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Ricco Groß: "Wenn es richtig kracht, ist es der richtige Biathlon

Ricco Groß hat beste Erinnerungen an Oberhof als WM-Standort. In der AZ spricht die Biathlon-Ikone über dominante Norweger, sein slowenisches Team, Worte an Franziska Preuß und Laser-Gewehre.


Ricco Groß

Ricco Groß

Von Martin Wimösterer

AZ-Interview mit Ricco Groß: Die Biathlon-Ikone (52, Foto: dpa) arbeitet seit einem Jahr als Cheftrainer des slowenischen Teams.

AZ: Herr Groß, Sie sind Trainer der slowenischen Biathleten - sehen Sie die laufende Weltmeisterschaft in Oberhof dann überhaupt als Heim-WM?

RICCO GROSS: Natürlich ist das für mich eine Heim-WM! Noch dazu verbinde ich Oberhof mit extrem positiven Erinnerungen.

Sie gewannen dort als Aktiver bei der WM 2004 zweimal Gold und einmal Silber. Welche Bilder gehen Ihnen durch den Kopf, wenn Sie daran denken?

Zuallererst die fantastische Kulisse an der Strecke. Die war der Wahnsinn! Und in seinem letzten Rennen wurde Frank Luck noch mal Weltmeister. Das war emotional für uns alle, ich denke gerne daran zurück. Die Medaillen habe ich zuhause in einer Schachtel.

Vorzeitiges Saisonende: Preuß.

Vorzeitiges Saisonende: Preuß.

Haben Sie sie vor der WM Ihrem Team als Motivation gezeigt?

Das wäre eine gute Idee gewesen. (lacht)i Das hätte ich in Ruhpolding tun können, da haben wir uns den Feinschliff für die WM geholt. Dort hatten wir beim Weltcup schon einen Vorgeschmack auf die WM bekommen, da war Halligalli in Reinkultur. Und wir haben dort als Team gute Gefühle gesammelt.

Ihr Starter Jakov Fak wurde in Ruhpolding Dritter über 20 km.

Das hat der ganzen Mannschaft gutgetan. Er ist mit 35 Jahren unser Routinier, wir haben dahinter eine junge Truppe.

Sie haben in Slowenien einen Vier-Jahres-Vertrag unterzeichnet. Um etwas aufzubauen?

Das war eine Grundvoraussetzung für mich: dass wir etwas entwickeln wollen. Bei der EM im Januar hat Lovro Planko Bronze über 20 km geholt. Dieser Kamerad ist ein Junior! Es muss aber für seine Entwicklung sorgsam durchdacht sein, wo er und wie oft er antritt. Es kann für junge Biathleten ein gutes Ergebnis sein, mal in die Punkte zu laufen. Es geht voran. Fak kriegt Druck von den jungen Athleten.

Slowenien hat, das ist erstaunlich für das Land mit nur 2,18 Millionen Einwohnern, sportartübergreifend zahlreiche Topsportler: Luka Doncic im Basketball, Anze Kopitar im Eishockey, Anze Lanisek im Skispringen. Wie gelingt das?

Den Slowenen ist der Sport sehr, sehr wichtig und sportliche Erfolge steigern den Bekanntheitsgrad. Sonst heißt es: Boah, herrje, Slowenien - wo liegt das eigentlich genau? (lacht) iDer Sport hat auch mit dem Nationalstolz jedes Slowenen zu tun. Man merkt das im Land und auch an der Wertschätzung jedem Sportler und Trainer gegenüber. Die Leute sind mit Begeisterung dabei.

Fak war einer der Wenigen, die in die Phalanx der Norweger einbrachen. Wer kann die Norweger, allen voran Johannes Thingnes Bö, schlagen?

Im Männer-Bereich ist es sehr, sehr schwer. Es hat in dieser Saison nur sehr wenige gegeben, die ansonsten aufs Podium gelaufen sind. Doch auch diese Athleten stehen unter Druck. Vielleicht ist der Rucksack, den Johannes nach sechs Siegen in Folge mit zur WM bringt, zu schwer. Doch wenn er in Oberhof Gold gewinnt, hält es der Saison den Spiegel vor.

Wie sehen Sie die deutschen Biathleten? These: Die goldenen Zeiten mit Ricco Groß, Frank Luck sind erst einmal vorbei.

Das liegt in erste Linie an den Norwegern! (lacht)i Nein, solche Entwicklungen unterliegen immer Wellenbewegungen - und wie es im spezifischen Moment um die Fitness bestellt ist. Die Franzosen etwa waren vor einem Jahr extrem stark, nun wirken sie etwas müde. In Deutschland kann man sich auf einige Größen immer verlassen. Doch in Deutschland ist die Medienlandschaft etwas schärfer, das darf man nicht vergessen.

Franziska Preuß hat ihr vorzeitiges Saisonende vermeldet.

Ich war noch in Deutschland, als sie ihre ersten Schritte bei den Erwachsenen nahm. Es ist sehr schade für das Mädl, dass sie die Saison beenden musste. Ich habe mich mit ihr unterhalten können und habe ihr gesagt, dass sie alles richtig gemacht hat, wenn sie sich nicht zu 100 Prozent sicher fühlt, weil ihr zu viele Trainingstage abgingen. Franzi ist nicht da, um sich eine Teilnehmerurkunde abzuholen. Sie ist eine tolle Athletin. Ohne Franzi würde Deutschland mit vier Medaillen weniger dastehen. Sie kann Staffeln entscheiden! Doch es war großartig anzuschauen, dass es die Deutschen in anderer Besetzung in Antholz gut gemacht haben. Hanna Kebinger - Respekt, was sie an dem Wochenende gelaufen ist, nicht nur in der Staffel.

Die Staffel als Königsdisziplin?

Die Staffeln sind spannend. Der 20-km-Lauf - das ist reiner Männersport. Uff! Er geht an die Kräfte und ist auch von Taktik geprägt, dass man doch bei 100 Prozent am Schießstand ist. Das ist ein Vabanquespiel! Beim Sprint kann der, der alles riskiert, alles gewinnen.

Ein Blick in die Zukunft des Biathlons: Sie soll bei Laser-Gewehren liegen. Ihre Meinung?

Es gibt verschiedene Varianten. Blei ist ein Giftstoff, da brauchen wir nicht diskutieren. Man könnte mit anderen Projektilen schießen, es wurden schon Versuche dazu gemacht. Auch Laser ist eine Option. Wenn es richtig knallt, ist es in meinen Augen der richtige Biathlon.

Wie sehr treibt die Szene eigentlich das Stichwort Schneesicherheit um?

Es ist wichtig, darauf hinzuweisen, dass man mit den Ressourcen sorgsam umgehen muss, damit auch künftige Generationen in den Genuss kommen. Es gibt aber Regionen, da fällt es besser aus als in anderen. Bei der Vorbereitung in Pokljuka lagen eineinhalb Meter Schnee vor dem Fenster - und Pokljuka liegt nicht extrem hoch. Wir hatten perfekte Bedingungen.