber manche Stürme oder Winde kann man nie vorhersehen. Der Atlantik ist teils unberechenbar. Meine Teamkollegen und ich werden in den nächsten Monaten auch noch sehr viele Schulungen zum Rennen bekommen.

Wann sind Sie aufs Rudern gestoßen?

Erst 2021. Ein ehemaliger Schulfreund aus Lüdenscheid brachte mich darauf, Malte. Er lebt jetzt in Frankfurt. Er war es, der mich auf die Idee mit der Ruder-Challenge über den Atlantik brachte.

Warum wollen Sie erst 2024 teilnehmen? Das Rennen findet angeblich auch Ende 2023 statt.

Einerseits waren die Startplätze für 2023 schon belegt. Und außerdem hat der Veranstalter empfohlen, uns länger darauf vorzubereiten.

Körperlich?

Auch mental. Wir werden bis zu 60 Tage auf dem Meer sein. Nur wir vier, völlig aufeinander angewiesen. Da müssen wir uns bedingungslos vertrauen können.

Wie haben Sie die übrigen Teammitglieder gefunden?

Malte und ich haben je eine Liste erstellt und uns gefragt: Wer ist körperlich und eben auch mental in der Lage für so eine Überquerung? Und dann hatten wir am Ende fünf Leute auf der Liste. Bei drei Personen kam es nicht infrage. Und die restlichen zwei haben zugesagt, Gabriel und Witold. Beide Münchner.

Wie bereiten Sie sich jetzt darauf vor?

Im Oktober 2021 haben wir uns zum ersten Mal getroffen. Da war schnell klar: Wir brauchen einen Businessplan. Boot, Versicherung, Anreise, Abreise, Nahrungsversorgung, Kurse der Atlantic Campaign, damit wir uns überhaupt für das Rennen qualifizieren können. Wie etwa lebensrettende Maßnahmen und Überlebenstraining auf offenem Meer. Das sind sehr spezielle Kurse in England. Im Kurszentrum in Southampton kann man den Wellengang und auch Stürme auf dem Ozean simulieren. So etwas gibt es in Deutschland nicht.

Wie hoch werden denn Wellen auf dem Atlantik?

Bis zu 30 Meter. Das sind enorme Stürme. Dafür braucht man auch diese speziellen Boote.

Was ist so besonders daran?

Die sind nur für solche Rennen angefertigt, weit entfernt von herkömmlichen Ruderbooten. Mit Technik, die teils auch in der Luft- und Raumfahrt verwendet wird. Wir sind abhängig von Satellitenempfang.

Erzählen Sie doch vom Boot.

Es ist etwa neun Meter lang und hat an jedem Ende eine Kabine. Eine zum Schlafen, eine zum Navigieren. Dort ist die ganze Technik. Zwei von uns werden rudern, zwei werden schlafen, je zwei Stunden. Tag und Nacht ohne Pause - im Optimalfall. Die Ruderer sitzen zwischen den Kabinen.

Und bei 30 Meter hohe Wellen?

Da müssen wir tagelang in den Kabinen sitzen. Die Boote sind so konzipiert, dass sie nicht kentern können. Die dürfen sich auch überschlagen. Kein Problem.

Ohne zu rudern, gefangen in der Kabine?

Ja. Rudern wäre da zu gefährlich. Wer im Atlantik bei Sturm von Bord geht, den kann man kaum wiederfinden. Daher sind wir auch mit Seilen gesichert. Außer beim Rudern.

Wohin treibt das Boot dann ohne Ruderer?

Dafür gibt es einen "Para-Anchor", den wir dann ins Wasser lassen. Das ist ein Treibanker, so etwas wie ein Fallschirm unter Wasser. Er sorgt dafür, dass unser Boot nicht quer zu den Wellen steht und durch tiefliegende Meeresströmungen Richtung Westen weitertreiben kann. Auch wenn keiner rudert. Wie schnell man damit vorankommt, ist abhängig von der Stärke der Strömung und des Gegenwinds.

Sie haben Funk, Wasseraufbereitung, Navigation an Bord. Woher kommt Strom?

Über eine Solaranlage.

Angeblich verliert jeder Ruderer acht Kilogramm auf der Route.

Sogar bis zu zwölf. Man verbraucht 5000 Kalorien am Tag. Das kann man nicht komplett wieder reinholen.

Blöde Frage: Was ist, wenn jemand mal muss auf so engem Raum?

Dafür haben wir einen Eimer an Bord.

Aha. Und der Inhalt?

Muss über Bord. Wir haben die Wahl. Ins Wasser oder in den Eimer.

Ab wann darf man nicht mehr rudern?

Wir bekommen von den Organisatoren die Info über Funk: Es nähert sich ein Sturm. Jetzt müssen wir auf Eigenverantwortung entscheiden, wie lange wir weiterrudern dürfen.

Woher bekommen Sie denn das Boot eigentlich?

Es gibt zwei Spezialfirmen in Großbritannien, die Ozeanboote anfertigen. Sie versorgen die Teams.

Und wie viel kostet das?

Wir übernehmen es von einem dänischen Team, das gerade damit unterwegs ist, bei der Pazifik-Ruderchallenge. Kostet 78 000 Pfund. Das sind etwa 90 000 Euro.

Und den Überschuss vom Sponsoring teilen Sie dann untereinander auf?

Wir wollen mit dem Sponsoring drei Wohltätigkeitsorganisationen unterstützen, vor allem solche, die sich für den Meeresschutz einsetzen und illegale Fischerei sowie Meeresverschmutzung bekämpfen. Wir sind auf der Suche nach weiteren Sponsoren. Der Name der Sponsoren wird auf dem Boot zu sehen sein. Das Rennen wird weltweit übertragen.

Abfahrt und Ankunft?

Das genaue Datum steht noch nicht fest. Dezember 2024, in San Sebastian auf La Gomera. Dort geht es los. Antigua ist das Ziel. 45 bis 60 Tage wird es dauern. 45 Tage bei besten Bedingungen.

Bis zu 60 Tage auf einem kleinen Boot auf dem Atlantik mit drei weiteren Personen?

Zwölf Quadratmeter ungefähr. Deshalb müssen wir auch mental stark sein. Platzangst sollte man nicht haben. Ein Mentalcoach unterstützt uns in der Vorbereitung.

Schlafen, Essen, Rudern. Im Zwei-Stunden-Rhythmus. Was isst man da eigentlich?

Das ist dehydriertes, also getrocknetes Essen, um schnell viele Kalorien aufnehmen zu können. Manches muss man kurz aufkochen.

Was passiert im Notfall?

Es gibt Rettungsteams vom Veranstalter. Die können wir kontaktieren. Aber es dauert ein oder zwei Stunden, bis die ankommen.

Ein Paar, das über den Atlantik segelt, erzählte, sie müssen auch mit Angriffen von Walen rechnen.

Auch wir. Schwertfische oder Killerwale können das Boot theoretisch zerstören. Es kam schon vor, dass riesige Wale mit den Ruderbooten spielten. Sie haben sie mit der Schnauze hin- und hergestoßen. Man ist in dem Moment der Natur völlig ausgeliefert.

Medizinische Risiken?

Das Salzwasser scheuert irgendwann jede noch so dicke Hornhaut wund. Vor allem an Händen und Füßen. Das müssen wir dann behandeln. Beim Rudern heilt das nicht. Auch Seekrankheit ist ein Thema. Gerade zu Beginn werden wir uns alle tagelang übergeben. Da müssen wir aufpassen, dass wir nicht innerlich austrocknen. Da helfen teils nur Infusionen. Auch Brüche sind möglich oder Platzwunden. Aber die können wir nähen. Wegen einer Risswunde werde ich nicht die Rettungsjacht rufen.

Gut, dass ein Mediziner dabei ist.

(lacht) So ist es. Aber auch Container sind eine Gefahr. Manchmal treiben sie wild im Atlantik und können das Boot zerstören, gerade bei Nacht.

Wie trainieren Sie denn derzeit auf diesen Extremsport?

Erst mal im Fitnesscenter. Es gilt, die hintere Muskelkette zu aktivieren. Rücken, Gesäß, seitliche Muskulatur. Auch Beweglichkeit ist wichtig. Wir müssen sehr gut vorbereitet sein. Und wir müssen uns gegenseitig sehr gut kennen, all unsere Stärken, Schwächen und Ambitionen.

In welchem Rhythmus trainieren Sie?

Wir treffen uns einmal die Woche, zum Laufen, Schwimmen oder im Fitnesscenter. Aber das reicht nicht. Sobald ich mit dem Examen fertig bin, ab April, werden wir das auf jeden Fall intensivieren.

Interview: Hüseyin Ince

Wer das Ruderteam Row4tomorrow sponsern möchte, meldet sich unter: % 0177 5062510