Bayern

Die Alleskönner-Zwillinge

Ölbilder retuschieren, Barockfiguren vergolden, Lüster reparieren: In Teil 2 unserer AZ-Serie über Münchens älteste Werkstätten geht's heute um die Brüder Neher, diein der Amalienstraße restaurieren.


Die Zwillingsbrüder Walter (l.) und Herbert Neher führen ihre Restaurierungswerkstatt in der Amalienstraße 24 seit über 40 Jahren.

Die Zwillingsbrüder Walter (l.) und Herbert Neher führen ihre Restaurierungswerkstatt in der Amalienstraße 24 seit über 40 Jahren.

Von Irene Kleber

München - Manchmal kommt zum guten Willen blödes Pech dazu. Dann wischt die neue Putzperle so feucht Staub auf dem Rokokoengel über der Tür, dass von der Goldfassung nichts mehr übrig bleibt. "Koa Witz", sagt Walter Neher in schönstem Münchnerisch, "des gibt's ständig". Oder das häusliche Unglück neulich, als ein Ölbild auf Leinwand plötzlich in Fetzen da hing, weil der Enkel im Wohnzimmer hat Fußball spielen müssen.

Der Weg führt dann gern zu ihm in die Amalienstraße zwischen Türken- und Ludwigstraße, wo bis zur Jahrtausendwende ein Antikhändler neben dem anderen zu finden war, aber längst Galerien, Studentencafés und Kneipen eingezogen sind. Nur auf der Hausnummer 24 nicht.

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An diesem Landschaftsbild von 1880 hat sich Farbe von der Leinwandgelöst. Herbert Neher ist ein Profi im Farbenmischen - und retuschiert.

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Blattvergolden ist eine alte Handwerkskunst, die Fingerspitzengefühl und eine ruhige Hand braucht.

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Diese Leinwand hat einen Riss und muss unauffällig geklebt werden.

Da trotzen die Zwillingsbrüder Neher, inzwischen 72 Jahre alt, dem Modernisierungstrend im Univiertel und restaurieren, retuschieren, vergolden und leimen alte Schätze, seit 1982 machen sie das.

Gerade sitzt Walter Neher an seinem alten Werkstatttisch, aus dem CD-Player wummert Café-del-mar-Musik, während er Blattgold auf ein antikes Lampenstück aufträgt. Um ihn herum stecken Pinsel, Gravierhaken und Polierachate in Gläsern. In raumhohen Regalen reihen sich Farben, Terpentin und Leime aneinander, dazwischen lehnen Bilderrahmen und stapeln sich Kisten. An einer Malerstaffelei hinten in der Ecke pinselt sein Bruder Herbert an einem kleinen Landschaftsgemälde aus den 1880er Jahren. An den Rändern hat sich Farbe gelöst, der Kunde, ein Händler, will das ausgebessert haben.

Bemerkenswert ist, dass die zwei Männer so gut wie alles irgendwie Antike restaurieren können. Möbel, Gemälde, Porzellan, Kristallleuchter, Ikonen, Goldrahmen oder geschnitzte Madonnen. Und dass man ihnen nachsagt, Originale und Fälschungen mit bester Trefferquote auseinanderhalten zu können.

Wieso eigentlich? "Erfahrung", brummt Walter Neher, während er weiter vergoldet, die Jahre hätten ihr Können perfektioniert und den Blick geschärft. Für Kunst und Antiquitäten. Aber für Ehrlichkeit und Schlawinertum auch. "Du lernst in dem Gewerbe halt schon viel über die Leut", sagt er. Und schweigt dann lieber.

Angefangen hat alles damit dass ihre Mutter ihnen, als sie Kinder waren, die Alten Meister in Form von Palmin-Sammelbildchen zum Spielen gegeben hat. Es habe dann nicht lang gedauert, bis beide so talentiert Leonardo da Vinci und Rembrandt kopiert hätten, dass es logisch war, bei den Meistern alten Handwerks ins Praktikum zu gehen: bei einem Kirchenmaler, beim Stuckateur, Vergolder und beim Gemälderestaurator. Irgendwann hat ein Kollege ihnen den Laden in der Amalienstraße vermittelt und da seien sie hängengeblieben.

Die Hochzeiten des Antik-Trends aus den 1980er und 90er Jahren sind lange vorbei und etliche Restaurierungswerkstätten zu - warum also halten sie sich immer noch, in der teuren Maxvorstadt?

"Weil mir guad san", sagt Herbert. "Und ehrlich", fügt Walter an, das wisse man in der Branche und unter den Antikhändlern, die es noch gibt. Weil der Vermieter ein freundlicher Mensch sei. Und weil es nach wie vor viele Sammler und Erben alter Schätze gibt in Münchens Bildungsbürgerwohnungen. Der neue Retro-Trend bringe sogar junge Kundschaft, die lieber Antikes wiederverwendet, als Neues zu kaufen.

In den Ruhestand verabschieden kommt für die Nehers also nicht infrage, "da wären wir ja blöd", sagt Walter Neher, "bei so einem schönen Beruf." Obendrein, wer sollte sonst das nächste Putzperlen-Malheur ausbügeln? Viele gebe es ja nicht mehr, die das noch können.