Kommentar

Ratlose Politik


Als "ernst und bedrohlich" bezeichnet Ministerpräsident Horst Seehofer die Lage. Für die CSU geht es aber um mehr als nur eine Positionsbestimmung im Nachgang dieser Taten. Sie ringt um ihren Markenkern, die innere Sicherheit.

Als "ernst und bedrohlich" bezeichnet Ministerpräsident Horst Seehofer die Lage. Für die CSU geht es aber um mehr als nur eine Positionsbestimmung im Nachgang dieser Taten. Sie ringt um ihren Markenkern, die innere Sicherheit.

Von Dr. Gerald Schneider

In Sankt Quirin ringt die bayerische Staatsregierung um ihren Kurs. Ein Amoklauf in München, das Axt-Attentat bei Würzburg, der Bombenanschlag in Ansbach: Der Freistaat wurde in den vergangenen Tagen schwer erschüttert. Schock und Schrecken sitzen tief.

Als "ernst und bedrohlich" bezeichnet Ministerpräsident Horst Seehofer die Lage. Für die CSU geht es aber um mehr als nur eine Positionsbestimmung im Nachgang dieser Taten. Sie ringt um ihren Markenkern, die innere Sicherheit. Dabei, so fair muss man bleiben, wird auch noch so viel Polizei die Taten von Einzelpersonen kaum verhindern können. Und: Viel zu tun ist in Wahrheit nicht. Die Sicherheitsarchitektur ist stabil - wirkliche Versäumnisse sind kaum auszumachen.

Für Seehofer geht es um mehr. Von Anfang an hat er klar die Flüchtlingspolitik von Bundeskanzlerin Angela Merkel infrage gestellt. Bis an den Rand des Bruchs der Schwesterparteien reichte der Streit über Merkels verhängnisvolles Mantra "Wir schaffen das!". Wenn sich jetzt auch seltene, dafür umso grausamere Nebeneffekte einer unkontrollierten Zuwanderung zeigen, kann die CSU dazu nicht schweigen. Zwar schätzt die Polizeibehörde Europol die Zahl der potenziellen islamistischen Terroristen in Europa nur auf wenige Hundert und die Terrormiliz IS nutzt demnach auch nicht die Flüchtlingsströme, um Kämpfer in Richtung Norden zu schleusen. Unbestritten richtig ist, dass sich die Gleichsetzung von Flüchtlingen und Terror verbietet.

Die Verunsicherung bleibt

Die Verunsicherung der Bevölkerung aber bleibt - da helfen banal-richtige Beschwichtigungen nicht weiter. Mit Deutschland wird eines der sichersten Länder der Welt ins Mark getroffen. Allzu viel Nachholbedarf gibt es nicht. Darüber sollte sich die CSU eigentlich freuen, zeigt es doch eine umsichtige Sicherheitspolitik. Trotz allem verspürt sie Handlungsdruck. Was also tun? Viele der Vorschläge, die nun zu hören sind, sind nicht neu. Beschleunigte Asylverfahren? Ist schon länger erklärtes Ziel. Registrierung von bislang unregistrierten Flüchtlingen? Nicht neu. Mehr Polizei und bessere Ausstattung? Hier hat gerade Bayern schon ziemlich vorgelegt. Wenn Innenminister Joachim Herrmann nun noch mehr Mittel bekommt, um weitere Planstellen zu schaffen und die Ausrüstung zu verbessern, so ist dagegen wenig zu sagen. Wie effektiv die Polizei arbeiten kann, hat sie während des Amoklaufs in München bewiesen. Ein Versäumnis würde hier nicht aufgearbeitet - es gibt keines.

Was tun, wenn Staatsbürgerschaft nicht feststeht?

Konsequente Abschiebungen? Hier liegt womöglich ein wunder Punkt. Gefordert haben das die Christsozialen schon immer. So hatte Max Straubinger, Parlamentarischer Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe im Bundestag, vorgeschlagen, Menschen auch in sichere Regionen Syriens abzuschieben. Dass er ausgerechnet die umkämpfte Region Aleppo als Beispiel anführte, hat ihm viel Spott eingebracht. Seehofer hat nun angeregt, die Abschiebung von straffällig gewordenen Flüchtlingen zu erleichtern. In der Tat bietet alleine schon der Rechtsweg viele Möglichkeiten, um eine Abschiebung zumindest zu verzögern. Hinzu kommen weitere Hindernisse. In akute Kriegsgebiete kann man nun mal nicht abschieben. Wenn etwa die Staatsbürgerschaft eines Flüchtlings nicht feststeht - wohin abschieben? Der Attentäter von Ansbach hätte in das EU-Mitgliedsland Bulgarien abgeschoben werden sollen. Doch selbst hierzu gab es offenbar etliche Hindernisse. Straffällige Flüchtlinge rasch loszuwerden, ist dabei eine durchaus richtige Forderung. Warum soll sich ein gastgebendes Land mit ihnen belasten?

Einen Ansatzpunkt in der Abschiebepolitik bietet womöglich die innerdeutsche Debatte. Grüne und Teile der SPD sperren sich bislang vehement gegen eine schärfere Abschiebepraxis. Doch wie genau diese denn aussehen sollte, dazu gibt es bislang kaum Antworten. Vielleicht kann die Sankt-Quirin-Klausur hierzu noch schlüssige Konzepte liefern. Und noch etwas steht aus: Morgen will die Kanzlerin zu den Entwicklungen der vergangenen Tage Stellung nehmen. Vielleicht gibt sie dann endlich den Kurs vor, auch bei Abschiebungen. Aber sie wird nur verkünden können: Viel Nachholbedarf in der inneren Sicherheit besteht nicht.