Südamerika

Abseits des Klimagipfels: Gold ist das neue Kokain


Arbeiter waschen in einer illegalen Goldmine im kolumbianischen Departement Chocó gefördertes Gestein, um darin Gold zu finden.

Arbeiter waschen in einer illegalen Goldmine im kolumbianischen Departement Chocó gefördertes Gestein, um darin Gold zu finden.

Von Regine Hölzel

Früher, da sei das aus der Luft gesehen wie ein großer Brokkoliteppich gewesen, erzählt Priester Ulrich Kollwitz. "Heute haben sich die Löcher im grünen Teppich des Regenwalds ungefähr verdreifacht." Im Hintergrund rattern die Maschinen einer illegalen Goldmine. Der Ende 1975 nach Kolumbien gekommene Missionar aus Siegburg (NRW) ist ein guter Gradmesser der Veränderungen - jenseits aller gefeierten UN-Klimabeschlüsse auf dem Papier.

Der illegale Goldabbau hier, in der kolumbianischen Pazifikregion im Departament Chocó, ist denkbar simpel. Großflächig werden Bäume gefällt, die Erde dutzende Meter tief mit Baggern ausgeweidet, bis man auf goldführenden Schichten stößt. Das Gestein wird dann in Maschinen "gesiebt" - und überschaubare Mengen Gold herausgeholt.

Der Erfolg des Klimagipfels in Paris steht bisher nur auf dem Papier, die Realität in Südamerika sieht gerade so aus: In Brasilien nimmt der illegale Holzeinschlag zu, auch weil der Flächenbedarf für Sojabohnen wächst, da die Menschheit mehr Fleisch isst - und daher der Tierfutterbedarf steigt. Und in Peru und Kolumbien ersetzt der illegale Goldabbau immer öfter den Koka-Anbau zur Kokaingewinnung. Dem fallen viele Bäume zum Opfer, die als CO2-Speicher gebraucht werden.

Zwar ist der Goldpreis in den letzten Monaten gesunken, aber mit knapp 1.100 Dollar je Feinunze immer noch auf hohem Niveau. "Fast alle Boote auf den Flüssen hier sind heute aus Metall, nicht mehr aus Holz", berichtet Kollwitz (63). Weil es bestimmte Tropenhölzer nicht mehr gebe. Mit seinen weißen Haaren, dem Vollbart und der Baskenmütze erinnert er ein bisschen an lateinamerikanische Befreiungstheologen. Einige Gemeinden, die er besucht, unterstützen eher den Goldabbau als dass sie ihn bekämpfen. Denn das schafft Arbeit und Einkommen.

"Wir werden hier gerne als Feinde des Fortschritts gesehen", resümiert Kollwitz. Es gibt kaum staatliche Präsenz, rechtsfreier Raum. Bei der Auswaschung des Golds gelangt oft hochgiftiges Quecksilber in die Flüsse. Es bilden sich zudem in den Förderlöchern große stehende Gewässer, was die Malariaausbreitung nach Angaben der Bewohner stark erhöht hat. Der oberste Finanzaufseher des Landes, Edgardo Maya Villazón, betont: "80 Prozent der Minen sind illegal."

Für Gruppen wie die linke Farc-Guerilla ist das Goldgeschäft heute weniger riskant als die Produktion von Kokain. Maya Villazón schätzt den Umsatz der illegalen Minen in Kolumbien auf 2,5 Milliarden US-Dollar im Jahr.

Rund 170 Quadratkilometer des Primär-Regenwaldes sollen allein 2014 in Kolumbien den Minen zum Opfer gefallen sein - mehr als die Hälfte der Fläche von Bremen. Es ist wie ein Krebsgeschwür, das sich ausbreitet, obwohl laut Regierung seit 2010 rund 8200 Personen festgenommen worden sind.

Angesichts verheerender Umweltverschmutzung und des Raubbaus an der Natur ruft Präsident Juan Manuel Santos zum "Krieg gegen die Minen". Die Schattenwirtschaft des illegalen Goldabbaus ersetze den Drogenhandel als "eine der Hauptaktivitäten der organisierten Kriminalität und als Quelle zur Finanzierung des Terrorismus." Das Militär ist mit mehr Personal im Einsatz, Minenbetreiber müssen bis zu 30 Jahre Haft fürchten. Zudem sind sechs neue Nationalparks geplant, die einer stärkeren Kontrolle unterliegen. "Wir sind das Land mit der größten Biodiversität, wir können nicht zulassen, dass Kriminelle mit ihren Minen unsere Ökosysteme töten", mahnt Santos.

Der Präsident setzt parallel darauf, dass er bis Ende März mit der noch über rund 8000 Kämpfer verfügenden Farc einen Friedensvertrag abschließen kann. "Die Farc ist regelmäßig hier und sorgt für Ordnung", berichtet ein Bewohner des Ortes Playa Bonita, der sich am für seine Stromschnellen berüchtigten Rio Andagueda befindet. Der Fluss hat durch das Ausbaggern im Zuge der Goldförderung teilweise einen ganzen neuen Verlauf bekommen. "Wir haben hier ständig Erdrutsche und das Wasser ist verschmutzt", klagt Andrea Renteria.

Alberto Cordoba hingegen ist kein Kritiker des Goldrausches, er ist mit einer Spitzhacke auf dem Weg zu einer Mine. "Wir dürfen nehmen, was die nicht brauchen." So kaufen sich die Betreiber, die oft auch aus der Region kommen, die Zustimmung der Gemeinden, in ihrem Land das Gold zu fördern. Sie überlassen einen Teil den Anwohnern, die mit einfachem Werkzeug ein bisschen Gold abzweigen, an guten Tagen machen sie über 100 Dollar. "Ich kann davon leben", betont Cordoba. Die Situation ist frustrierend für Priester Uli, wie sie ihn alle hier nennen, er kann wenig gegen den Goldboom ausrichten, für ihn steht aber fest, dass er auch symbolisch den Anti-Gold-Kampf predigt: "Ich benutze in meinen Messen keinen Goldkelch mehr." Er trage auch keinen Goldring. "Ich hab' nur ein paar Goldkronen in der Schnauze."