Kommentar

Denkzettel für die Etablierten


Norbert Hofer von der FPÖ liegt exakt gleichauf mit seinem Konkurrenten Alexander Van der Bellen: Beide erhielten 50,0 Prozent der Stimmen. Nun kommt es auf die Briefwahl an.

Norbert Hofer von der FPÖ liegt exakt gleichauf mit seinem Konkurrenten Alexander Van der Bellen: Beide erhielten 50,0 Prozent der Stimmen. Nun kommt es auf die Briefwahl an.

Egal, wer nun das Rennen macht: Für Europa ist die Wahl in Österreich kein gutes Omen. Ein Kommentar.

Der strahlende Frühsommertag machte die vorausgegangene Schlammschlacht fast vergessen. Die Österreicher haben am Sonntag in der Stichwahl ihr neues Staatsoberhaupt gewählt. Ganz klar ist das Ergebnis noch nicht. Ob nun Norbert Hofer von der FPÖ das Rennen gemacht hat, oder der unabhängige Kandidat Alexander Van der Bellen, mit großer Unterstützung der Grünen, bleibt noch offen. Zu sehr lagen die beiden Kopf an Kopf. Die Auswertung der Briefwahlstimmen steht erst für Montag an und diese könnten noch den Unterschied ausmachen. Gut ist, die Wahlbeteiligung war hoch. Das erschreckende Fazit: Die etablierten Parteien hatten bereits nach ihrer Schlappe im ersten Wahlgang keine Chance. Und rund die Hälfte der Wahlberechtigten war bereit, einem Rechtspopulisten an die Spitze des Staates zu wählen.

Der Ökonom Van der Bellen gab sich als Kandidat des Ausgleichs - als Einziger, der einen Blauen - blau ist die Parteifarbe der FPÖ - als Präsident noch würde verhindern können. Mit ihm dürfte sich in der Wiener Hofburg am wenigsten ändern. Enttäuschend nur, dass sich die Volksparteien ÖVP und SPÖ, deren Kandidaten im ersten Wahlgang zusammen nur enttäuschende 22 Prozent der Stimmen einfahren könnten, nicht geschlossen hinter Van der Bellen versammeln wollten, um ihm im Wettkampf gegen FPÖ-Mann Hofer den Rücken zu stärken.

Denn auch wenn sich Hofer im Wahlkampf relativ gemäßigt gab - der Bundespräsident hat in Österreich, auch aufgrund der Direktwahl, mehr Macht als sein deutscher Amtskollege. Sollte er am Ende vorne liegen, könnte Hofer das Parlament auflösen und dadurch Neuwahlen provozieren. Seine Amtsvorgänger haben diese Kompetenz praktisch nie benutzt und sich - eher wie in Deutschland - auf repräsentative Aufgaben konzentriert und sich auf die Macht des Worts verlassen.

Doch mit Hofers Einzug in die Hofburg könnte das anders werden. Nach dem glücklosen SPÖ-Kanzler Werner Faymann sitzt die Enttäuschung der Österreicher mit der Politik tief. Sein Nachfolger und Hoffnungsträger Christian Kern hat zwar bereits Akzente gesetzt, ob das aber reichen wird, im Falle einer Parlamentswahl in naher Zukunft einen Bundeskanzler Heinz-Christian Strache - ebenfalls FPÖ - zu verhindern, darauf würden wohl nur weniger höhere Geldbeträge wetten. Die nächsten regulären Nationalratswahlen stehen turnusmäßig erst im Jahr 2018 an.

An dem Wahlergebnis im Nachbarland - unabhängig davon, wer sich nun knapp durchsetzen wird - zeigt sich, wohin es führt, wenn zwei machtbewusste Volksparteien ein Land wie selbstverständlich unter sich aufteilen, und von der Staatsspitze bis hin zur Besetzung von Hausmeisterstellen den Parteienproporz im Pösterlgeschacher praktizieren. Ohne politische Ideen, ohne Impulse, ohne Visionen muss so eine Selbstbedienung dazu führen, dass sich die Wähler von diesem Parteienfilz abwenden. Dass auch die FPÖ inzwischen einen eigenen Filz betreibt - sei's drum. Ihren Vertretern gelingt es gerade besser, sich als Alternative zu präsentieren. Dabei mögen viele Wähler den etablierten Parteien weniger aus Überzeugung die Gefolgschaft in der Wahlkabine verweigert haben, sondern eher, weil sie SPÖ und ÖVP einen gehörigen Denkzettel verpassen wollen. So jedenfalls - lautet die Botschaft von Sonntag - kann es aus Sicht vieler Österreicher nicht weitergehen, egal wer nun tatsächlich gewonnen hat.

Außerdem zeigt sich, wohin der Dauerzustand einer großen Koalition führt: Der Streit um politische Ideen und Konzepte bleibt aus, Politik wird blutleer und die Versessenheit der Konzentration auf die politische Mitte führt dazu, dass einstige Alternativen zum Einheitsbrei verkommen. Den Regierenden in Berlin sollte das zur Warnung gereichen. Auch wenn angesichts der Wahlerfolge und Umfragehochs der AfD Mehrheiten jenseits eines Bündnisses von Union und SPD (von großer Koalition wagt man kaum mehr zu sprechen) schwer zu schmieden sein dürften, erscheinen selbst Dreierbündnisse oder Duldungsmodelle derzeit attraktiver als eine Fortsetzung der Groko. Zumindest könnte sich die politische Landschaft dann neu sortieren. Damit könnten die Parteien wieder verstärkt an ihrem eigenen Profil arbeiten und sich als wirkliche Alternativen präsentieren. Sonst droht auch hier ein Bedeutungsverlust von CDU und SPD, der am Ende niemanden wirklich dient.

Für Österreich und Europa ist das Ergebnis der Wahl in Österreich kein gutes Omen. Die Volksparteien sind blamiert, die Rechtspopulisten können sich so oder so als Gewinner fühlen und für die (noch) Regierenden wird das Leben sicher nicht leichter werden.