Landkreis Landshut

Nach eiskalter Rache am Arbeitsplatz: Mobbing-Opfer muss sechs Jahre hinter Gitter


Symbolbild: dpa

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Von kö

"Ich bin schuldig. Ich brauche keinen Verteidiger", hatte Nusmir P. zu Prozessbeginn gesagt. Nachdem der 47-Jährige eingeräumt hatte, am 28. Oktober 2013 an seinem Arbeitsplatz auf einen Kollegen eingestochen zu haben, war es in den folgenden zwei Hauptverhandlungstagen dann dementsprechend weniger um die Schuldfrage gegangen: "Die Strafzumessung war das Interessante an diesem Verfahren", sagte Vorsitzende Richterin Gisela Geppert heute in der Urteilsbegründung.

Die erste Strafkammer des Landgerichts war von einem bedingten Tötungsvorsatz ausgegangen und zu dem Ergebnis gekommen, dass eine Freiheitsstrafe von sechs Jahren wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung tat- und schuldangemessen ist.

Wie berichtet, war es an der Laderampe einer Firmenhalle in Oberding, Landkreis Erding, gegen 0.30 Uhr zu einem Streit zwischen Nusmir P. und einem Arbeitskollegen gekommen. Beide Lkw-Fahrer hatten gerade ihre Arbeit angetreten und wollten ihre Fahrzeuge beladen. Schließlich holte P. aus der Produktionsabteilung ein Küchenmesser, das er auf einem Regalwagen an seinem Arbeitsplatz ablegte. Als Nermin B. aus der Kühlung ebenfalls in die Halle zurückkehrte, ging der gebürtige Bosnier mit dem Messer auf ihn los. Mindestens zwei Mal stach er laut Anklage von oben herab auf den 38-Jährigen ein und verletzte ihn an der linken Schulter und im Bereich der Achselhöhle. Das Messer ließ er schließlich fallen, nachdem B. sich zum Schutz eine Plastikbox geschnappt und P. mit dieser durch einen Schlag ins Gesicht das Nasenbein gebrochen hatte.

Polizeibeamter: "Es war ein eiskaltes Vorgehen"

Der Sachverhalt stand vor allem nach dem Geständnis von Nusmir P. für alle Beteiligten fest. Nur was das Motiv und die Bewertung der Tat betraf, da gingen die Meinungen auseinander. Ein Polizeibeamter hatte während der Beweisaufnahme von einem "eiskalten Vorgehen" des Angeklagten gesprochen. Landgerichtsarzt Dr. Hubert Näger, der zur Frage der Schuldfähigkeit Stellung beziehen sollte, konnte keine Anhaltspunkte für eine Strafmilderung finden und erklärte P. für voll schuldfähig. Staatsanwalt Klaus Kurtz sprach in seinem Plädoyer von der "Nichtigkeit des Anlasses" und den traumatischen Folgen für das Opfer - B. ist aufgrund der psychischen Folgen bis heute arbeitsunfähig - und forderte für P. eine Freiheitsstrafe von siebeneinhalb Jahren.

"Viele kleine Nadelstiche, die wie bei einem Vulkan zur Eruption geführt haben"

Der Vertreter der Nebenklage schloss sich dieser Forderung an: Sein Mandant habe P. mehrere Male eine Aussprache angeboten. Doch der Angeklagte habe bewusst diese "archaische Form der Auseinandersetzung" gewählt. Die Verteidiger Christoph Spilger und Manfred Jomrich gingen indes von einer Tat im Affekt aus; eine Tötungsabsicht sei nicht vorhanden gewesen. "Es waren viele kleine Nadelstiche, die P. an seinem Arbeitsplatz erdulden musste, und die schließlich wie bei einem Vulkanausbruch zur Eruption geführt haben", sagte Jomrich. Beide Anwälte beantragten eine Freiheitsstrafe von vier Jahren.

Nusmir P. hatte als Motiv für seine Tat monatelanges Mobbing durch den Geschädigten genannt. An jenem Abend habe B. ihm Schläge angedroht, wenn er seinen Lkw nicht umparke. "Da bin ich explodiert wie eine Flasche Cola, wenn man sie schüttelt." B. hatte diese Vorwürfe vor Gericht bestritten.