Ex-Formel 1-Star im AZ-Interview

DTM-Chef Gerhard Berger: "Man darf Vettel nicht abschreiben"


Benzin im Blut: Gerhard Berger spricht sich als DTM-Chef im AZ-Interview klar gegen eine voll-elektrische Zukunft im Motorsport aus.

Benzin im Blut: Gerhard Berger spricht sich als DTM-Chef im AZ-Interview klar gegen eine voll-elektrische Zukunft im Motorsport aus.

Von Bernhard Lackner

Ex-Formel 1-Star Gerhard Berger ist Chef der DTM. Hier spricht der Österreicher über die Sorgen beider Serien, die Zukunft des Motorsports und den Tod von Niki Lauda: "Er hinterlässt gewaltige Spuren."

Gerhard Berger fuhr von 1984 bis 1997 210 Rennen in der Formel 1, holte zehn Siege. Heute ist er Unternehmer und unter anderem der Vorsitzende des DTM-Vermarkters ITR.

AZ: Herr Berger, sind Sie nach dem vergangenen Wochenende schon wieder abgekühlt? Beim Großen Preis von Österreich fing Ihr McLaren bei der "Legenden-Parade" Feuer.
GERHARD BERGER: Geht schon wieder, danke. Früher wurden die Autos heiß, wenn ich sie über die Strecke gejagt habe, jetzt scheinbar schon, wenn ich mich reinsetze. (lacht)

Auch im Rennen war es hitzig. Wie haben Sie das Überholmanöver von Max Verstappen gegen Charles Leclerc gesehen?
Das war ein absolut korrektes Überholmanöver. Es war noch genug Platz für beide Autos. Dass sie sich da berühren, ja mei… Das gehört zum Sport dazu, in der DTM haben wir das ständig, darum heißt sowas ja auch Rad-an-Rad-Duell.

Berger: "Ich trau Sebastian noch einiges zu"

Da wird es einmal spannend in der Formel 1 - und dann wird diskutiert. Ist das eines der großen Probleme dieser Serie?
Wir haben zumindest mal wieder ein spannendes Rennen gesehen. Ob man dann diskutieren muss oder nicht, das ist Geschmackssache. Wir in der DTM machen das nicht.

Momentan macht Lewis Hamilton fast, was er will. Ist er schon der Beste aller Zeiten?
Er ist ein super Fahrer. Aber der Beste aller Zeiten? Natürlich, statistisch gesehen hat er die Möglichkeit, Michael Schumacher zu überholen. Er macht einen hervorragenden Job. Aber immer diese Frage nach dem Besten aller Zeiten... Das kann man schwer vergleichen.

Und Sebastian Vettel? Ist er ein "Auslaufmodell", wie manche Medien schreiben?
Totgesagte leben länger. Ich trau Sebastian noch einiges zu. Er ist ein cleverer Kerl, auch wenn es momentan für ihn etwas schwierig ist. Da kommen ein paar Fehler zusammen, nicht nur von ihm, auch Fehler, die sein Team macht. Dann hat er auch noch Pech. Trotzdem, man darf Sebastian nicht abschreiben, nicht umsonst ist er vier Mal Weltmeister.

Berger: "Niki hinterlässt gewaltige Spuren"

Etwas verblüffend ist die Tatsache, dass Mercedes nach dem Tod von Vorstands-Mitglied Niki Lauda scheinbar unbeeindruckt weiterfährt.
Motorsportchef Toto Wolff hat viel von Niki gelernt, von daher ist es nicht verwunderlich. Das Team ist sehr gut aufgestellt, dazu machen sie kaum Fehler.

Wie sehr fehlt Lauda der Formel 1, auch als Mann der klaren Worte?
Sehr, sehr. Niki hinterlässt gewaltige Spuren als Mensch, als Fahrer, als Kollege - auch bei mir. Es ist schon hart zu realisieren, dass jetzt nicht mehr das rote Kapperl um die Ecke kommt. Er war ein toller Mensch, er hat halt einfach immer gesagt, was er denkt. Und das ist auch der Grund seiner Popularität. Die Leute wussten immer, der Mann verratscht sich ned, der sagt immer, was er glaubt.

Kommen wir zur DTM, da dürfte Ihnen die aktuelle Langeweile in der Formel 1 ja ganz gut zu pass kommen, oder?
Wir haben ein gutes Produkt, zerbrechen uns ständig den Kopf darüber, wie wir es verbessern können. Unser Ansatz ist, weniger mit dem Ingenieurs-Kreis zu diskutieren, wie in der Formel 1, sondern zu fragen: Was wünscht sich der Fan, und wie reagiert er auf unser Produkt? Ich glaube, das ist der richtige Ansatz. Aber mein Gott, auch wir haben Probleme.

Aber kein Spannungs-Problem. Aktuell liefern sich vier Fahrer aus vier Teams ein enges Rennen um den Titel.
Wir versuchen, so komisch es klingen mag, immer auch ein wenig Entwicklungen einzudämmen. Denn diese kosten ja nicht nur viel Geld, sondern sie verzerren zuweilen auch den sportlichen Wettkampf. Die entscheidenden Fragen auf der Strecke sollten doch nicht sein: "Wer hat das bessere KERS-System?" oder "Wer hat die bessere Batterie?" Es sollte doch so sein, dass der Fahrer und seine Abstimmung die wesentlichen Faktoren sind.

Berger traut Aston Martin den nächsten Schritt zu

Frischen Wind in die DTM brachte Aston Martin. Wie fällt Ihr erstes Fazit zu deren Einstieg aus?
Ich finde, sie machen einen super Job. Am Anfang hat jeder gesagt: "Das schaffen die doch nie, so schnell ein Auto an den Start zu bringen!" Aber sie haben es gepackt und fahren schon sehr gut mit. Ich denke, es folgt bald der nächste Schritt.

Am Wochenende geht es an den Norisring, früher eine Paradestrecke von Mercedes. Kommt da wieder ein bisschen Wehmut ob des Abschieds der Sterne auf?
Das schmerzt nicht nur am Norisring. Für mich ist es einfach so, dass Mercedes eine starke Marke ist, die der DTM weiter gutgetan hätte. Mercedes war vielleicht sogar ein bisschen mehr. Sie waren die Marke, die die Serie jahrelang geprägt hat. Aber nun müssen wir es sportlich sehen. Alles kann ersetzt werden. Im Ticketverkauf stehen wir derzeit sogar besser da als im Vorjahr, obwohl Mercedes weg ist.

Die Marke widmet sich nun mehr dem E-Racing. Für die DTM schließen Sie ja eine voll-elektrische Zukunft aus.
Mein Problem damit ist, dass mich die vollelektrische Technologie auch nicht für ein Straßenfahrzeug überzeugt. Ich glaube, dass diese Technologie nur ein politisch getriebener Hype ist, der am Ende aber nicht alle Probleme lösen wird.

Aber gerade in der aktuellen Debatte um den Klimaschutz wird sich auch der Motorsport mit dieser Frage auseinandersetzen müssen.
Wissen Sie was, ich habe lange nahe am Hafen von Monaco gelebt. Jeden Abend musste ich meine Fenster zumachen, weil die dicken Kreuzfahrtschiffe da reingefahren sind. Und wenn die in der Nacht ihre Generatoren angeschmissen haben, dann ist die Stadt erstickt - Tag für Tag. Wenn ich mir dazu im Verhältnis die Emissionswerte von einem Rennmotor anschaue, dann relativiert sich die Diskussion.

E-Mobilität? Gerhard Berger ist noch skeptisch

Sie sehen den Motorsport weiter als richtungsweisend für die Straßenfahrzeuge?
Ich gehe sogar so weit, dass ich sage, die Zukunft liegt für mich bei einer neuen Generation von Verbrennungsmotoren mit synthetischem Kraftstoff und Hybdrid-Technologie. Das macht für mich mehr Sinn. Ich würde mir wünschen, dass die öffentliche Diskussion über die E-Mobilität etwas mehr in die Tiefe geht: Wie und wo entstehen die Batterien? Was bräuchte es alles, wenn man Millionen von E-Autos bauen würde? Welche Lebenszeiten haben die Batterien und was passiert danach? Wo kommen die Rohstoffe her? Das sind so viele Fragen, die nicht zu Ende gedacht sind. Und deshalb tu' ich mich auch so schwer, auf diesen Zug aufzuspringen.

Sportlich probieren Sie einiges aus, wie die Idee mit Gastfahrern. Motorrad-Star Valentino Rossi ist im Gespräch, ebenso Fernando Alonso. Wie sieht es damit aus?
Beide sind momentan noch kein Thema. Valentino hat mir gesagt, er würde die DTM gerne mal ausprobieren, aber erst nach seiner Motorrad-Karriere. Auch Fernando fänden wir super, aber momentan klappt das leider noch nicht.

Damit löst man vielleicht auch die "Star-Frage" in der DTM. Die ganz großen Namen wie früher Mika Häkkinen oder Ralf Schumacher sind nun ja nicht mehr dabei.
Ich will gute Fahrer. Und ich denke, so Typen wie der Rene Rast oder der Timo Glock, das sind super Kerle, die tolle Leistungen abrufen. Wenn dann mal ein Guter aus der Formel 1 kommt, hätte ich nichts dagegen.