Dehoga-Chef zu Öffnung von Schankwirtschaften

"Damit man Infektionsketten nachvollziehen kann"


Bars und Kneipen haben momentan noch geschlossen. Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger will ihnen ermöglichen, mit einem Speise-Angebot wieder zu öffnen. Das wäre aber Stand jetzt wohl gar nicht einfach - denn es lauern rechtliche Fallstricke.

Bars und Kneipen haben momentan noch geschlossen. Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger will ihnen ermöglichen, mit einem Speise-Angebot wieder zu öffnen. Das wäre aber Stand jetzt wohl gar nicht einfach - denn es lauern rechtliche Fallstricke.

Von Redaktion idowa und mit Material der dpa

Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger will den Bars und Clubs im Freistaat eine Perspektive geben: Wenn sie auf den Partybetrieb verzichten und stattdessen Speisen anbieten, könnte man über eine Öffnung nachdenken. Was für manchen Gastronomen erst einmal gut klingt, ist allerdings wohl nicht so einfach umzusetzen. Dr. Thomas Geppert, Landesgeschäftsführer des Gaststättenverbands DEHOGA Bayern, äußert im Interview mit idowa Bedenken über die Umsetzbarkeit. Stattdessen macht er sich für eine generelle Öffnung von Schankwirtschaften stark - unter anderem, um Infektionsketten besser nachvollziehen zu können.

Herr Dr. Geppert, wie bewerten Sie den Vorstoß von Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger?

Dr. Thomas Geppert: Aus unserer Sicht könnten beziehungsweise sollten Schankwirtschaften generell öffnen dürfen. Dafür gibt es zwei Gründe: Erstens können Schankwirtschaften die Hygienekonzepte genauso erfüllen wie Restaurants auch. Und zweitens erleben wir gerade sogenannte Hotspots im öffentlichen Raum, wo sich Menschen treffen und relativ unkontrolliert Alkohol konsumieren. Von daher wäre es nur sinnvoll im Kampf gegen die Pandemie, Schankwirtschaften wieder zu öffnen und die Leute in Betriebe mit Hygienekonzepten und Gästeregistrierung zu holen. Damit man im Fall der Fälle Infektionsketten auch nachvollziehen kann.

Wäre es denn überhaupt möglich, dass Kneipen und Bars "auf die Schnelle" Speisen anbieten? Oder gibt es hier rechtliche Fallstricke, zum Beispiel erforderliche Konzessionen?

Geppert: Ganz so einfach ist es leider nicht. Aktuell können die Betriebe, die nur die Konzession für eine Schankwirtschaft haben, nicht öffnen. Das, was jetzt schon vereinzelt versucht wird, ist eine Umnutzung, um die Konzession möglicherweise noch zu erweitern. Zum Beispiel in Richtung Imbiss. Leider hakt es da aber meistens an den Anforderungen für eine Küche. Das einfachste wäre daher, wenn die Staatsregierung Schankwirtschaften generell wieder öffnen lassen würde.

Bars und Kneipen sind ohnehin besonders stark von den Corona-Maßnahmen betroffen. Was schätzen sie: Wie viele Betreiber werden die Krise überstehen?

Geppert: Zum Glück ist bislang die befürchtete Insolvenzwelle ausgeblieben. Das liegt sicher auch an den vielen staatlichen Maßnahmen. Die Insolvenzanzeigepflicht wurde ausgesetzt und viele Beiträge wurden gestundet. Die Frage wird nun sein, was im Herbst passiert. Da kann es natürlich nochmal brisant werden, wenn auch die klassischen Gaststätten keine Außenbereiche mehr bewirtschaften können, weil es die Temperaturen nicht mehr zulassen. Das Problem ist, dass es keine nachholbaren Umsätze gibt. Das Geschäft, das in den Monaten des Lockdowns ausgefallen ist, wird man nicht mehr zurückholen können. Aktuell sind die Betriebe bei schönem Wetter zwar sehr gut besucht und auch der reduzierte Umsatzsteuersatz wirkt, aber wie gesagt, der Herbst kann alles wieder anders machen. Die Lage bleibt prekär.

Was wären Ihre Wünsche an die Politik in der momentanen Lage?

Geppert: Zum einen, dass der reduzierte Umsatzsteuersatz beibehalten wird und auch Getränke eingegliedert werden, zum anderen, dass Schankwirtschaften wieder öffnen dürfen. Clubs und Diskotheken sollte nicht nur die Vermietung, sondern auch die Bewirtung erlaubt werden, damit sie zumindest etwas Umsatz machen können. Ansonsten sollten die Kurzarbeitsregeln möglichst lange fortgesetzt, die Insolvenzanzeigepflicht ausgesetzt und das Arbeitszeitgesetz flexibilisiert werden. Der momentane Kurs müsste beibehalten werden, sowohl mit Reformmaßnahmen, um den Staat fit zu kriegen, als auch mit Rettungsmaßnahmen für die Bereiche, die weiterhin unverschuldet geschlossen haben müssen.

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Hintergrund der Äußerungen von Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger ist ein Trend, der sich momentan in mehreren bayerischen Städten beobachten lässt. Aus Mangel an Anlaufstellen weichen Nachtschwärmer zunehmend auf öffentliche Plätze aus. Konflikte mit Anwohnern seien dann oft die Folge. "Wir müssen deshalb eine Abgrenzung finden, um eine Öffnung zu ermöglichen: Natürlich wird kein Disco- und Party-Betrieb möglich sein, aber es gibt Grenzbereiche, wo sich die eine oder andere Bar gut aufstellen kann, indem sie Speisen anbietet", sagte Aiwanger am Montag dem "Münchner Merkur". Er befürchtet vor allem in der bevorstehenden kälteren Jahreszeit einen Rückzug der Partyleute in private Räumlichkeiten. Dort könne der Staat den Infektionsschutz nicht mehr durchsetzen. "Dann wird die Garage oder die leere Wohnung der Oma zum Partykeller umfunktioniert", sagte Aiwanger. "Wir müssen wirklich aufpassen, dass sich hier im Privaten kein ganz großes Infektionsrisiko ergibt", betonte der Minister.