Bayern

Münchner Ernährungswissenschaftler räumt mit Mythen rund ums Ei auf

Ob süß oder herzhaft: Die Zeit der Ostereierflut ist da. Vielen schmecken sie, als Snack zwischendurch, als Nachtisch oder auch als schnelle Vorspeise.Da stellt sich die Frage: Kann man auch zu viele bunte Eier essen? Ein Experte hat sie der AZ beantworte


Malte Rubach am Odeonsplatz. Der Ernährungswissenschaftler und Buchautor räumt mit Mythen auf und hat seine Doktorarbeit über Ka

Malte Rubach am Odeonsplatz. Der Ernährungswissenschaftler und Buchautor räumt mit Mythen auf und hat seine Doktorarbeit über Kaffee und den Einfluss auf die Magensäuresekretion geschrieben. 

Von Hüseyin Ince

Ein rotes, noch ein gelbes, dann wieder ein grünes und vielleicht noch ein mehrfarbiges und dann noch ein Schoko-Ei - an einem Tag? Die bunten hartgekochten Eier sowie eiförmige Süßigkeiten sind wieder überall. Wie geht man damit am besten um? Ein Gespräch mit Ernährungsexperte und Buchautor Malte Rubach über das sinnvolle Maß, mögliche Gefahren bei der Eierfarbe sowie Cholesterinangst.

AZ: Herr Rubach. Wie gesund ist ein Ei?

MALTE RUBACH: Sehr gesund! Wir können auch von einer Nährstoffbombe sprechen. Es enthält von 14 Nährstoffen mindestens zehn Prozent der täglichen Zufuhr-Empfehlung. Fast wie ein Nahrungsergänzungsmittel.

Was ist alles drin?

Fettlösliche Vitamine, Eisen, Zink, hochwertiges Protein, B-Vitamine, Mineralstoffe. Daher ist es auch in Schwellen- und Entwicklungsländern ein beliebtes Lebensmittel. Und nicht umsonst klauen Tiere sich untereinander die Eier.

Kann man zu viel Ei essen?

Ja.

Wie genau?

Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt zwei bis drei Eier pro Woche. Aber es ist auch nicht schlecht, jeden Tag ein Ei zu essen. Früher dachte man, das sei ganz schlecht wegen dem Cholesterin. Aber das stimmt nicht.

"Der tägliche Eierkonsum ist keine Cholesterinbombe"

Gibt es dafür eine Rechnung?

Ein Ei von 60 Gramm hat etwa 200 Milligramm Cholesterin. Das ist etwa der tägliche Bedarf. Aber es ist deutlich weniger, als der Körper selbst herstellt, nämlich bis zu 1000 Milligramm pro Tag. Täglicher Eierkonsum ist also keine Cholesterinbombe. Wenn man gesund ist, fährt der Körper bei Bedarf die eigene Cholesterinherstellung außerdem herunter.

Wie ist Ihr Verhältnis zum hartgekochten Ei?

Letztlich ist es ein tierisches Produkt. Wenn am Ende ein Huhn sein Leben verliert, müssen wir darüber nachdenken, wie nachhaltig die Geflügelhaltung ist. Studien zeigen, sie ist mitunter die umweltschonendste Form der tierischen Lebensmittelerzeugung. Eikonsum macht etwa ein Prozent der Treibhausgase aus, die wir durch Ernährung in Deutschland ausstoßen.

"Ich esse zwei bis drei Eier pro Woche"

Wie viele Eier essen Sie pro Woche?

Ich halte mich da an die Empfehlung der Planetary Health Diet, entwickelt 2019. Ich esse etwa zwei bis drei Eier pro Woche und vielleicht mal ein Spiegelei zwischendurch. Das entspricht weitestgehend dem, was die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt.

Gibt es Mythen zum Ei?

Mit einem Mythos müsste man auf jeden Fall aufräumen. Das steht auch in meinem neuesten Buch über Ernährungsmythen. Obwohl der Eierkonsum in Deutschland ziemlich gleichbleibend ist, nimmt seit den 90ern die Häufigkeit von Herzinfarkten und koronaren Herzkrankheiten ab. Sprich, wenn Eier so schlimm wären, hätten wir keine fallende Zahl an Herzkrankheiten. Und das ist eine positive Entwicklung.

"Gefärbte Eier sind nicht schädlich"

Ein zweiter Mythos?

Gefärbte Eier zu Ostern. Viele denken, die Farbe sei schädlich. Das sind aber in der EU zugelassene Lebensmittelfarbstoffe, sie sind unbedenklich. Manche Menschen können auf diese Farbstoffe mit Unverträglichkeit reagieren. Aber das ist sehr selten.

Haben Sie jemals ein Ei-Ersatz-Produkt probiert?

Ja, in einem veganen Restaurant. Ich glaube, es war auf Erbsenbasis.

Wie hat es geschmeckt?

Es war als Rührei zubereitet. Geschmacklich ist das nicht vergleichbar. Auch von den Inhaltsstoffen her. Das ist eher etwas für Menschen, die aus ethischen Gründen auf das Ei verzichten wollen. Ein richtiges Frühstücksei kriegt man so ohnehin nicht hin.

"Man kann mit regionalen Bio-Produkten einen ethischen Konsum fördern"

Was halten Sie von den ethischen Motiven?

Wer das Tierwohl und Tierrechte als Hauptkriterium sieht, kann natürlich nicht anders, als auf Eier zu verzichten. Aber man kann auch zum Beispiel mit einem bewussten Konsum von regionalen Bio-Produkten einen ethischen Konsum fördern.

Wie ist Ihre persönliche Haltung zu Tierrechten?

Eine Debatte, die seit Jahrzehnten geführt wird. Und ich glaube, man kann sie nicht auflösen. Wir müssen unsere Idealvorstellung mit Realvorstellungen immer wieder abgleichen. Aus meiner Sicht können Menschenrechte und Tierrechte daher nicht auf eine Ebene gesetzt werden. Das ist auch in etwa die Haltung des Deutschen Ethikrates.

Die lautet?

Sie besagt, dass eine Nutztierhaltung unter der Wahrung von Tierwohlaspekten möglich sein muss.

"Man sollte nicht mehr als sieben kleine Schoko-Eier essen"

Nun gibt es auch das Schoko-Ei zu Ostern, in Massen.

Sollte in Maßen verzehrt werden.

Nämlich wie genau?

Grob gesagt, nicht mehr als 50 Gramm Zucker am Tag. Das ist die Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation. Ein kleines Schoko-Ei hat etwa sieben Gramm. Die Hälfte ist Zucker. Das sollte man immer im Blick haben. Dementsprechend sollte man nicht mehr als etwa sieben kleine Schoko-Eier essen - wenn man sonst keinen Zucker isst.

Essen wir grundsätzlich zu viel Zucker?

Das ist leider so. In etwa doppelt so viel, wie wir sollten. Vor allem durch hochverarbeitete Lebensmittel wie Softdrinks, Süßigkeiten und andere gesüßte Getränke. Zucker an sich ist nicht schädlich, nur die zu hohe Dosis. Also es gilt auch hier: bewusst konsumieren.

Kinder sind ja sehr schwer davon abzuhalten, zu viel Zucker zu essen.

Ich empfehle, das Umfeld schon so zu gestalten, dass Kinder nicht immer Zugriff auf Süßes und gesüßte Getränke haben. Sich darauf zu verlassen, dass es das Kind selbst versteht, ist ohne Eigenkontrolle unmöglich. Die Verlockung ist für sie einfach zu groß. Kinder kommen ja nicht mit unserem Wissen auf die Welt und sie reagieren auf Süßgeschmack immer positiv. Bitter ist Gift, sauer ist verdorben, süß bedeutet Energie. Sie können nicht anders.

"Eiweiß vom Eigelb zu trennen ist Unsinn"

Kurz zurück zum hartgekochten Ei. Viele Kraftsportler nehmen nur Eiweiß mit Haferflocken zu sich, getrennt von Eigelb, angebraten in der Pfanne, um Muskeln aufzubauen. Was halten Sie davon?

Eiweiß von Eigelb zu trennen ist für den Zweck Unsinn. Damit verschenkt man wertvolle Nährstoffe. Zudem braucht man auch für gesunden Muskelaufbau nur geringfügig mehr Eiweiß, als man ohnehin zur Deckung des Tagesbedarfs braucht.

Haben Sie zufällig eine Beispielrechnung?

Das kann man auch in meinem Buch "88 Ernährungsmythen" nachlesen: Ein Kilogramm Muskelmasse besteht aus etwa 20 Prozent Eiweiß. Wenn ich zehn Kilogramm Muskelmasse aufbauen möchte, innerhalb eines Jahres, brauche ich netto zwei Kilogramm Bausubstanz, also Eiweiß. Auf 365 Tage verteilt macht das gut fünf Gramm pro Tag mehr.

"Eiweiß wirkt am besten 15 Minuten nach der Belastung"

Gibt es einen idealen Eiweißkonsum?

Man soll pro Kilogramm Körpergewicht 0,8 Gramm Eiweiß essen. Das macht bei jemandem mit 75 Kilogramm Gewicht 60 Gramm Eiweiß am Tag. Also muss man statt 60 Gramm etwa 65 Gramm pro Tag essen. Für 5 Gramm Eiweiß mehr reichen anderthalb Gläser Milch völlig aus.

Wann kann denn eine deutlich höhere Dosis Eiweiß sinnvoll sein?

Das brauchen eigentlich nur Hochleistungssportler wie Tour-de-France-Fahrer, um besser zu regenerieren. Oder olympische Kraftsportler wie Gewichtheber. Andere Menschen scheiden überschüssiges Protein einfach wieder aus. Timing ist schon wichtig. Die ideale Aufnahme von Eiweiß zur Regeneration sollte 15 Minuten nach der Belastung aufgenommen werden. Das ist optimal.

Malte Rubach: "88 Ernährungsmythen. Was Sie über Ihr Essen wissen sollten", Droemer Knaur (18,90 Euro).