Kommentar

Kritik an Polen - Deutsche Zurückhaltung geboten


Die Kritik von deutscher Seite an der polnischen Regierung kam in Warschau gar nicht gut an.

Die Kritik von deutscher Seite an der polnischen Regierung kam in Warschau gar nicht gut an.

Die polnische Seele ist empfindlich. Denn in seiner Geschichte kam das Land immer wieder unter die Räder. Mal kam der Druck vonseiten Russlands - mal vonseiten des Deutschen Reichs. Eine richtige Nation in sicheren Grenzen ist Polen noch nicht allzu lange - diente das Land doch zu sehr als Spielwiese mächtigerer Herren.

All dies ist nicht vergessen, schon gar nicht die Schandtaten, die Nazi-Deutschland an Land und Leuten verübte. Inzwischen ist Polen ein stabiles Land, fest verankert in EU und Nato. Doch die gehäufte Kritik von deutscher Seite, die kam in Warschau gar nicht gut an. EU-Parlamentspräsident Martin Schulz und EU-Kommissar Günther Oettinger gehörten zu den ersten, die die neu gewählte polnische Regierung für ihr Vorgehen schalten. Es mag Zufall sein. Doch dass es ausgerechnet zwei Deutsche sind, die Polen unter Beobachtung stellen wollen oder es für schwierig halten, dass Polen so ohne Weiteres EU-Partner mit gleichen Rechten und Pflichten bleiben könne, sorgt in Polen für Verstimmung. Die neue Regierung unter Führung der Partei Recht und Gerechtigkeit des streitbaren Chefs Jaroslaw Kaczynski hat das Verfassungsgericht entmachtet und mit dem neuen Mediengesetz den staatlichen Rundfunk praktisch unter politische Kontrolle gestellt. Das scheint zunächst mit europäischen Werten nur schwer vereinbar. Doch haben alle anderen Länder Europas ein oberstes Gericht, das so unabhängig ist wie das Bundesverfassungsgericht? Und ist der Rundfunk wirklich überall frei von politischer Einflussnahme?

Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier will nun die Risse im deutsch-polnischen Verhältnis wieder kitten. Und das ist auch dringend notwendig. Zwar darf man ein Nachbarland für dessen Entscheidungen kritisieren. Aber gerade Deutschland sollte derzeit aufpassen. Viele Länder in der EU sind genervt von Berlin, das immer wieder seinen Führungsanspruch betont, dies dann in der Realität kaum einhält, dafür aber ständig den moralischen Zeigefinger hebt.

Auch in der Flüchtlingskrise zeigt sich dies an der Unentschlossenheit der deutschen Politik. Polen dürfte auf diesem Gebiet weit mehr Länder an seiner Seite haben - die ebenso wie die Regierung in Warschau einen ungebremsten Zustrom von Migranten ablehnen und auch von Deutschland erwarten, nun endlich die selbst gewählte Hilflosigkeit zu überwinden. Polen werde sich nicht von Deutschland "über Demokratie und Freiheit belehren lassen", sagte Verteidigungsminister Antoni Macierewicz. Zwar sollte auch Polen darauf achten, den Bogen nicht zu sehr zu überspannen, und nicht den Pfad der Demokratie zu verlassen. Doch gerade Deutschland sollte seine Sprache hier sorgfältiger wählen.