WM-Titel im Schwergewicht

Fury gegen Wilder: Der Boxkampf der Großmäuler


Eine Freakshow, die schon fast an Slapstick erinnert: Schwergewichtsweltmeister Deontay Wilder (l.) und sein Herausforderer Tyson Fury.

Eine Freakshow, die schon fast an Slapstick erinnert: Schwergewichtsweltmeister Deontay Wilder (l.) und sein Herausforderer Tyson Fury.

Von Michael Schleicher / Online

Deontay Wilder und Tyson Fury boxen in LA um die WM-Krone im Schwergewicht. Es ist das Duell zweier durchgeknallter Fighter.

Los Angeles - Klar, das Ballyhoo, das Schaumschlagen, das eigene Ego aufbauen und den Gegner kleinmachen, gehört zum Boxen. Was aber WBC-Weltmeister Deontay Wilder und sein Herausforderer, Ex-Champ und Klitschko-Entthroner Tyson Fury, vor ihrem Fight in der Nacht auf Sonntag (ca. 3.00 Uhr, DAZN) in Los Angeles veranstalten, hat eher mit einer hanebüchenen Wrestling-Show zu tun.

Der Kampf der Großmäuler. Sie beschimpfen sich, dass selbst Gossenkinder rote Ohren bekommen. Sie beleidigen und schubsen sich, machen Faxen, reißen sich - wie Fury - das Hemd vom nicht ganz so durchtrainierten Körper. "Du bist ein Nichts, dein größter Ruhm wird sein, der Mann zu sein, dem Tyson Fury den Titel abgenommen hat, Spargeltarzan", giftete 2,06-Meter-Hüne Fury, der sich Gypsy King (Zigeunerkönig) nennt und in 27 Kämpfen ungeschlagen ist. "Ich bin mit Killern aufgewachsen, ich habe in deren Augen gesehen. Und du? Du hast die Augen eines Schmusekätzchens."

Wilder ist in 40 Kämpfen unbesiegt

Das wilde Schmusekätzchen nennt sich "Bronze Bomber" und ist in 40 Fights unbezwungen. Bronze steht für den Gewinn dieser Medaille bei Olympia 2008. Der Bomber ist eine Anspielung auf seine enorme Schlagkraft - Wilder hat eine Knockout-Quote von 98 Prozent - und zugleich Hommage an den unvergessenen Joe Louis († 1997), der als der "Brown Bomber" bekannt war. "Tyson, du trittst nicht gegen Deontay Wilder an, sondern gegen den Bronze Bomber, er ist der bösartigste Mensch der Welt", so Wilder, der vor einiger Zeit fabuliert hatte, dass dieses Alter Ego unbedingt einen Menschen im Ring töten wollte.

Furys Konter folgte: "Dein Kampfname allein sagt, dass ich dich schon besiegt habe. Bronze, das kriegen die Drittplatzierten. Ich bin der Erste! Immer! Du zitterst doch vor mir." Wilder schoss zurück: "So wie ich aufgewachsen bin, konnte ich es mir gar nicht leisten, vor irgendjemandem Angst zu haben. Ich fürchte niemanden! Du hast gar keine Ahnung, wie viel Schmerz in mir herrscht, ich werde ihn an dir auslassen, bis du ihn selber spürst."

Ein Schicksalsschlag brachte Wilder zum Boxen

Wilder ist im tiefsten Alabama aufgewachsen, Rassismus war dort fast an der Tagesordnung. Eigentlich wollte der 2,01-Mann Footballer oder Basketballer werden, doch als er 19 Jahre alt war, kam Tochter Naieya zur Welt. Sie litt unter einer schweren Wirbelsäulendeformation.

Um die horrenden Arztrechnungen bezahlen zu können, entschied sich der jetzt 33-Jährige zu boxen, um schneller an Geld zu kommen. "Jeden Gegner, der in den Ring steigt, betrachte ich als Feind, der meiner Tochter ihr gutes Leben nehmen will", erklärte Wilder, der mit 21 das Boxen anfing. Dass er keine große Boxschule durchlaufen hat, sieht man an jeder seiner Ring-Aktionen. Er ist unkonventionell, teils unkoordiniert, lebt von seiner enormen Schlagkraft.

Fury: "Der nächste Schritt wäre Selbstmord gewesen"

Auch Furys Lebensgeschichte ist von extremen Tiefen geprägt. Er wuchs in einer irischen Wandererfamilie auf. Gegen seine Volksgruppe gibt es in Großbritannien extreme Vorurteile. Vater John, der früher Kämpfe mit bloßen Fäusten ausgetragen hatte, saß mehrere Jahre im Gefängnis, weil er einem ehemaligen Freund, mit dem er sich zerstritten hatte, in einer Schlägerei das Auge mit dem Finger ausgedrückt hatte.

Fury neigt zur Fettleibigkeit, litt an schweren Depressionen, trank nach seinem Sieg über Wladimir Klitschko im Jahre 2015 exzessiv, wurde positiv auf Kokain getestet. "Ich war so weit am Boden, es ging nicht tiefer", sagte Fury, ein tiefgläubiger Katholik, "der nächste Schritt wäre Selbstmord gewesen. Ich habe dafür gebetet, dass mich jemand umbringt, damit ich nicht Selbstmord begehen muss und auf alle Ewigkeit in der Hölle schmoren muss." Jetzt will er den Titel zurück - und wieder in den Box-Olymp aufsteigen.