Bayern

Ladesäulen-Anbieter Qwello verklagt die Stadt

München ignoriert geltendes Recht, sagt Anwalt Benno Ziegler. Qwello werde gehindert, Ladepunkte aufzustellen


Henrik Thiele (l.) und Martin Kinne von Qwello zeigen bei einem Pressegespräch im Café Glockenspiel ihre Ladesäule. Das gelbe Kabel ist bis zu sechs Meter ausziehbar und wird am Ende wieder aufgerollt. "Hundert Prozent Ökostrom", versichert Thiele.

Henrik Thiele (l.) und Martin Kinne von Qwello zeigen bei einem Pressegespräch im Café Glockenspiel ihre Ladesäule. Das gelbe Kabel ist bis zu sechs Meter ausziehbar und wird am Ende wieder aufgerollt. "Hundert Prozent Ökostrom", versichert Thiele.

Von H. Ince

Die Lage um die Anzahl der Ladesäulen für Elektroautos ist im Europavergleich dramatisch schlecht in München: Während sich die Zahl der zugelassenen Elektroautos in der Stadt (rein elektrisch und auch Mischbetrieb Kraftstoff-Elektro) um das Neunfache vergrößerte (etwa 95 000 derzeit), hat sich die Zahl der Ladepunkte für solche Fahrzeuge seither kaum verändert: Knapp über 1500 Säulen stehen im Stadtgebiet.

"Amsterdam, eine Stadt mit weniger als einer Million Einwohnern, hat derzeit rund 7000 Ladepunkte", sagt Martin Kinne bei einem Pressegespräch am Freitag im Café Glockenspiel. Er ist von Qwello, einem europaweiten Betreiber von Ladesäulen. Bis zu 18 000 Ladepunkte werde es in Amsterdam bald geben. Sie seien derzeit im Bau.

Benno Ziegler, Anwalt von Qwello, hat sich mit all diesen Zahlen auseinandergesetzt. Denn er hat nun beim Verwaltungsgericht Klage eingereicht im Namen des Ladesäulen-Herstellers Qwello. Im Kern geht es darum, dass das Unternehmen der Stadt München angeboten hatte, bis zu 1800 Ladesäulen aufzustellen. Kostenfrei. München solle das dem Unternehmen doch erlauben - sagt auch der CSU-Landtagsabgeordnete Robert Brannekämper, der ebenfalls zur Presserunde eingeladen hatte und Qwello unterstützt.

Das zuständige Referat für Klima und Umwelt (RKU) lehnte das ab. Eine Ausschreibung sei erforderlich, hieß es in einer Antwort der Anwaltskanzlei Becker Büttner Held. Sie hatte die Sachlage Ende September 2022 für das RKU geprüft. Und diese Ausschreibung für 2700 Ladesäulen laufe seit 2020. Der Stadtrat hatte sie laut Ziegler 2018 beschlossen. Auch Qwello hatte sich beworben, wurde aber abgelehnt. Zu junge Firma, zu unerfahren, lautete die RKU-Begründung unter anderem.

"Die aktuelle Rechtsprechung scheint weder der Kanzlei noch der Stadt klar zu sein", sagt Benno Ziegler. Denn BBB zitiert unter anderem ein Urteil aus dem Jahr 2000. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Nordrhein-Westfalen habe damals über die Sache entschieden. Daher sei es nicht rechtmäßig, Qwello einen Zuschlag für 1700 Ladesäulen zu erteilen, während seit 2020 das Ausschreibungsverfahren laufe.

Ziegler erwidert: "Ich glaube, die haben einfach nicht zu Ende recherchiert." Denn das gleiche OVG habe 2021 geurteilt, dass es gar nicht nötig sei, für das Aufstellen von Ladesäulen eine Ausschreibung zu organisieren. Das Straßen- und Wegenetz sei laut dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof wettbewerbsneutral. Ziegler hat deshalb 2022 um ein Rechtsgutachten gebeten, bei Professorin Eva Julia Lose an der Uni Bayreuth, Inhaberin des Lehrstuhls für Öffentliches Recht, Europarecht und Rechtsvergleichung.

Am 12. Januar veröffentlichte nun Eva Julia Lose das Gutachten. Sie sieht es wie Ziegler: Die Frage, ob Ladesäulen in München aufgestellt werden dürfen, sei nicht vom Wettbewerbsrecht abhängig, sondern müsse auf der Grundlage des Straßen- und Wegerechtes entschieden werden.

Qwello habe daher Anspruch auf "Erteilung einer Genehmigung zum Aufstellen von Ladesäulen
auf öffentlichem (städtischen) Grund", heißt es in dem Gutachten weiter, das der AZ vorliegt. Benno Ziegler fühlt sich endgültig bestätigt darin, dass eben keine Ausschreibung für die Vergabe nötig sei. "Wenn Sie Ladesäulen aufstellen wollen, ist das in etwa so, als wenn sie eine neue Freischankfläche beantragen", sagt er.

Qwello-Chef Henrik Thiele, überzeugter E-Auto-Fahrer, betont, wie wichtig es ihm wäre, diese Ladepunkte aufstellen zu dürfen. "Nicht jeder wohnt in einem Einfamilienhaus und kann für sein Elektroauto eine Wallbox installieren", sagt der Geschäftsmann.

In Stockholm gehe das alles viel schneller. Dort sei Qwello inzwischen Marktführer. "Es ist schwierig, in München eine öffentliche Ladesäule zu erwischen", sagt Thiele, "ich glaube, viele Leute kaufen sich deshalb kein Elektroauto."