Bayern

Justizwachtmeister über seine Arbeit: "Angst ist in diesem Beruf fehl am Platz"

Sie passen auf, dass Angeklagte nicht aus dem Gerichtssaal türmen - Justizwachtmeister. Ein AZ-Gespräch über eine Arbeit, die sich komplett verändert hat und zu schlecht bezahlt wird.


Es ist ein Job, den er gerne macht: Justizwachtmeister Dieter Grossmann an seinem Arbeitsplatz im Augsburger Landgericht.

Es ist ein Job, den er gerne macht: Justizwachtmeister Dieter Grossmann an seinem Arbeitsplatz im Augsburger Landgericht.

Von John Schneider

München - Am 29. April wird der Bayerische Justizwachtmeisterverband 45 Jahre alt. Das wird im Löwenbräu groß gefeiert. Ein zweites Jubiläum: Seit 20 Jahren setzt sich Dieter Grossmann als 1. Vorstand für die Belange seiner Kollegen ein. Darauf ist der 62-Jährige, der seit fast 30 Jahren als Wachtmeister arbeitet, stolz. Die AZ hat die Jubiläen zum Anlass genommen, den Leiter der Wachtmeisterei am Augsburger Landgericht zu bitten, Fragen rund um seinen Beruf zu beantworten: Was braucht ein Justizwachtmeister, was tut er oder sie, ist Gewalt ein zunehmendes Problem, und können sich Wachtmeister München überhaupt noch leisten?

AZ: Herr Grossmann, was macht ein Justizwachtmeister?

DIETER GROSSMANN: Ein Justizwachtmeister ist für Sicherheit und Ordnung im Justizgebäude zuständig. Er besorgt die Vorführung von Gefangenen im Sitzungssaal und die Einlasskontrolle im Gerichtsgebäude. Er sorgt außerdem für die Sicherheit und Ordnung bei Gerichtsverhandlungen.

Das sind aber nicht die einzigen Aufgaben, richtig?

Dazu kommen noch Aufgaben aus der Verwaltung, wie zum Beispiel Videokonferenzen herstellen, Postbearbeitung und der Transport von Gerichtsakten, sowie jetzt neu dazu gekommen: die Annahme und Weiterleitung der Elektronischen Akte. Zu seinen Aufgaben gehört auch die Einrichtung von Scanstraßen (zur Digitalisierung von Dokumenten, die Red.), die Bedienung der Dienstfahrzeuge und der Einsatz als Dienstwagenfahrer.

"Es wird schwieriger, guten Nachwuchs zu bekommen"

Hat sich der Job seit ihren Anfängen verändert?

Er hat sich komplett verändert. Der Ursprung war der Amtsbote bei Gericht. Heute ist es die Sicherheits-Fachkraft in der Justiz mit einer kompletten Beamten- und Berufsausbildung. Unsere bayerischen Justizwachtmeister leisten an allen Gerichten sehr gute Arbeit. Es ist ein sehr schöner Beruf. Ich mache ihn sehr gerne.

Können sich Wachtmeister München noch leisten?

Wir brauchen unbedingt eine anständige Bezahlung. Justizwachtmeister ist immer noch eine Laufbahn im Einfachen Dienst. Es hat sich zwar schon mit der Zeit verbessert, aber ist einfach nicht mehr zeitgemäß. Es wird dadurch auch immer schwieriger, guten Nachwuchs zu bekommen. Wir sind dazu gerade im Gespräch mit dem Justizministerium und dem Oberlandesgericht München.

"Gewalt gibt es, wenn, dann eher verbal"

Was zeichnet einen guten Wachtmeister aus?

Er ist der erste Ansprechpartner bei den Gerichten und muss Einfühlungsvermögen im Umgang mit dem Bürger und Gefangenen haben. Teamfähigkeit ist sehr wichtig: Einer für alle und alle für einen. Er muss körperlich fit sein und gute Umgangsformen besitzen.

Wie viele Wachtmeister gibt es in München und Bayern?

In München gibt es etwa 220 Justizwachtmeister. In ganz Bayern sind es etwa 1100 Justizwachtmeister.

Wie ist zahlenmäßig das Verhältnis von Frauen und Männern in dem Beruf?

Das zahlenmäßige Verhältnis von Männern zu Frauen ist etwa 65 zu 35 Prozent.

Gibt es Frauen in leitenden Positionen?

Es gibt auch Frauen in Leitungsfunktionen.

Polizei und Sanitäter beklagen zunehmende Gewalt bei ihren Einsätzen, geht es Wachtmeistern ähnlich?

Gewalt gibt es. Aber eher weniger, wurde mir bislang auch nicht so oft gemeldet. Wenn dann eher verbal, das kommt schon vor.

"Angst ist in diesem Beruf fehl am Platz"

Haben Sie selbst brenzlige Situationen überstehen müssen, in denen sie vielleicht auch Angst hatten?

Beim Vorführen von Gefangenen ist es bei mir schon mal zum Widerstand gekommen. Aber wir arbeiten hervorragend im Team zusammen, sind da auch sehr gut ausgebildet. Solche Situationen haben wir bisher immer gut gemeistert. Angst ist in diesem Beruf fehl am Platz.

In Coburg und Regensburg ist jüngst Straftätern, die von der Polizei und nicht Justizwachtmeistern vorgeführt wurden, die Flucht gelungen. Wie wurde darauf reagiert?

Es ist eine Sicherheitsüberprüfung an allen bayerischen Gerichten durchgeführt worden.

"Ich wünsche mit mehr Personal und eine bessere Besoldung"

Was hat die ergeben?

Es soll noch mehr Sicherheit im Justizgebäude erreicht werden, zum Beispiel durch bauliche Verbesserungen. Die Zusammenarbeit der bayerischen Justiz und Polizei wird in diesem Bereich noch besser werden als bisher. Vor allem fordern wir mehr Justizwachtmeister für diesen Bereich.

Nach dem Mord an einem Dachauer Staatsanwalt im Gericht wurden die Sicherheitsvorkehrungen bereits hochgefahren. Reichen die Maßnahmen?

Nach den Vorfällen damals in Dachau und den jüngsten Vorfällen fordern wir dringend mehr Personal für den Justizwachtmeisterdienst in Bayern. Um noch mehr Sicherheit für den Bürger, Besucher und Mitarbeiter leisten zu können.

Wenn Sie einen Wunsch frei hätten, was wünschen Sie sich für ihren Berufsstand?

Die Wünsche für meinen Berufsstand sind mehr Personal und eine bessere Besoldung für den so verantwortungsvollen Beruf.