Bestsellerautor im AZ-Interview

Lüders: "Ein Krieg im Iran stärkt nur die Hardliner"


Die USA prüfen laut Medienberichten die Entsendung von 120 000 Soldaten in den Nahen Osten. Eine Invasion in den Iran ist angeblich nicht geplant, berichtet die "New York Times". Beim Einmarsch in den Irak 2003 hätten die USA allerdings Truppen einer ähnlichen Größenordnung eingesetzt. Das Foto zeigt US-Militärs damals in Falludscha.

Die USA prüfen laut Medienberichten die Entsendung von 120 000 Soldaten in den Nahen Osten. Eine Invasion in den Iran ist angeblich nicht geplant, berichtet die "New York Times". Beim Einmarsch in den Irak 2003 hätten die USA allerdings Truppen einer ähnlichen Größenordnung eingesetzt. Das Foto zeigt US-Militärs damals in Falludscha.

Von Guido Verstegen / Online

Der Nahost-Experte Michael Lüders über die zunehmende Spannung zwischen Washington und Teheran, seine Hoffnung auf Europa- und die verheerenden Folgen einer möglichen Eskalation.

Der Bestsellerautor ("Wer den Wind sät") studierte in Damaskus sowie Berlin Publizistik, Islam- und Politikwissenschaften. Zuletzt veröffentlichte er "Armageddon im Orient - Wie die Saudi-Connection den Iran ins Visier nimmt".

AZ: Herr Lüders, Ihr Buch "Armageddon im Orient" trägt den Untertitel "Wie die Saudi-Connection den Iran ins Visier nimmt". Ihnen wurde vorgeworfen, zu alarmistisch zu sein. Jetzt scheint ihre düstere Prognose jedoch Wirklichkeit zu werden.
MICHAEL LÜDERS: Ich glaube, viele Menschen im Westen haben die Vorbereitungen zu einem möglichen Krieg gegen den Iran nicht sehen wollen. Denn in unserer Vorstellung, bei aller Kritik an Trump, herrscht doch der Glaube vor, dass der Westen Teil einer Wertegemeinschaft ist und für Freiheit, Demokratie und Menschenrechte steht. Dass die Amerikaner nun im Alleingang den möglichen Krieg gegen den Iran vorbereiten, das überrascht viele Europäer. Aber sie haben keine Antwort darauf, wie man damit umgehen soll.

Ist Europa außenpolitisch zu schwach?
Man kann sich schlecht mit der Weltmacht USA anlegen. Andererseits haben Deutschland und Frankreich 2003 beim völkerrechtswidrigen Krieg gegen den Irak den Amerikanern die Unterstützung verweigert. Man kann nur hoffen, dass sie dies wieder tun würden, wenn die Amerikaner einen Krieg gegen den Iran beginnen sollten.

Bisher hält Europa am Atomabkommen mit Teheran fest, das Trump ja eigenmächtig aufgekündigt hat. Auch der Iran will ja daran festhalten, aber er erhält nicht die versprochenen Gegenleistungen für seine Zustimmung.
Die westeuropäischen Signatarstaaten England, Frankreich und Deutschland bieten nur Lippenbekenntnisse. Sie haben nichts unternommen, um die wirtschaftlichen Sanktionen abzufedern, die die USA gegen den Iran verhängt haben, oder dem Iran in irgendeiner Weise einen Ausweg aus der wirtschaftlichen Misere zu zeigen. Bis Ende des Jahres soll zumindest das Instex-Programm stehen. Ursprünglich sollten darüber alle europäisch-iranischen Handelsgeschäfte abgewickelt werden, davon hat man jetzt auf amerikanischen Druck hin Abstand genommen. Es geht nur noch um humanitäre und medizinische Lieferungen.

Nahost-Experte Michael Lüders.

Nahost-Experte Michael Lüders.

Lüders: "Sanktionen der Amerikaner sind völkerrechtswidrig"

Die USA bestrafen den Iran für Vertragstreue?
Die Iraner haben das Problem, dass sie zwölf Jahre mit dem Westen verhandelt und schließlich dem Atomdeal zugestimmt haben. Was haben sie dafür bekommen? Erniedrigung und einen potenziellen Krieg. Diese Erfahrung der Iraner wird für viele Staaten auf der Welt eine Lehre sein: Man kann sich in existenziellen Fragen nicht auf die Verträge verlassen, die man mit dem Westen geschlossen hat.

Der Iran kann sein Erdöl nicht mehr exportieren, die Sanktionen betreffen auch noch andere Handelszweige.
Das ist eine wirtschaftliche Form der Kriegsführung. Die Wirtschaftssanktionen, die die USA verhängen, sind zudem völkerrechtswidrig. Es sind einseitige, von der Weltmacht USA verhängte Sanktionen ohne irgendeine Rechtsgrundlage.

Suchen die USA für einen Krieg gegen den Iran eine Begründung?
Es wird sich immer eine finden. Die jetzt gemeldeten Drohnenangriffe auf Ölanlagen in Saudi-Arabien, von denen wir nicht wissen, wer dahintersteckt, sind schon ein Signal dafür, was die Region erwartet, wenn es zum Äußersten kommt. Ich kann mir in der jetzigen Situation allerdings nicht vorstellen, dass die iranische Führung so dumm ist, derartige Provokationen herbeizuführen. Es ist also entweder ein von interessierter Seite geschaffener Vorwand. Es kann aber auch durchaus sein, dass die schiitische Minderheit in Saudi-Arabien, die dort massiv unterdrückt wird, glaubt, sich nun mit dem Iran solidarisch zeigen zu müssen. Wir können hier nur spekulieren.

"Dann kostet der Liter Benzin bei uns acht Euro aufwärts"

Trump will ein anderes Regime im Iran. Können Bomben die Menschen gegen die Regierung auf die Straße treiben?
Ganz im Gegenteil. Im Falle eines Krieges wird sich die Bevölkerung viel stärker hinter ihre Regierung stellen. Perspektivisch werden natürlich die Hardliner im Iran bestärkt, weil sie zu Recht argumentieren können, dass Gespräche mit dem Westen reine Zeitverschwendung sind. Die gesellschaftliche Entwicklung in Richtung einer Öffnung wird um Jahre zurückgeworfen. Es gibt sehr viel berechtigte Kritik am Regime in Teheran, aber das rechtfertigt nicht einen möglichen Krieg, der - egal, unter welchem Vorwand begonnen - ein völkerrechtswidriger Angriffskrieg wäre.

Mit jedem Schiff und jedem Ausrüstungsgegenstand, den die Amerikaner an den Persischen Golf schicken, steigt doch die Eskalationsgefahr. Wie stellen Sie sich denn einen Krieg vor?
Ein Krieg, den sich die Amerikaner als eine zwei- bis dreiwöchige Angelegenheit vorstellen, würde in der Region die Büchse der Pandora öffnen. Die weltweit 120 Millionen Schiiten würden sich auch außerhalb des Irans solidarisch zeigen mit unabsehbaren Folgen vom Libanon bis nach Afghanistan hinein. Es ist aber ein Fehler zu glauben, dass die iranische Regierung schwach sei. Auch das Militär ist seit Jahren darauf vorbereitet, dass es zu einer Situation kommt, wie wir sie jetzt erleben. Das Erste, was übrigens weltweit spürbar werden würde in einem kriegerischen Konflikt, wäre die Explosion der Ölpreise. Keine Versicherungsgesellschaft würde Tanker, die durch die Straße von Hormus fahren, mehr versichern. Es gibt Schätzungen, nach denen sich die Erdölpreise im Kriegsfall mehr als vervierfachen könnten. Dann kostet der Liter Benzin bei uns an der Tankstelle acht Euro aufwärts. Man kann sich schwer vorstellen, welche Auswirkungen so ein Krieg auf die Weltwirtschaft haben könnte.