"Was heißt bei mir schon natürlich?"

Alligatoah schlüpft auch auf Rock im Park wieder in seine Kunstfiguren


Alligatoah ist seit kurzem mit seinem "Himmelfahrtskommando" auf Deutschland-Tour.

Alligatoah ist seit kurzem mit seinem "Himmelfahrtskommando" auf Deutschland-Tour.

Von Felix Hüsch

Alligatoah gehört seit ein paar Jahren zu den angesagtesten Rappern in Deutschland. Im Juni 2016 steht er wieder bei Rock im Park in Nürnberg auf der Bühne. Im Interview mit idowa erzählt er von seinem neuen Album, seinen musikalischen Wurzeln und Gewohnheiten auf Festivals.

Hallo Alligatoah, damit man dich musikalisch gleich ein bisschen einordnen kann: Hast du ein Lieblingsfestival?
Alligatoah: Ich stelle da ungerne eine Rangliste auf. Trotzdem muss ich da an meine ersten Festivals zurückdenken und fühle mich da schon sehr heimatverbunden. Da ich in Niedersachsen groß geworden bin, waren das "Deichbrand" oder das "Hurricane" meine Hauptanlaufstellen.

Im Juni geht es für dich jetzt aber zum wiederholten Male nach Nürnberg zu Rock im Park. In den Jahren entwickelt sich immer mehr der Trend, dass Acts auf Rockfestivals auftreten, die eigentlich einem anderen Genre zuzuordnen sind. Wie hast du darauf reagiert?
Alligatoah: Ich war sehr dankbar und habe mich irgendwie verstanden gefühlt. Es fällt mir selber manchmal schwer, mir ein Genre auf die Stirn zu malen, ich sehe mich nicht zwingend als Vollblut-Rapper. Im Herzen trage ich immer noch die verzerrten Gitarren, denn mit Metal hat bei mir alles mal angefangen ­­­- das war meine erste große Liebe. Als ich irgendwann gemerkt habe, dass sich das Ganze jetzt in eine andere Richtung entwickelt, war ich vor mir selbst ein bisschen in Erklärungsnot. Rückblickend war es wohl ein wichtiger Schritt, diese Grenze damals auch mental zu überwinden.

Wenn du dich entscheiden müsstest: Magst du lieber Auftritte auf Festivals oder auf deinen eigenen Konzerten?
Alligatoah: Das sind zwei unterschiedliche Ausgangslagen und ist immer eine Frage der Vorbereitung. Auf den Alligatoah-Konzerten sind die Leute wegen mir gekommen. Somit mögen sie zwar meine Musik, haben aber auch eine gewisse Erwartungshaltung. Auf Festivals haben einige im Publikum vorher noch nichts von mir gehört. Früher dachte ich immer, ich müsste mich dann anders verhalten...

...aber auch dann bleibst du möglichst natürlich, oder?
Alligatoah: Naja, was heißt bei mir schon natürlich (lacht)? Da ich in meinen Liedern meist in selbst ausgedachte Kunstfiguren schlüpfe, versuche ich, diese auch auf Festivals authentisch zu verkörpern.

Wenn du heute auf den großen Bühnen vor mehreren tausend Leuten durch Deutschland tourst - denkst du da manchmal an deinen ersten Auftritt?
Alligatoah: Das vergisst man natürlich nie. Wobei ich ja eigentlich mit YouTube-Videos angefangen habe. Der erste öffentliche Auftritt vor Publikum war dann 2008 in Moers auf einem Hip-Hop-Jam. Ich weiß, es klingt nach dem typischen Klischee aber gefühlt lief an dem Tag alles schief, was überhaupt schief laufen kann.

Neues Album strotzt vor Gesellschaftskritik

Heute läuft alles nach Plan und dein neues Album "Musik ist keine Lösung" deckt quasi die gesamte Palette an Gesellschaftskritik ab. Das vorherige Album "Triebwerke" war etwas mehr in eine Richtung gestrickt. Da ging es viel um die Liebe. Was hat dich dazu bewegt, auf einmal so viele Themen textlich rüber zu bringen?
Alligatoah: "Musik ist keine Lösung" ist eigentlich auch in einem bestimmten Rahmen abgesteckt. Zwar behandle ich viele Gesichtspunkte - alles in allem geht es aber um das gemeinsame Zusammenleben von Menschen und die Frage, warum das in letzter Zeit immer schwieriger zu werden scheint. Bevor ich mit der CD angefangen habe, ist mein Interesse für diese Sache eben gewachsen. Außerdem habe ich die Musik von deutschen Liedermachern wie Hannes Wader oder Reinhard Mey wiederentdeckt, die sich in ihren Texten auch damit auseinandergesetzt haben.

Solche Alben sind also vorher genau durchdacht und haben weniger mit der Aktualität zu tun?
Alligatoah: Ja, das wird von mir fest geplant. Da kommt dann auch meine Liebe zur Ordnung wieder durch.

In "Teamgeist", einem deiner neuen Lieder, rappst du über "die streitenden Massen unter den Wolken", die "von allen guten Geistern verlassen" sind. Vor allem bezieht sich der Text auf das Flüchtlingsthema, mit dem wir in unserer Online-Redaktion auch täglich konfrontiert werden. Soll der Refrain bedeuten, dass du die Hoffnung auf einen Konsens inzwischen aufgegeben hast?
Alligatoah: Keineswegs. Momentan passt der Text natürlich wie die Faust aufs Auge zur Flüchtlingsdiskussion. Zeilen wie "Glaubst du, dass der Multivitamin-Irrwahn Glück bringt? Dann bist du Wirtschaftsfrüchtling." passen perfekt ins Bild. Das Lied ist aber eigentlich eher als allgemeine Kritik an dem menschlichen Effekt der Gruppendynamik gedacht, vor dem heutzutage niemand mehr sicher ist. Wir versuchen überall, nur noch sofort ein Gemeinschaftsgefühl zu entwickeln. Das ist an sich keine schlechte Sache, würden dadurch nicht immer andere ausgeschlossen. Das ist ein Problem, dass wir von Grund auf zusammen angehen müssten, da es uns alle betrifft.

Mit dem Album "Triebwerke" hast du 2013 den Durchbruch geschafft und dir deinen Platz unter den bekanntesten deutschen Rappern gesichert. Bist du auf deinen heutigen Festival-Auftritten auch mal Zuschauer und gehst unter die Fans oder chillst du lieber backstage mit den Kollegen aus dem Musikgeschäft?
Alligatoah: Man trifft mich eher hinter der Bühne an. Unter die Fans zu gehen, ist immer mit einem Risiko verbunden da man ja doch...(zögert) für viele ein Objekt der Begierde ist. Backstage kann man aber auch Bands sehen und ich schaue mir gerne andere Acts an. Besonders meine früheren Idole aus dem Rockbereich wie "Rammstein" oder bei Rock im Park die "Red Hot Chili Peppers" lasse ich mir nur ungern entgehen. Da denke ich wieder daran zurück, wie bei mir alles einmal angefangen hat.

Alligatoah ante Portas!Heute beginnt die Eroberung:https://www.youtube.com/watch?v=ERItRpZ6ics#münchen #münchen #undnochmalsmünchen

Posted by Alligatoah on  Donnerstag, 25. Februar 2016