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Vielfahrer mit vielen Widersprüchen: So tickt Sechzig-Trainer Jacobacci

Für Maurizio Jacobacci ist der TSV 1860 die bereits 20. Trainerstation in 30 Jahren. Den Italo-Schweizer hat es nie lange bei einem Klub gehalten. In Giesing soll er sich selbst angeboten haben. Die AZ stellt ihn vor.


"Ich bin ein Motivator", sagt der neue Löwen-Coach Jacobacci über sich selbst - das muss er gleich unter Beweis stellen.

"Ich bin ein Motivator", sagt der neue Löwen-Coach Jacobacci über sich selbst - das muss er gleich unter Beweis stellen.

Von Victoria Kunzmann

Weiß-graue, zurückgegelte Haare, ein akkurat rasierter Dreitagebart, Sakko, Röhrenjeans, einzig eine Sonnenbrille wäre bei Schneeregen in Giesing Anfang der Woche fehl am Platz gewesen. Maurizio Jacobacci wirkt wie direkt aus einer Espresso-Werbung entsprungen.

Ein Typ, der lässig im Straßencafé sitzt und andere Menschen beim Sein (oder auch Schein) beobachtet. Ein Mann, der einen Hauch von Vítor Pereira - wenn sich noch jemand an den und seine wenig erfolgreiche Stippvisite bei den Löwen erinnert - in sich trägt.

Auch der Portugiese war vor sechs Jahren auf Wunsch der Investorenseite gekommen, aber krachend mit dem Absturz in die Vierte Liga gescheitert.

Der TSV 1860 riecht weder nach Laissez-faire noch nach Dolce Vita. Doch der Neue könnte ein bisserl Ruhe reinbringen. "Es gibt genau ein Ziel und das lautet: der nächste Gegner. Ich gehe Schritt für Schritt die Sache an", sagte er. Schritt für Schritt.

Doch angefahren an die Grünwalder Straße kam er mit einem Porsche. Er ist gern unterwegs, viel unterwegs. Im wahrsten Sinne des Wortes.


Sechzig ist bereits seine 20. Trainerstation. Zuletzt hat er zwei Monate in Tunesien gearbeitet, noch bevor sein Team Sfax die Playoffs erreichen konnte, war er weg. Nach zwei Siegen, drei Remis und drei Niederlagen. Die Mannschaft hat die K.o.-Runde ohne ihn erreicht.

Nun also Giesing, Dolce Vita in der nördlichsten Stadt Italiens. Wie lange Jacobaccis Vertrag gilt, daraus machen die Löwen-Verantwortlichen ein Geheimnis. Ohnehin wollen sie ihn, den neuen Löwen-Dompteur, erst einmal machen lassen. Ohne viel Wirbel - eine Rarität im 1860-Kosmos.


Der neue Trainer ist Italo-Schweizer, hat die italienische Staatsbürgerschaft, ist in der Schweiz geboren, spricht fließend deutsch, italienisch, französisch. Ein Vorteil. Schon als Spieler wechselte er häufig den Verein, lang hielt er es nirgendwo aus. Mit Neuchâtel Xamax, wo er drei Jahre spielte, wurde er 1987 Meister.

Nach seiner Karriere als Stürmer machte er nahtlos auf der Bank weiter, fing bei AS Origlio in der dritten Schweizer Liga an, ein Jahr später heuerte er beim nächsten Drittligisten an. Jacobacci kann seine vielen Wechsel gut erklären. Mal sei er für den kurzfristigen Erfolg geholt worden, zuletzt in Tunesien schob er die mittelmäßige Bilanz auf die Transfersperre des Klubs.

Mit dem Alpen-Nachbarland scheint er weniger gut zu können. Nach nur zwei Monaten bei Wacker Innsbruck - wo Ur-Löwe Daniel Bierofka etwa vier Jahre später war - zitierte der "Kicker" einen Spieler über den Trainer: "Wir wissen nicht, was wir tun sollen und was er von uns eigentlich will."

Was er bei den Löwen will, hat er erläutert. Er will die mentale Blockade lösen. "Ich bin ein Motivator, bin für die Spieler da." Der 60-Jährige, der mit der Künstlerin mit Promistatus Ilona Hug (Witwe der im Jahr 2000 an Leukämie verstorbenen Kampfsport-Legende Andy Hug) liiert ist, siezt sich mit seinen Spielern auf Augenhöhe. Nach dem Abrutschen auf Platz acht und drei Niederlagen aus den letzten fünf Spielen, brauchen die Löwen Hoffnung.

Obwohl sich Jacobacci als "Taktikfreak" bezeichnet, will er sein neues Team nicht gleich damit überfrachten. Sein letztes Team Sfax schoss unter seiner Anleitung vier Tore in acht Spielen, kassiert auch nur eines mehr. Die Defensive muss funktionieren. Vor drei Jahren, als er beim FC Luzern im Gespräch war, wehrte er sich gegen den Mauer-Vorwurf: "Wenn FCL-Sportchef Rémo Mayer denkt, ich sei ein defensiver Trainer, liegt er falsch", sagte Jacobacci. "In Lugano ließ ich aufgrund der vorhandenen Spieler defensiv spielen, bei Sion war es umgekehrt."

Jener Rémo Mayer spielte von 2002 bis 2006 selbst bei Sechzig. Ob die Giesinger Offensivspieler Fans des Catenaccio sind? Der neue Löwen-Trainer vereint den Lebemann und Feuerwehrmann, er ist Taktikfreak - und doch keiner. In Giesing wollen sie ihn machen lassen.

Wer weiß. Vielleicht bleibt der Vielfahrer ja ein bisserl länger...